21.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 16206

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Landgericht Gießen Beschluss14.03.2013

Keine Haftung des eBay-Mitglieds bei Nutzung seines eBay-Kontos durch einen unbekannten DrittenHaftung wegen einer Anscheins- bzw. Duldungs­vollmacht nur in engen Ausnahmefällen

Wird das Konto eines eBay-Mitglieds von einem unbekannten Dritten geknackt und bietet dieser darüber bei Auktionen mit, so haftet dafür grundsätzlich nicht der Kontoinhaber. Eine Haftung wegen einer Duldungs- oder Anscheins­vollmacht kommt nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Gießen hervor.

Im zugrunde liegenden Fall wurde über ein eBay-Konto im Rahmen einer Auktion ein MacBook ersteigert. Das Laptop wurde beim Verkäufer persönlich abgeholt. Die Zahlung des Kaufpreises blieb jedoch aus. Der Verkäufer nahm daraufhin den Kontoinhaber in Anspruch. Dieser bestritt jedoch an der Auktion teilgenommen zu haben und wies den Zahlungs­an­spruch zurück. Es stellte sich heraus, dass ein unbekannter Dritter den Account des eBay-Mitglieds knackte, darüber das MacBook ersteigerte und es beim Verkäufer abholte. Der Verkäufer war der Meinung, der Inhaber des eBay-Kontos hätte seinen Account besser überwachen müssen und hafte deshalb für den Kaufpreis wegen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht. Das Amtsgericht Gießen wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Verkäufers.

Anspruch auf Kaufpreis­zahlung bestand nicht

Das Landgericht Gießen entschied gegen den Verkäufer. Diesem habe kein Anspruch auf Kaufpreis­zahlung (§ 433 Abs. 2 BGB) zugestanden. Zwar könne durchaus in einem solchen Fall der Inhaber eines eBay-Kontos für Erklärungen, die ein unbefugter Nutzer über den Account abgegeben hat, haften (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.2011 - VIII ZR 289/09). Dies setze aber entweder eine Bevoll­mäch­tigung oder eine nachträgliche Genehmigung voraus. Des Weiteren können die Grundsätze der Duldungs- oder die Anscheins­vollmacht greifen. Keiner dieser Fälle habe hier jedoch vorgelegen.

Duldungs­vollmacht lag nicht vor

Das Landgericht führte weiter aus, dass eine Duldungsvollmacht regelmäßig nur dann vorliegt, wenn der Vertretene es willentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn, wie ein Vertreter auftritt. Es sei hingegen nicht ersichtlich gewesen, dass der Kontoinhaber einen Dritten die Zugangsdaten für sein eBay-Account offen gelegt hat oder von der Nutzung seines eBay-Kontos durch einen Dritten wusste oder damit einverstanden war.

Keine Haftung aufgrund einer Anscheins­vollmacht

Eine Haftung des eBay-Mitglieds aufgrund einer Anscheins­vollmacht sei ebenfalls nach Ansicht des Landgerichts nicht in Betracht gekommen. Eine solche sei regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Vertretene das Handeln des Schein­ver­treters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Darüber hinaus sei erforderlich, dass das Handeln des Schein­ver­treters von einer gewissen Dauer und Häufigkeit ist. Dies könne selbst bei einer wiederholten Nutzung eines eBay-Mitgliedskontos nicht vermutet werden. Das Landgericht begründete dies damit, dass selbst angesichts der Identi­fi­ka­ti­o­ns­funktion der Zugangsdaten für den eBay-Account, der Unüber­trag­barkeit des Mitgliedskontos sowie des geheim zuhaltenen Passworts, nicht gewährleistet sei, dass unter einem registrierten Mitgliedsnamen ausschließlich dessen tatsächlicher Inhaber auftritt.

Benach­rich­tigung zum Kaufver­trags­schluss begründete keine Anscheins­vollmacht

Weiterhin habe nach Auffassung des Landgerichts aus dem Umstand, dass der Kontoinhaber nach erfolgtem Kauf eine Benach­rich­tigung von eBay erhielt, nicht entnommen werden können, dass der Kontoinhaber, dass auf einem Abschluss eines Vertrags gerichtete Verhalten des Dritten kannte und billigte. Denn zum Zeitpunkt der Mitteilung sei der Kaufvertrag bereits geschlossen gewesen. Es gebe zudem keine Verpflichtung des Kontoinhabers seine eingehenden E-Mails ständig auf entsprechende Mitteilungen über Vertrags­schlüsse seitens von eBay zu kontrollieren.

Keine Haftung wegen unzureichender Sicher­heits­vor­keh­rungen

Der Verkäufer vertrat unter Zugrundelegung der sogenannten Halsband-Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs (BGH, Urt. v. 11.03.2009 - I ZR 114/06 - Halsband) die Meinung, dass der Kontoinhaber für die unter Nutzung seines eBay-Accounts abgegebenen Erklärungen schon deswegen hafte, weil er keine ausreichenden Sicher­heits­vor­keh­rungen gegen einen Zugriff Dritter auf seine maßgeblichen Kontodaten getroffen hatte. Dieser Auffassung folgte das Landgericht nicht. Denn der Verkäufer habe die Entscheidung des BGH verkannt.

Keine Anwendung der Halsband-Entscheidung im Vertragsrecht

In der Entscheidung habe der BGH die deliktische Haftung eines Kontoinhabers für über sein Konto begangene Urheberrechts- bzw. Marken­ver­let­zungen sowie sonstige Wettbe­wer­bs­verstöße bejaht, wenn die Rechts­ver­let­zungen auf die unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten beruhten. Zugleich habe er jedoch betont, dass diese Rechtsprechung keine Anwendung im Vertragsrecht findet. Denn die für den Bereich der deliktischen Haftung entwickelten Grundsätze, lassen sich seiner Ansicht nach nicht auf die Zurechnung einer unter unbefugter Nutzung eines Mitgliedskontos von einem Dritten abgegebenen recht­ge­schäft­lichen Erklärungen übertragen. Während im Deliktsrecht der Schutz absoluter Rechte Vorrang vor den Interessen des Schädigers hat, gehe es im Vertragsrecht darum, ob die berechtigten Interessen des Geschäfts­partners schutzwürdiger sind, als die Belange desjenigen, der eine unberechtigte Nutzung seines passwort­ge­schützten Kontos ermöglichte.

Interessen des Verkäufers waren nicht schutzwürdiger

Die Interessen des Geschäfts­partners seien nicht schon deshalb schutzwürdiger gewesen, so das Landgericht weiter, weil der Kontoinhaber bei eBay ein passwort­ge­schütztes Mitgliedskonto eingerichtet und sich das Mitglied zur Geheimhaltung der Zugangsdaten verpflichtet hatte. Insbesondere sei zu beachten gewesen, dass es dem Verkäufer ohne jede Schwierigkeit möglich war, sich bei der Abholung des Laptops über die Identität des Abholers zu vergewissern. Es habe sich in diesem Fall die typischen Risiken eines Fernab­satz­ge­schäfts unter Verwendung elektronischer Kommu­ni­ka­ti­o­ns­medien verwirklicht.

Quelle: Landgericht Gießen, ra-online (vt/rb)

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