Dokument-Nr. 14208
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Landgericht Braunschweig Urteil19.09.2012
Vorwurf der Marktmanipulation: Schadensersatzklagen gegen Porsche erfolglosLG Braunschweig verneint mögliche Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung
Das Landgericht Braunschweig hat die Schadensersatzklage eines Anlegers in Höhe von 3.108.705 Euro sowie die Klage einer Anlagegesellschaft gegen die Porsche Automobil Holding S.E. auf Zahlung von 1.570.151 Euro abgewiesen.
Hintergrund der Schadensersatzklage des Anlegers (Az.: 5 O 1110/11) waren zwei Pressemitteilungen der Porsche Automobil Holding S.E. aus dem März 2008. Der Kläger führte zur Begründung der Klage aus, dass die Porsche Automobil Holding S.E. in den Pressemitteilungen aus März 2008 über ihre wahren Absichten hinsichtlich der Beteiligung an der Volkswagen AG getäuscht hätte. Entgegen den Verlautbarungen in den Veröffentlichungen vom 3. und 10. März 2008, dass keine Fusion geplant sei, habe die Porsche Automobil Holding S.E. tatsächlich die Übernahme von Volkswagen in Form einer 75-prozentigen Beteiligung an der Volkswagen AG geplant. Durch diese Mitteilungen habe die Porsche Automobil Holding S.E. die Kurse der VW-Stammaktien manipuliert. Die beklagte Bank - verbunden durch Optionsverträge mit der Porsche Automobil Holding S.E. - habe die Übernahmeabsichten gekannt. Sie habe an den Kursmanipulationen der Porsche Automobil Holding S.E. mitgewirkt. Aufgrund der Pressemitteilungen der Porsche-Automobil Holding S.E. sei der Kläger bei Ausrichtung seiner Optionsstrategie davon ausgegangen, dass die Kurse der VW-Stammaktie fallen würden. Bei den Optionsgeschäften habe der Kläger einen finanziellen Verlust in Höhe der Klagforderung erlitten.
Beklagte weist Vorwurf der Marktmanipulation zurück
Von den Beklagten ist die Unrichtigkeit der Pressemitteilungen im Hinblick auf die Beschlusslage im Unternehmen in Abrede gestellt worden und der Vorwurf der Marktmanipulation zurückgewiesen worden. Zudem bestreiten die Beklagten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den März-Pressemitteilungen und den Transaktionen des Klägers.
Verbot der Marktmanipulation stellt kein Schutzgesetz dar
Das Landgericht Braunschweig führt in der Urteilsbegründung aus, dass weder eine deliktsrechtliche Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz noch eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB gegeben sei, selbst wenn die Porsche Automobil Holding S.E. als "Fernziel" eine 75-prozentige Beteiligung längerfristig angestrebt hätte. Das in § 20 a WpHG geregelte Verbot der Marktmanipulation stelle nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar. Eine analoge Anwendung des § 37 c WpHG (Schadensersatz wegen Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen) komme nicht in Betracht, weil diese Vorschrift sich lediglich auf die Veröffentlichungspflicht des Emittenten gemäß § 15 WpHG beziehe, nicht aber auf andere Marktteilnehmer.
Kein Zusammenhang zwischen Schaden des Klägers und eventuell erzielten Gewinnen der Porsche Automobil Holding S.E.
Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gem. § 823 Abs.2 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Betruges komme mangels „Stoffgleichheit" nicht in Betracht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Porsche Automobil Holding S.E. zu der Zeit als der Kläger seine Optionsgeschäfte getätigt habe, ebenfalls Optionsgeschäfte vorgenommen habe und insoweit Vertragspartner des Klägers gewesen sei. Daher bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem angeblichen Schaden des Klägers und eventuell erzielten Gewinnen der Porsche Automobil Holding S.E. bei dem Handel mit Optionen von VW-Stammaktien.
LG verneint vorsätzliche sittenwidrige Schädigung
Die Haftung gemäß § 826 BGB wegen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung verneint die Kammer unter Hinweis auf das Fehlen eines sittenwidrigen Handelns der Beklagten. Die Pressemitteilungen der Porsche Automobil Holding S.E. vom 3. und 10. März 2008 seien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Gesamtwürdigung der zugrunde liegenden Umstände nicht als sittenwidrig anzusehen. Anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen gehe es hier nicht darum, dass ein Anleger gegen einen Emittenten wegen einer falschen Information klage. Denn die Porsche Automobil Holding S.E. sei nicht Emittent der VW-Aktien, sondern - wie der Kläger - Marktteilnehmer.
Pressemittelungen waren inhaltlich nicht grob falsch
Im Übrigen stellt die Kammer darauf ab, dass die Mitteilungen vom 3. März und 10. März 2008 ihrem Inhalt nach nicht grob falsch gewesen seien. Die Mitteilung, „der Aufsichtsrat habe grünes Licht für die Erhöhung der Beteiligung an der Volkswagen AG auf über 50 Prozent gegeben", sei nicht unrichtig gewesen, sondern habe der Beschlusslage der Porsche Automobil Holding S.E. entsprochen. Die weitere Mitteilung, „eine Fusion sei nicht geplant", lasse mehrere Interpretationsmöglichkeiten zu und sei daher nicht grob falsch. Auch die Mitteilung vom 10. März 2008 (Dementi der Absicht, den VW-Anteil auf 75 Prozent aufzustocken) sei bezogen auf den Zeitpunkt der Mitteilung (10.März 2008) nicht falsch oder grob falsch gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe es keinen Beschluss der Porsche Automobil Holding S.E. gegeben, eine Beteiligung von 75 Prozent bei der Volkswagen AG zu erwerben. Außerdem sei nach dem Wortlaut der Pressemitteilung eine entsprechende Strategieplanung (gerichtet auf eine 75-prozentige Beteiligung) nicht kategorisch ausgeschlossen gewesen.
Bank kommt nicht als Mittäter in Betracht
Ferner sieht die Kammer keinen Ursachenzusammenhang zwischen den Pressemitteilungen und der Entscheidung des Klägers, die Optionsgeschäfte zu tätigen. Aufgrund der Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 27.06.2012 und des zeitlichen Ablaufs der Transaktionen (erste Transaktion Mitte April 2008) sei anzunehmen, dass der Kläger seine Optionsstrategie an den Meinungen der Analysten ausgerichtet habe und nicht an den Pressemitteilungen. Vor dem Hintergrund, dass bereits keine Schadensersatzpflicht der Porsche Automobil Holding S.E. bestehe, hafte auch die beklagte Bank nicht im Sinne eines Mittäters.
Mitteilungen führten zu Marktverwerfungen an der Börse
Die Anlagegesellschaft (5 O 2894/11) hatte ihre Klage damit begründet, dass die Pressemitteilungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Frage der eventuellen Übernahme der Volkswagen AG im März 2008 und Oktober 2008 falsch gewesen seien und der Marktmanipulation gedient hätten. Die Pressemitteilung der Beklagten im Oktober 2008 über eine geplante Übernahme der Volkswagen AG sei unrichtig gewesen, da zu diesem Zeitpunkt eine Übernahme nicht mehr beabsichtigt gewesen sei. Die fehlerhafte Pressemitteilung habe zu Marktverwerfungen an der Börse geführt und aufgrund dessen habe die Klägerin bei Aktiengeschäften einen Schaden in Höhe von 1.570.151,00 Euro erlitten. Das beklagte Unternehmen trat dem Vorwurf der inhaltlichen Unrichtigkeit der Pressemitteilungen und der Marktmanipulation entgegen. Im Übrigen bestünde zwischen den zahlreichen Aktientransaktionen der Klägerin am 27.10.2008 und der angeblich falschen Pressemitteilung vom 26.10.2008 kein Ursachenzusammenhang. Ferner stellt die Beklagte in Abrede, dass der Klägerin bei den Aktiengeschäften ein Schaden entstanden sei.
Keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung
In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass weder eine deliktsrechtliche Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz noch eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB gegeben sei. Das in § 20 a WpHG geregelte Verbot der Marktmanipulation stelle nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar. Eine analoge Anwendung des § 37 c WpHG (Schadensersatz wegen Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen) komme nicht in Betracht, weil diese Vorschriften sich lediglich auf die Veröffentlichungspflicht des Emittenten gemäß § 15 WpHG beziehe, nicht aber auf andere Marktteilnehmer.
Überschreitung bestimmter Schwellenwerte löste Kauf- beziehungsweise Verkaufsimpulse aus
Eine Haftung gemäß § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB lehnt die Kammer bereits unter Hinweis darauf ab, dass aufgrund des Marktverhaltens der Klägerin und der Angaben des Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung nicht davon auszugehen sei, dass die Presserklärung vom 26.10.2008 für die Aktiengeschäfte der Klägerin kausal geworden sei. Denn die Klägerin habe am selben Handelstag eine Vielzahl von Kaufentscheidungen (136) als auch Verkaufsentscheidungen (69) getroffen. Das lasse den Schluss zu, dass die Anlagestrategie davon geprägt gewesen sei, die bestehenden Marktverwerfungen auszunutzen. Aufgrund der Überschreitung bestimmter Schwellenwerte seien Kauf- bzw. Verkaufsimpulse ausgelöst worden.
Kauf- und Verkaufsentscheidungen auf Kursverlauf der VW-Stammaktie zurückzuführen
Eine Haftung gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wird verneint, da es der Klägerin nicht gelungen sei, den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich Kausalitätsnachweis zwischen der Presseerklärung und dem Marktverhalten der Klägerin zu erbringen. Die Kauf- und Verkaufsentscheidungen seien auf den Kursverlauf der VW-Stammaktie zurückzuführen gewesen, nicht auf die Presseerklärung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.09.2012
Quelle: Landgericht Braunschweig/ra-online
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