18.10.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil14.12.2017

Keine verspätete Nachzahlung von Rentenbeiträgen zur Schließung von Beitragslücken zur abschlagsfreien Rente mit 63Gesetzliche Härte­fa­ll­re­gelung dient nicht zum Ausgleich sämtlicher Nachteile durch Versäumung von Fristen

Wer die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren beziehen will, kann lange zurückliegende Beitragslücken nicht nachträglich durch Zahlung freiwilliger Beiträge zur Renten­ver­si­cherung schließen; auch wenn es um vergleichsweise kleine Lücken geht. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg.

Der 1952 geborene Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens hat im Laufe seines Arbeitslebens insgesamt 44 Jahre mit Pflicht­bei­trags­zeiten erreicht. Während einer einjährigen Beitragslücke von November 2006 bis Oktober 2007 war er arbeitslos. Arbeits­lo­sengeld bezog er in dieser Zeit nicht, da er eine größere Abfindung vom letzten Arbeitgeber erhalten hatte. Bereits seit längerer Zeit hatte er geplant, nach einer dreijährigen Alters­teil­zeit­arbeit ab 1. September 2015 mit 63 und mit Abschlägen in Rente zu gehen.

Kläger beantragt Rente mit 63 und Nachzahlung freiwilliger Beiträge

Seit 1. Juli 2014 können Versicherte mit dem Geburtsjahr des Klägers mit 45 Beitragsjahren die Altersrente für besonders langjährige Versicherte ab dem Alter von 63 Jahren abschlagsfrei in Anspruch nehmen (sogenannte "Rente mit 63"), was beim Kläger monatlich eine rund 200 Euro höhere Rente ausgemacht hätte. Im April 2015 hat der Kläger bei der Renten­ver­si­cherung die Rente mit 63 ab dem 1. September 2015 und die Nachzahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit von November 2006 bis Oktober 2007 in Höhe von 4.800 Euro beantragt, um die einjährige Beitragslücke zu schließen.

Die Renten­ver­si­cherung lehnte die Nachzahlung freiwilliger Beiträge wegen Versäumung der Zahlungsfrist ab. Ein Härtefall könne nicht anerkannt werden. Altersrente ab dem 1. September 2015 könne es nur mit Abschlägen geben.

SG bejaht Vorliegen besonderer Härte und Zulässigkeit der Nachzahlung freiwilliger Beiträge

Das Sozialgericht Stuttgart gab der Klage des Mannes recht und verpflichtete die Renten­ver­si­cherung, die Nachzahlung freiwilliger Beiträge zuzulassen, da eine besondere Härte vorliege. Die Beitragslücke führe dazu, dass der Kläger nicht die Rente mit 63 beanspruchen könne. Der Kläger habe damals davon habe ausgehen können, dass im Hinblick auf die Beitragslücke kein Handlungsbedarf bestehe.

LSG verneint Vorliegen eines Härtefalls und Anspruch auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg bewertete dies anders, hob das Urteil des Sozialgerichts auf und gab der Renten­ver­si­cherung Recht. Nach Auffassung des Landes­so­zi­al­ge­richts hat der Kläger keinen Anspruch darauf, nach so langer Zeit noch freiwillige Beiträge nachzuzahlen, um die Lücke zu schließen. Denn Beiträge für die Monate November und Dezember 2006 hätte der Kläger spätestens bis 31. März 2007 und für die Monate Januar bis Oktober 2007 spätestens bis 31. März 2008 entrichten müssen. Nach Fristablauf können Beiträge nur in besonderen Härtefällen nachentrichtet werden. Einen solchen Fall besonderer Härte hat das Landes­so­zi­al­gericht verneint. Die gesetzliche Härte­fa­ll­re­gelung ist nicht dazu da, sämtliche Nachteile auszugleichen, die mit der Versäumung der genannten Fristen einhergehen, sondern greift nur in bestimmten Konstellationen, die im konkreten Fall nicht gegeben sind, insbesondere bei Verlust einer Rente­n­an­wart­schaft. Auf die Rente mit 63 hatte der Kläger bei nur 44 Beitragsjahren aber zu keinem Zeitpunkt eine Anwartschaft. Seinen ursprünglichen Plan, nach Vollendung des 63. Lebensjahres ab 1. September 2015 die Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen, konnte er umsetzen. Auch die Tatsache, dass die jetzige Altersrente mit Abschlägen monatlich rund 200 Euro niedriger ist als die abschlagsfreie Rente mit 63, sich also die nachträgliche Beitragszahlung von 4.800 Euro bereits nach zwei Jahren amortisiert hätte, ergibt keine Härte. Um Abschläge zu vermeiden hätte der Kläger z.B. zwölf Monate länger arbeiten können und mit 64 Jahren in die dann immer noch vorgezogene abschlagsfreie Rente gehen können. Er hätte auch bereits 2007 freiwillige Beiträge entrichten können, um die Lücke zu schließen. Dies hat er nach eigenen Angaben bewusst nicht getan, weil er damals davon ausging, dass mit dieser Beitragslücke für ihn keine Nachteile verbunden sind. Mit der Nachzahlung von Beiträgen kann man aber nach Auffassung des Landes­so­zi­al­ge­richts nicht warten, bis irgendwann in der Zukunft Änderungen eintreten und die Nachzahlung auf die Zeit verschieben, in der die Nachteile einer Betragslücke sichtbar werden oder schon eingetreten sind.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) VI, Gesetzliche Renten­ver­si­cherung

Erläuterungen

§ 197 Abs. 2 und 3 SGB VI:

(2) Freiwillige Beiträge sind wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden.

(3) In Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, ist auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Der Antrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hinde­rungs­grundes gestellt werden. Die Beitragszahlung hat binnen einer vom Träger der Renten­ver­si­cherung zu bestimmenden angemessenen Frist zu erfolgen.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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