Dokument-Nr. 3115
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Bundesverfassungsgericht Beschluss22.08.2006
Postmortales Persönlichkeitsrecht schützt nicht nur ideelle sondern auch kommerzielle InteressenVermögenswerte Bestandteile des Rechts am eigenen Bild gehen nach dem Tod des Rechtsträgers auf seine Erben über
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nicht nur ideelle, sondern auch kommerzielle Interessen der Persönlichkeit. Dies geht aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hervor. Es folgt damit der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs. Wenn z.B. durch die unbefugte Verwendung eines Bildnisses schuldhaft vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts verletzt werden, steht dem Träger des Persönlichkeitsrechts ein Schadensersatzanspruch zu. Ist der Träger des Persönlichkeitsrechts bereits gestorben, geht dieser Anspruch auf seine Erben über.
Die Beschwerdeführerin vertreibt Fotokopiergeräte. Im Jahr 1993 warb sie in einer Zeitungsanzeige unter der Überschrift „Vom Blauen Engel schwärmen, genügt uns nicht“ für die Umweltfreundlichkeit ihrer Geräte und verwendete dabei eine Fotografie, auf der eine bekannte Szene aus dem Film „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich von einer ähnlich gekleideten Person nachgestellt wurde. Die Tochter und Alleinerbin von Marlene Dietrich verlangte durch eine von ihr und ihrem Sohn gegründete Verwertungsgesellschaft von der Beschwerdeführerin Zahlung einer angemessenen Lizenzvergütung.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht wiesen die Klage zunächst ab, da bei einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch auf Ersatz von Vermögensschäden nicht bestehe. Der Bundesgerichtshof bejahte dagegen einen Schadensersatzanspruch (BGH, Urt. v. 01.12.1999 - I ZR 226/97), da das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Schutz nicht nur ideeller, sondern auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit diene. Würden diese vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts durch eine unbefugte Verwendung des Bildnisses schuldhaft verletzt, stehe dem Träger des Persönlichkeitsrechts ein Schadensersatzanspruch zu. Die entsprechenden Befugnisse gingen auf den Erben des Trägers des Persönlichkeitsrechts über.
Die Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin rügt, dass der Bundesgerichtshof die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht beachtet habe, hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Gegen die richterliche Rechtsfortbildung, die in der Anerkennung vererblicher vermögenswerter Bestandteile des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts liegt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Für diese Rechtsfortbildung lässt sich allerdings nicht anführen, dass durch sie verpflichtende Vorgaben der Verfassung konkretisiert werden. Das Grundgesetz gebietet einen postmortalen Schutz der Persönlichkeit gegen Angriffe auf die Menschenwürde. Einen Schutz vor einer kommerziellen Ausbeutung, die nicht mit einer Menschenwürdeverletzung verbunden ist, kennt das Grundgesetz im Bereich des postmortalen Schutzes nicht. Das Grundgesetz steht der einfachrechtlichen Anerkennung eines solchen Schutzes aber nicht entgegen.
Die erkennenden Gerichte durften die sich aus dem Kunsturhebergesetz ergebende Rechtslage für ergänzungsbedürftig halten. Mit verbesserten technischen Mitteln und gesteigerter Bedeutung der Medien hat die Möglichkeit, Bestandteile der Persönlichkeit zu kommerzialisieren, an Vielfalt, Ausmaß und Intensität zugenommen. In der rechtlichen Anerkennung der Möglichkeit zur Kommerzialisierung des Rechts am Bild und zugleich in den Vorkehrungen zur Effektivierung des Schutzes gegen eine unerlaubte Nutzung des Bildes liegt keine unzulässige Rechtsfortbildung.
Auch ist die Annahme des Bundesgerichtshofs, dass die vermögenswerten Bestandteile des Rechts am eigenen Bild nach dem Tod des Rechtsträgers auf seine Erben übergehen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Annahme widerspricht nicht § 22 Satz 3 Kunsturhebergesetz, wonach das Recht zur Einwilligung in die Verwendung des Bildes postmortal den Angehörigen des Abgebildeten zusteht. Diese Norm ist keine nach Wortlaut, Systematik und Sinn abschließende Regelung auch der Frage, wer einen Vermögenswert aus der Verwertung des Bildes geltend machen kann. Die Norm steht historisch in ihrem Bezug auf den Schutz ideeller Interessen. Heute hat sich das Recht am Bild über diese ideelle Schutzposition hinaus dahingehend entwickelt, dass die Norm auch im Dienst von Vermögensinteressen steht. Insoweit hat der Gesetzgeber nicht geklärt, wem die Vermögensvorteile zustehen sollen und insbesondere, ob dies nur die Einwilligungsberechtigten sein dürfen. Die entsprechende Klärung kann Gegenstand richterlicher Rechtsfortbildung sein. Es entspricht den Grundgedanken des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung solcher Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen.
Vgl. auch BGH, Urt. v. 01.12.1999: Verletzung des Rechts am eigenen Bild durch Nachstellen einer bekannten Filmszene aus "Der blaue Engel" - Verwendung von Name und Bild Marlene Dietrichs zu Werbezwecken
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.09.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 84/06 des BVerfG vom 27.09.2006
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