21.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil18.02.2015

Landkreis muss Kosten für Schulbegleiter einer Grundschülerin mit Down-Syndrom tragenSchulbegleiter müssen sich dabei auf unterstützende Tätigkeiten beschränken und dürfen keine Lehrinhalte vermitteln

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass der Sozia­l­hil­fe­träger im Rahmen der Einglie­de­rungshilfe die Kosten für die erforderliche Schulbegleitung einer Grundschülerin mit Down-Syndrom beim Besuch einer Regel­grund­schule mit inklusiver Beschulung zu tragen hat, wenn keine Lehrinhalte vermittelt werden, sondern sich die Schulbegleitung auf unterstützende Tätigkeiten beschränkt.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls wechselte nach zweijährigem Besuch einer Schule für Kinder mit geistiger Behinderung auf eine Regel­grund­schule. Dort wurde sie im Rahmen einer inklusiven Beschulung 5 Stunden wöchentlich von einer Koope­ra­ti­o­ns­lehrerin ihrer ursprünglichen Schule betreut. Nachdem es der Klägerin zunehmend schwerer fiel, den Lerninhalten zu folgen, wurde sie im Schuljahr 2012/2013 während des Unterrichts zusätzlich von qualifizierten Schul­be­glei­te­rinnen betreut.

Auffassung des Landkreises würde zum grundsätzlichen Ausschluss geistig behinderter Kinder vom integrativen Unterricht führen

Der beklagte Landkreis hat die Kostenübernahme dafür abgelehnt. Es gehe um den Kernbereich der pädagogischen Arbeit, weshalb das Land als Träger der Schulverwaltung in der Pflicht stehe. Der sonder­päd­ago­gische Bedarf werde durch die fünf Sonder­schul­lehrer-Stunden nicht gedeckt. Wenn die Schule es im Rahmen eines finanziell vertretbaren Rahmens nicht ermöglichen könne, die Verhältnisse so auszugestalten, dass dem behinderten Kind möglich sei, dem gemeinsamen Bildungsgang an der Regelschule zu folgen, müsse das Kind die Sonderschule besuchen. Nach Auffassung der ihre Tochter vor Gericht vertretenden Eltern der Klägerin würde die vom Landkreis vertretene Auffassung dazu führen, dass bei geistig behinderten Kindern bei einer integrativen Beschulung für die Eingliederungshilfe kein Anwen­dungs­bereich mehr bleibe, so dass geistig behinderte Kinder vom integrativen Unterricht grundsätzlich ausgeschlossen wären.

Schul­be­glei­te­rinnen haben keine sonder­päd­ago­gischen Aufgaben wahrgenommen

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat die Entscheidung des Sozialgerichts Reutlingen, das den Landkreis zur Leistung verurteilt hatte, bestätigt. Er hat hervorgehoben, dass der Sozialhilfeträger an die Entscheidungen der Schulverwaltung über die Erfüllung der Schulpflicht eines behinderten Kindes in einer Schule bzw. über eine bestimmte Schulart gebunden ist und das Wahlrecht der Eltern zu beachten hat. Deshalb sei er mit dem Einwand ausgeschlossen, dass eine bei Besuch einer Regelschule erforderliche Schulbegleitung bei Besuch einer Sonder- bzw. Förderschule entbehrlich sei. Den Kernbereich der Schule sah das Landes­so­zi­al­gericht durch die für die Klägerin erforderlichen Hilfen nicht als betroffen an, weshalb der Landkreis als für die Gewährung von Einglie­de­rungshilfe zuständiger Träger leistungs­pflichtig sei. Die Schul­be­glei­te­rinnen hätten gerade keine Lehrinhalte vermittelt, sondern lediglich unter­richts­be­gleitende unterstützende Leistungen erbracht, wie eine Fokussierung der Aufmerksamkeit auf das Unter­richts­ge­schehen, die Verdeutlichung von Aufga­ben­stel­lungen, Unterstützung bei der Auswahl der richtigen Bücher und Hefte und kommunikative Hilfestellungen. Damit hätten sie keine sonder­päd­ago­gischen Aufgaben wahrgenommen.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe

§ 53 SGB XII - Einglie­de­rungshilfe

(1) Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten Leistungen der Einglie­de­rungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Einglie­de­rungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Einglie­de­rungshilfe erhalten.

[...]

§ 54 SGB XII - Leistungen der Einglie­de­rungshilfe

(1) Leistungen der Einglie­de­rungshilfe sind neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 des Neunten Buches insbesondere

1. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt, [...]

[...]

Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozial­ge­setzbuch (Einglie­de­rungshilfe-Verordnung)

§ 12 Schulbildung

Erläuterungen

Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Zwölften Buches Sozial­ge­setzbuch umfasst auch

1. heipädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.

2. Maßnahmen der Schulbildung zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen.

[...]

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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