18.10.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 12748

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Urteil13.12.2011BundesgerichtshofXI ZR 51/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JZ 2012, 571Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 2012, Seite: 571
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Düsseldorf, Urteil30.09.2009, 1 O 310/08
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil27.01.2010, I-15 U 230/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil13.12.2011

BGH zur Haftung für unterbliebene Ad-hoc-Mitteilungen aus § 37 b WpHGBank kann für unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen haftbar gemacht werden

Der Bundes­ge­richtshof hat ein Grundsatzurteil zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen nach § 37 b WpHG gefällt.

In dem zugrunde liegenden Fall begehrt die Klägerin aus abgetretenem Recht wegen des Erwerbs von Aktien der Beklagten von dieser Schadensersatz. Die Beklagte ist ein Kreditinstitut, das mittel­stän­dische Unternehmen finanziert. Seit dem Jahr 2001 engagierte sie sich unmittelbar und mittelbar über andere Gesellschaften auch auf dem Kapitalmarkt für strukturierte Forde­rungs­port­folien. Dazu gehörten auch solche Finanzprodukte, die sich auf Forderungen aus dem US-Hypothekenmarkt bezogen. Seit Frühjahr 2007 häuften sich auf dem US-Hypothekenmarkt wegen der stark gestiegenen Zinsen, des allgemeinen Preisverfalls von Immobilien und der sehr niedrigen Kredit­ver­ga­be­standards die Ausfälle der in Form von strukturierten Wertpapieren gehandelten Immobi­li­en­kredite. Mitte Juli 2007 stuften Ratingagenturen erstmals so genannte Subprimes (großzügig vergebene Hypothe­ken­kredite minderer Qualität) wegen der erhöhten Ausfallrisiken herab. Zum gleichen Zeitpunkt sanken die Preise für die durch die Beklagte emittierten Anleihen und es gab Gerüchte, die Beklagte treffe mit Blick auf den US-Subprime-Markt ein substantielles Risiko. Da der Markt von einem höheren Ausfallrisiko ausging, weiteten sich die Aufschläge auf die variable Grundverzinsung der Beklagten, die so genannten Bond Spreads. Zugleich stieg der Preis für so genannte Kredi­t­aus­fa­ll­ver­si­che­rungen (CDS = Credit Default Swaps) auf die Beklagte. Parallel zu diesen Vorgängen fiel der Kurs der Aktie der Beklagten.

Herausgegebene Presse­mit­teilung weist auf eine nur geringe Betroffenheit der Bank durch US-Subprimes hin

Um die aufgekommenen Gerüchte auszuräumen und die Marktsituation zu beruhigen, veranlasste der damalige Vorstands­vor­sitzende der Beklagten – in Kenntnis der oben genannten Umstände – am Freitag, dem 20. Juli 2007, die Herausgabe einer Presse­mit­teilung, in der nur eine geringe Betroffenheit der Beklagten durch US-Subprimes behauptet wurde. Im Zusammenhang damit wurde er später wegen vorsätzlicher Markt­ma­ni­pu­lation gemäß § 20 a Abs. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 2 Nr. 11 WpHG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und zu einer Geldstrafe verurteilt (vgl. Bundes­ge­richtshof, Beschluss v. 20.07.2011 - 3 StR 506/10 -).

Aktienkurs bricht nach Ad-hoc-Mitteilung über Rettungsschirm ein

Am 26. Juli 2007 erwarb ein Privatanleger 1.000 Aktien der Beklagten zum Gesamtpreis von 23.916,04 Euro, die er später auf die Klägerin übertrug. Am folgenden Tag, dem 27. Juli 2007, schloss die Deutsche Bank AG gegenüber der Beklagten die Handelslinien im Inter­ban­ken­verkehr; dem schlossen sich andere Kreditinstitute an. Am Wochenende des 28./29. Juli 2007 kam es daraufhin zu einem Krisentreffen unter Beteiligung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als der größten Aktionärin der Beklagten, der Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht (BaFin), der Deutschen Bundesbank und des Bundes­fi­nanz­mi­nis­teriums. Dessen Ergebnis war die Einrichtung eines Rettungs­schirmes zugunsten der Beklagten. Nach einer entsprechenden Ad-hoc-Mitteilung brach der Aktienkurs der Beklagten ein.

Klägerin verlangt Schadensersatz wegen falscher Angaben in Presse­mit­teilung

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Erstattung des Kaufpreises für die Aktien Zug-um-Zug gegen deren Rückübertragung. Sie stützt sich dabei auf einen Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen falscher Angaben in der Presse­mit­teilung der Beklagten vom 20. Juli 2007. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungs­gericht hat insbesondere Schaden­s­er­satz­ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB* i.V.m. § 20 a WpHG** sowie aus § 37 b WpHG*** geprüft und im Ergebnis verneint.

BGH weist Sache zur erneuten Verhandlung zurück an Berufungs­gericht

Der Bundes­ge­richtshof hat das Urteil des Berufungs­ge­richts auf die von ihm zugelassene Revision der Klägerin aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Herausgabe der Presseerklärung zeigt, dass Bank Bedeutung ihres Engagements in US-Subprimes für Wertpapiermarkt erkannt hat

Der Bundes­ge­richtshof hat zwar mit dem Berufungs­gericht eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB* i.V.m. § 20 a WpHG** verneint, weil das in § 20 a WpHG geregelte Verbot der Markt­ma­ni­pu­lation nicht dem Schutz einzelner Anleger, sondern allgemein der Funkti­o­ns­fä­higkeit des Wertpa­pier­marktes dient und diese Vorschrift deswegen kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB** ist. Er hat es jedoch nicht gebilligt, dass das Berufungs­gericht einen Schaden­s­er­satz­an­spruch der Klägerin aus § 37 b WpHG*** wegen unterlassener unverzüglicher Veröf­fent­lichung des Engagements der Beklagten in US-Subprimes verneint hat. Insoweit ist entgegen der Annahme des Berufungs­ge­richts unerheblich, ob die Beklagte die Schließung ihrer Handelslinien im Inter­ban­ken­verkehr am 27. Juli 2007 voraussehen konnte. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte, wie die Herausgabe der Presseerklärung vom 20. Juli 2007 zeigt, die Bedeutung ihres Engagements in US-Subprimes für den Wertpapiermarkt erkannt hat. In diesem Zusammenhang hat der Bundes­ge­richtshof weiter entschieden, dass der Schaden­s­er­satz­an­spruch aus § 37 b WpHG auf Erstattung des Kaufpreises der Aktien Zug um Zug gegen deren Rückgabe gerichtet ist, alternativ aber auch die Erstattung der Differenz zwischen dem Kurs bei Erwerb der Aktien und deren fiktiven Kurs bei Veröf­fent­lichung einer unverzüglichen Ad-hoc-Mitteilung verlangt werden kann.

Die Sache ist an das Berufungs­gericht zurückverwiesen worden, um die bislang offene Frage zu klären, ob der Zedent die Aktien bei Veröf­fent­lichung einer rechtzeitigen Ad-hoc-Mitteilung über das Engagement der Beklagten in US-Subprimes nicht erworben hätte.

* § 823 BGB

Erläuterungen

Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

**§ 20 a WpHG (Auszug)

Verbot der Markt­ma­ni­pu­lation

(1) Es ist verboten,

unrichtige oder irreführende Angaben über Umstände zu machen, die für die Bewertung eines Finan­z­in­struments erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden Rechts­vor­schriften zu verschweigen, wenn die Angaben oder das Verschweigen geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finan­z­in­struments oder auf den Preis eines Finan­z­in­struments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzuwirken,

[…]

***§ 37 b WpHG (Auszug)

Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröf­fent­lichung von Inside­r­in­for­ma­tionen

(1) Unterlässt es der Emittent von Finan­z­in­stru­menten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, unverzüglich eine Inside­r­in­for­mation zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betrifft, ist er einem Dritten zum Ersatz des durch die Unterlassung entstandenen Schadens verpflichtet, wenn der Dritte

1.die Finan­z­in­strumente nach der Unterlassung erwirbt und er bei Bekanntwerden der Inside­r­in­for­mation noch Inhaber der Finan­z­in­strumente ist oder

2.die Finan­z­in­strumente vor dem Entstehen der Inside­r­in­for­mation erwirbt und nach der Unterlassung veräußert.

(2) Nach Absatz 1 kann nicht in Anspruch genommen werden, wer nachweist, dass die Unterlassung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht.

[…]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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