Dokument-Nr. 14828
Permalink https://urteile.news/
- ZD 2013, 144Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2013, Seite: 144
- Postmortales Persönlichkeitsrecht schützt nicht nur ideelle sondern auch kommerzielle InteressenBundesverfassungsgericht, Beschluss22.08.2006, 1 BvR 1168/04
- Darstellung der Ermordung Pontos im Film "Der Baader Meinhof Komplex" verstößt nicht gegen PersönlichkeitsrechteLandgericht Köln, Urteil09.01.2009, 28 O 765/08
- Wikipedia kann sich auf Pressefreiheit berufen: Universitätsprofessor hat keinen Unterlassungsanspruch wegen der Nennung persönlicher DatenLandgericht Tübingen, Urteil18.07.2012, 7 O 525/10
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht
- Internetrecht
- allgemeines Persönlichkeitsrecht
- Artikel
- gerichtliche Zuständigkeit
- internationale Zuständigkeit
- örtliche Zuständigkeit
- postmortal
- postmortales
- postmortale
- Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG)
- Unterlassungsanspruch
- Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
- Wikipedia
- Wikipedia-Eintrag
Landgericht Schweinfurt Urteil23.10.2012
Wikipedia: Einzelne Ungenauigkeiten begründen keinen Anspruch auf Nichtveröffentlichung eines ArtikelsDeutsche Gerichte sind für Unterlassungsansprüche gegen deutschsprachiges Wikipedia zuständig
Enthält ein Artikel auf Wikipedia einzelne Ungenauigkeiten, so begründet dies noch keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des Artikels. Für die Unterlassungsklage ist die Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Schweinfurt hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger begehrte vor dem Landgericht Schweinfurt die Unterlassung eines, auf der deutschsprachigen Wikipedia, erschienen Artikels seines verstorbenen Vaters. Nach Meinung des Klägers habe der Artikel eine Reihe von falschen Behauptungen enthalten, unter anderem zur NSDAP-Mitgliedschaft des Verstorbenen. Dies stelle einen Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht dar.
Zuständigkeit des Landgerichts Schweinfurt
Das Landgericht Schweinfurt hielt sich zunächst für international und örtlich zuständig. Die Zuständigkeit ergebe sich aus § 32 ZPO. Diese Vorschrift regele unter anderem die örtliche und internationale Zuständigkeit bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch massenmedial verbreitete Äußerungen. Zu berücksichtigen sei gewesen, dass es sich zum einen um eine deutschsprachige Internetseite gehandelt habe. Zum anderen habe der Artikel einen über die bloße Abrufbarkeit hinausgehenden Inlandsbezug aufgewiesen. Denn der Artikel sei vor allem im Inland zur Kenntnis genommen worden, so dass die Verletzung des Persönlichkeitsrechts im Inland eingetreten sei (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2011 - VI ZR 93/10).
Unterlassungsanspruch bestand nicht
Das Landgericht Schweinfurt verneinte aber einen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Zwar habe Wikipedia Kenntnis von dem Artikel und den darin enthaltenen Behauptungen erlangt. Dies sei auch Voraussetzung für eine Haftung von Wikipedia. Denn im Fall des Betriebs einer Webseite, auf der Dritte ihre Äußerungen einstellen können, hafte der Betreiber auf Unterlassung der fremden Äußerung erst ab dem Zeitpunkt, in dem er von der rechtswidrigen Äußerung Kenntnis erlangt (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2011 - VI ZR 93/10). Jedoch habe keine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts vorgelegen.
Postmortales Persönlichkeitsrecht wurde nicht verletzt
Grundsätzlich gelte das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG nur für lebende Personen (BGH, Urt. v. 06.12.2005 - VI ZR 265/04). Jedoch könne im Einzelfall das Persönlichkeitsrecht auch nach dem Tod schützenswert sein. Dies werde vor allem dann angenommen, wenn unwahre Tatsachenbehauptungen über den Verstorbenen verbreitet werden, er herabgesetzt und erniedrigt oder sein Bild und seine Lebensleistung grob entstellt werde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.02.1971 - BvR 435/68). Dies habe hier aber nach Ansicht des Landgerichts nicht vorgelegen. Zwar habe der Artikel einzelne Ungenauigkeiten enthalten. Er habe aber kein falsches Bild von dem Verstorbenen in der Weise gezeichnet, dass darin eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts zu sehen war.
Auf die Frage, ob sich Wikipedia auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen könne, sei es daher nicht mehr angekommen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.12.2012
Quelle: Landgericht Schweinfurt, ra-online (vt/rb)
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil14828
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.