18.10.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil21.06.2016

Einschränkungen bei der neuen "Rente mit 63" rechtmäßigZeiten der Arbeits­lo­sigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn grundsätzlich nicht auf notwendige Versi­che­rungs­zeiten anrechenbar

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat Einschränkungen bei der neuen "Rente mit 63" für rechtmäßig befunden. Zeiten der Arbeits­lo­sigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn werden im Regelfall nicht auf die notwendigen Versi­che­rungs­zeiten von 45 Jahren (sogenannte Wartezeit) angerechnet. Damit sollen Fehlanreize vermieden werden, insbesondere eine faktische "Rente mit 61" zu Lasten der Sozia­l­ver­si­cherung.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im August 1951 geborene, bei einem großen Stuttgarter Automo­bil­her­steller beschäftigte Versicherte beendete aus gesund­heit­lichen Gründen sein Arbeits­ver­hältnis mit Aufhe­bungs­vertrag zum 31. Dezember 2011 und erhielt eine Abfindung in Höhe von 45.000 Euro. Anschließend bezog er zwei Jahre Arbeitslosengeld bis zum 31. Dezember 2013. Im Juli 2014 beantragte er die von der "Großen Koalition" eingeführte Altersrente für besonders langjährige Versicherte ("Rente mit 63") ab dem 1. September 2014.

Renten­ver­si­cherung verneint Berück­sich­tigung von Zeiten des Arbeits­lo­sen­geld­bezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn

Die Deutsche Renten­ver­si­cherung lehnte dies ab, da keine 45 Versi­che­rungsjahre (= 540 Beitragsmonate) vorlägen, es fehlten 15 Monate. Zeiten des Arbeits­lo­sen­geld­bezugs könnten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden; eine Ausnahme bestehe nur bei vollständiger Geschäfts­aufgabe oder Insolvenz des Arbeitgebers. Der Versicherte erhielt sodann eine niedrigere Altersrente wegen Arbeits­lo­sigkeit bewilligt.

Kläger rügt Verstoß gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz

Mit seiner Klage machte der Versicherte geltend, dass ein Verstoß gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz vorliege. Mit seinen Zeiten des Arbeits­lo­sen­geld­bezugs komme er auf 542 Monate anrechenbare Zeiten.

"Rente mit 63" soll keine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozia­l­ver­si­cherung werden

Die Klage war vor dem Sozialgericht Ulm erfolglos. Auch das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg gab der Deutschen Renten­ver­si­cherung Recht. Die Regelungen zur Anrechnung von Zeiten des Arbeits­lo­sen­geld­bezugs sind verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, betonte das Gericht. Der Gesetzgeber hat den ihm zustehenden Gestal­tungs­spielraum nicht verletzt. Die Erwägung, Fehlanreize in Richtung Frühverrentung zu vermeiden, ist nachvollziehbar; aus der "Rente mit 63" soll keine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozia­l­ver­si­cherung werden. Zur Vermeidung von Härtefällen gibt es eine Ausnah­me­re­gelung, wodurch die Interessen der Versicherten ausreichend geschützt werden. Zeiten des Arbeits­lo­sen­geld­bezugs können in den zwei Jahren vor Rentenbeginn ausnahmsweise doch angerechnet werden, wenn sie durch „Insolvenz oder vollständige Geschäfts­aufgabe des Arbeitgebers“ bedingt sind. Ein solcher Fall hat aber nicht vorgelegen.

Sozial­ge­setzbuch (SGB)

Erläuterungen

§ 236 b Abs. 1 SGB VI (Altersrente für besonders langjährig Versicherte)

Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, haben frühestens Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie

1.das 63. Lebensjahr vollendet und

2.die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt

haben.

§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 – 3 SGB VI (Anrechenbare Zeiten)

Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden Kalendermonate angerechnet mit

1. Pflicht­bei­trägen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit,

2. Berück­sich­ti­gungs­zeiten,

3. Zeiten des Bezugs von

a) Entgel­ter­satz­leis­tungen der Arbeits­för­derung,

b) Leistungen bei Krankheit und

c) Übergangsgeld,

soweit sie Pflicht­bei­trags­zeiten oder Anrech­nungs­zeiten sind; dabei werden Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von Entgel­ter­satz­leis­tungen der Arbeits­för­derung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäfts­aufgabe des Arbeitgebers bedingt.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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