23.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil27.02.2015

Krankenkasse muss Kosten für Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten nicht übernehmenMedizinal-Cannabisblüten können nicht als Leistung der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung erbracht werden

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass eine Krankenkasse nicht zur Übernahme der Kosten für den Erwerb von sogenannten Medizinal-Cannabisblüten verpflichtet werden kann.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Als Folge einer 1993 erlittenen Hirnblutung leidet der 50-jährige Kläger an einer spastischen Lähmung aller vier Extremitäten und an einem schweren Anfallsleiden, einer sogenannten Grand-Mal-Epilepsie. Er kann nur wenige Schritte gehen, muss Spezialschuhe tragen und ist ansonsten auf den Rollstuhl angewiesen. Darüber hinaus leidet er an einer Stoff­wech­se­l­er­krankung, die mit zum Teil heftigsten kolikartigen Bauchschmerzen einhergeht. Zur Vorbeugung gegen epileptische Anfälle, aber auch zur Schmerz­be­handlung, konsumiert der 50-Jährige Medizinal-Cannabisblüten, die er über eine Apotheke bezieht. Für den normalerweise verbotenen Erwerb dieser Blüten besitzt er eine behördliche Ausnah­me­ge­neh­migung.

Für Kläger stellten Medizinal-Cannabisblüten nach eigener Auffassung die einzige medizinisch und ethisch vertretbare Behand­lungs­mög­lichkeit dar

Die Behandlung mit Medizinal-Cannabisblüten stelle in seinem Fall die einzige medizinisch und ethisch vertretbare Behand­lungs­mög­lichkeit dar, begründete der Kläger seinen Antrag auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Wegen seiner Stoff­wech­sel­krankheit könne er die üblichen Epilep­sie­me­di­kamente nicht einnehmen. Da sich sowohl die Schmerzen als auch die Spastik mit der Canna­bis­me­di­kation erfolgreich behandeln ließen, stehe ihm gegen seine Krankenkasse ein Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten zu.

Empfehlung des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses für Medizinal-Cannabisblüten liegt nicht vor

Diese Auffassung teilten die Stuttgarter Richter nicht und gaben der beklagten Krankenkasse Recht. Ein ausschließlich Medizinal-Cannabisblüten enthaltendes Ferti­g­a­rz­nei­mittel mit der erforderlichen Zulassung nach deutschem Arznei­mit­telrecht gebe es nicht. Aber auch als zulas­sungs­freies Rezep­tu­r­a­rz­nei­mittel - hierbei handelt es sich regelmäßig um in der Apotheke für einen bestimmten Patienten individuell hergestellte Arzneimittel - könnten die Medizinal-Cannabisblüten nicht als Leistung der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung erbracht werden. Denn insoweit fehle es an der nach dem Gesetz erforderlichen Empfehlung des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses. Eine befürwortende Empfehlung dieses Ausschusses, eines von den Spitzen­or­ga­ni­sa­tionen der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung gebildeten Gremiums, sei bei neuen Behand­lungs­me­thoden Voraussetzung für eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Für Medizinal-Cannabisblüten liege eine solche nicht vor.

Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch (SGB V)

Gesetzliche Kranken­ver­si­cherung

§ 27 SGB V - Kranken­be­handlung

(1) Versicherte haben Anspruch auf Kranken­be­handlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krank­heits­be­schwerden zu lindern. Die Kranken­be­handlung umfasst

[...]

3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln,

[...]

Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch (SGB V)

Gesetzliche Kranken­ver­si­cherung

§ 135 SGB V - Bewertung von Untersuchungs- und Behand­lungs­me­thoden

Erläuterungen

(1) Neue Untersuchungs- und Behand­lungs­me­thoden dürfen in der vertrag­s­ärzt­lichen und vertrags­zahn­ärzt­lichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassen­ärzt­lichen Bundes­ver­ei­nigung, einer Kassen­ärzt­lichen Vereinigung oder des Spitzen­ver­bandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaft­lichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissen­schaft­lichen Erkenntnisse in der jeweiligen Thera­pie­richtung,

[...]

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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