21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
ergänzende Informationen

Landgericht Braunschweig Urteil30.07.2014

Schaden­s­er­satzklage gegen die Porsche Automobil Holding S. E. erfolglosPresse­mit­tei­lungen im Zusammenhang mit der versuchten VW-Übernahme nicht falsch oder unvollständig

Das Landgericht Braunschweig hat die Schaden­s­er­satzklage eines Anleger gegen die Porsche Holding S.E. auf Zahlung von 131.986,60 Euro abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts waren die in der Zeit von März 2008 bis Oktober 2008 herausgegebenen Presse­mit­tei­lungen im Zusammenhang mit der versuchten VW-Übernahme nicht wie vom Kläger beanstanden falsch oder unvollständig. Wegen der verschiedenen Interpretations­möglichkeiten hinsichtlich einer möglichen Fusion sei die Mitteilung jedenfalls nicht grob falsch und daher nicht sittenwidrig, entschied das Gericht.

Im zugrunde liegenden Streitfall verlangte ein Anleger von der Porsche Automobil Holding S.E. die Zahlung eines Betrages in Höhe von 131.986,60 Euro. Hintergrund der Schaden­s­er­satzklage waren die Presse­mit­tei­lungen der Porsche Automobil Holding S. E. in dem Zeitraum März 2008 bis Oktober 2008. Da die Beklagte bereits in der Zeit vor dem 26. Oktober 2008 die Absicht gehabt habe, durch den Erwerb von 75 % des Aktienbestandes die VW-AG zu übernehmen, sei die Mitteilung am 26.Oktober 2008 zu spät veröffentlicht worden. Aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Mitteilungen im März und September 2008 sei von einer Übernah­me­a­bsicht nicht auszugehen gewesen. Als der Kläger am 24. Oktober 2008 seine Finanz­trans­aktion getätigt habe, sei er von sinkenden Kursen ausgegangen. Nach der Veröf­fent­lichung der Mitteilung der Beklagten am 26. Oktober 2008 seien die Kurse der VW-Stammaktie am 27. Oktober 2008 stark gestiegen. Aufgrund des Kursanstiegs habe er zur Schließung seiner Position einen viel höheren Preis pro Aktie aufwenden müssen. Dadurch sei ihm ein finanzieller Verlust in Höhe von 131.986,60 Euro entstanden.

Die Beklagte verweist darauf, dass die Mitteilung vom 26. Oktober 2008 der aktuellen Beschlusslage des Unternehmens entsprochen habe und sie daher richtig gewesen sei. Im Übrigen stellt sie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Mitteilungen und der Transaktion des Klägers in Abrede.

LG verneint Zusammenhang zwischen angeblichem Schaden des Klägers und eventuell erzielter Gewinne von Porsche

In der Urteils­be­gründung verneint das Landgericht Braunschweig sowohl eine delikts­rechtliche Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz, als auch eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB. Eine Schaden­s­er­satz­pflicht der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Betruges komme mangels Stoffgleichheit nicht in Betracht. Es bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem angeblichen Schaden des Klägers und eventuell erzielten Gewinnen der Beklagten bei dem Handel mit Optionen von VW-Stammaktien.

Schadensersatz wegen Veröf­fent­lichung unwahrer Inside­r­in­for­ma­tionen kommt nicht in Betracht

Eine analoge Anwendung der §§ 37 b,37 c WpHG (Schadensersatz wegen Veröf­fent­lichung unwahrer Inside­r­in­for­ma­tionen) komme nicht in Betracht, weil diese Vorschriften sich lediglich auf die Veröf­fent­li­chungs­pflicht des Emittenten gemäß § 15 WpHG beziehe, nicht aber auf andere Marktteilnehmer. Das in § 20 a WpHG geregelte Verbot der Markt­ma­ni­pu­lation sei nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

Presse­mit­teilung war nicht grob falsch und daher nicht sittenwidrig

Eine Haftung gemäß § 826 BGB wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung verneint das Landgericht zum einen unter Hinweis auf das Fehlen eines sittenwidrigen Handels der Beklagten und zum anderen wegen der fehlenden Kausalität zwischen den Mitteilungen und der Entscheidung des Klägers, das Börsengeschäft zu tätigen. Die ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 (Erklärung, der Aufsichtsrat habe "grünes Licht" für die Erhöhung der Beteiligung an der Volkswagen AG auf über 50 % gegeben) sei bereits deshalb nicht unrichtig, weil dieses der Beschlusslage der Beklagten entsprochen habe. Die weitere Mitteilung, "eine Fusion sei nicht geplant", lasse zwar mehrere Inter­pre­ta­ti­o­ns­mög­lich­keiten zu und sei daher mehrdeutig. Wegen der verschiedenen Inter­pre­ta­ti­o­ns­mög­lich­keiten sei die Mitteilung jedenfalls nicht grob falsch und daher nicht sittenwidrig.

Mitteilung über Anstreben einer 75 %-Mehrheit war inhaltlich richtig

Bei den Mitteilungen vom 16. September 2008 (Zukauf von VW-Aktien um 4,89 % auf 35,14 %) und 26. Oktober 2008 (laut Presse­mit­teilung vom 26. Oktober 2008 gab die Beklagte schließlich an, die Mehrheit von 75 % anzustreben. Sie wies dabei auf die von ihr gehaltenen VW-Stammaktien und Optionen - insgesamt 74,1 % hin) scheide eine Sitten­wid­rigkeit aus, weil diese Mitteilungen inhaltlich richtig gewesen seien. Das Landgericht sieht auch keine Anhaltspunkte für eine Sitten­wid­rigkeit gemäß § 826 BGB, weil die Mitteilung erst am 26. Oktober 2008 durch die Beklagte erfolgt sei. Schließlich sei ein formeller Vorstands­be­schluss erforderlich gewesen, welcher vor dem 26. Oktober 2008 nicht vorgelegen habe. Im Übrigen bestehe kein Ursachen­zu­sam­menhang zwischen den Mitteilungen und der Entscheidung des Klägers, den Leerverkauf durchzuführen. Aufgrund der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung geht das Gericht davon aus, dass die Inves­ti­ti­o­ns­ent­scheidung eine Reaktion auf den aktuellen Kursverlauf der VW-Aktien gewesen sei. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger einer bestimmten Press­e­in­for­mation, die vor dem 24. Oktober 2008 durch die Beklagte erfolgt sei, vertraut habe.

Prüfung eines Schaden­s­er­satz­an­spruchs wegen Missbrauchs einer markt­be­herr­schenden Stellung möglich

In einem weiteren in diesem Zusammenhang verhandelten Verfahren (Az. 5 O 2433/12) hat das Landgericht die Parteien in einem Hinweis­be­schluss darauf hingewiesen, dass aufgrund des aktuellen Sachvortrags des Klägers zu der Frage des Missbrauchs einer markt­be­herr­schenden Stellung durch die Beklagte eine Zuständigkeit des Landgerichts Hannover als Kartellgericht in Betracht komme. Unter anderem habe der Kläger ausgeführt, die Beklagte habe im Oktober 2008 dem Markt nahezu sämtliche handelbaren Aktien entzogen und den Umfang handelbarer Aktien auf unter 5 % verknappt. Auf diese Weise habe die Beklagte die Kontrolle über Angebot und Nachfrage nach VW-Aktien und so eine markt­be­herr­schende Stellung übernommen. Diese markt­be­herr­schende Stellung habe die Beklagte dadurch missbraucht, dass sie durch die Veröf­fent­lichung der Presse­mit­teilung vom 26. Oktober 2008 gezielt den Aktienkurs der VW-Stammaktie in die Höhe getrieben habe. In Anbetracht dieses Vortrags käme die Prüfung eines möglichen Schaden­s­er­satz­an­spruchs gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB in Betracht. Dabei handele es sich um eine Kartell­recht­strei­tigkeit nach § 87 Satz 1 GWB.

Gericht verweist auf Zuständigkeit des Landgerichts Hannover

Für derartige Streitigkeiten bestehe gemäß § 89 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 Nieder­säch­sische Zustän­dig­keits­ver­ordnung-Justiz eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Hannover.

Quelle: Landgericht Braunschweig/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil18580

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI