23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss22.08.2006

Postmortales Persön­lich­keitsrecht schützt nicht nur ideelle sondern auch kommerzielle InteressenVermögenswerte Bestandteile des Rechts am eigenen Bild gehen nach dem Tod des Rechtsträgers auf seine Erben über

Das allgemeine Persön­lich­keitsrecht schützt nicht nur ideelle, sondern auch kommerzielle Interessen der Persönlichkeit. Dies geht aus einem Beschluss des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hervor. Es folgt damit der Rechts­auf­fassung des Bundesgerichtshofs. Wenn z.B. durch die unbefugte Verwendung eines Bildnisses schuldhaft vermögenswerte Bestandteile des Persön­lich­keits­rechts verletzt werden, steht dem Träger des Persön­lich­keits­rechts ein Schaden­s­er­satz­an­spruch zu. Ist der Träger des Persön­lich­keits­rechts bereits gestorben, geht dieser Anspruch auf seine Erben über.

Die Beschwer­de­führerin vertreibt Fotoko­pier­geräte. Im Jahr 1993 warb sie in einer Zeitungsanzeige unter der Überschrift „Vom Blauen Engel schwärmen, genügt uns nicht“ für die Umwelt­freund­lichkeit ihrer Geräte und verwendete dabei eine Fotografie, auf der eine bekannte Szene aus dem Film „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich von einer ähnlich gekleideten Person nachgestellt wurde. Die Tochter und Alleinerbin von Marlene Dietrich verlangte durch eine von ihr und ihrem Sohn gegründete Verwer­tungs­ge­sell­schaft von der Beschwer­de­führerin Zahlung einer angemessenen Lizenzvergütung.

Das Landgericht und das Oberlan­des­gericht wiesen die Klage zunächst ab, da bei einer Verletzung des postmortalen Persön­lich­keits­rechts ein Anspruch auf Ersatz von Vermö­gens­schäden nicht bestehe. Der Bundes­ge­richtshof bejahte dagegen einen Schaden­s­er­satz­an­spruch (BGH, Urt. v. 01.12.1999 - I ZR 226/97), da das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Schutz nicht nur ideeller, sondern auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit diene. Würden diese vermögenswerten Bestandteile des Persön­lich­keits­rechts durch eine unbefugte Verwendung des Bildnisses schuldhaft verletzt, stehe dem Träger des Persön­lich­keits­rechts ein Schaden­s­er­satz­an­spruch zu. Die entsprechenden Befugnisse gingen auf den Erben des Trägers des Persön­lich­keits­rechts über.

Die Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwer­de­führerin rügt, dass der Bundes­ge­richtshof die Grenzen richterlicher Rechts­fort­bildung nicht beachtet habe, hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Gegen die richterliche Rechts­fort­bildung, die in der Anerkennung vererblicher vermögenswerter Bestandteile des zivil­recht­lichen Persön­lich­keits­rechts liegt, bestehen keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken.

Für diese Rechts­fort­bildung lässt sich allerdings nicht anführen, dass durch sie verpflichtende Vorgaben der Verfassung konkretisiert werden. Das Grundgesetz gebietet einen postmortalen Schutz der Persönlichkeit gegen Angriffe auf die Menschenwürde. Einen Schutz vor einer kommerziellen Ausbeutung, die nicht mit einer Menschen­wür­de­ver­letzung verbunden ist, kennt das Grundgesetz im Bereich des postmortalen Schutzes nicht. Das Grundgesetz steht der einfach­recht­lichen Anerkennung eines solchen Schutzes aber nicht entgegen.

Die erkennenden Gerichte durften die sich aus dem Kunst­ur­he­ber­gesetz ergebende Rechtslage für ergän­zungs­be­dürftig halten. Mit verbesserten technischen Mitteln und gesteigerter Bedeutung der Medien hat die Möglichkeit, Bestandteile der Persönlichkeit zu kommer­zi­a­li­sieren, an Vielfalt, Ausmaß und Intensität zugenommen. In der rechtlichen Anerkennung der Möglichkeit zur Kommer­zi­a­li­sierung des Rechts am Bild und zugleich in den Vorkehrungen zur Effektivierung des Schutzes gegen eine unerlaubte Nutzung des Bildes liegt keine unzulässige Rechts­fort­bildung.

Auch ist die Annahme des Bundes­ge­richtshofs, dass die vermögenswerten Bestandteile des Rechts am eigenen Bild nach dem Tod des Rechtsträgers auf seine Erben übergehen, verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Annahme widerspricht nicht § 22 Satz 3 Kunst­ur­he­ber­gesetz, wonach das Recht zur Einwilligung in die Verwendung des Bildes postmortal den Angehörigen des Abgebildeten zusteht. Diese Norm ist keine nach Wortlaut, Systematik und Sinn abschließende Regelung auch der Frage, wer einen Vermögenswert aus der Verwertung des Bildes geltend machen kann. Die Norm steht historisch in ihrem Bezug auf den Schutz ideeller Interessen. Heute hat sich das Recht am Bild über diese ideelle Schutzposition hinaus dahingehend entwickelt, dass die Norm auch im Dienst von Vermö­gen­s­in­teressen steht. Insoweit hat der Gesetzgeber nicht geklärt, wem die Vermö­gens­vorteile zustehen sollen und insbesondere, ob dies nur die Einwil­li­gungs­be­rech­tigten sein dürfen. Die entsprechende Klärung kann Gegenstand richterlicher Rechts­fort­bildung sein. Es entspricht den Grundgedanken des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung solcher Vermö­gen­s­in­teressen den Erben zuzugestehen.

Vgl. auch BGH, Urt. v. 01.12.1999: Verletzung des Rechts am eigenen Bild durch Nachstellen einer bekannten Filmszene aus "Der blaue Engel" - Verwendung von Name und Bild Marlene Dietrichs zu Werbezwecken

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 84/06 des BVerfG vom 27.09.2006

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