21.11.2024
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Dokument-Nr. 14208

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Landgericht Braunschweig Urteil19.09.2012

Vorwurf der Markt­ma­ni­pu­lation: Schaden­s­er­satz­klagen gegen Porsche erfolglosLG Braunschweig verneint mögliche Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Das Landgericht Braunschweig hat die Schaden­s­er­satzklage eines Anlegers in Höhe von 3.108.705 Euro sowie die Klage einer Anlage­ge­sell­schaft gegen die Porsche Automobil Holding S.E. auf Zahlung von 1.570.151 Euro abgewiesen.

Hintergrund der Schaden­s­er­satzklage des Anlegers (Az.: 5 O 1110/11) waren zwei Presse­mit­tei­lungen der Porsche Automobil Holding S.E. aus dem März 2008. Der Kläger führte zur Begründung der Klage aus, dass die Porsche Automobil Holding S.E. in den Presse­mit­tei­lungen aus März 2008 über ihre wahren Absichten hinsichtlich der Beteiligung an der Volkswagen AG getäuscht hätte. Entgegen den Verlautbarungen in den Veröf­fent­li­chungen vom 3. und 10. März 2008, dass keine Fusion geplant sei, habe die Porsche Automobil Holding S.E. tatsächlich die Übernahme von Volkswagen in Form einer 75-prozentigen Beteiligung an der Volkswagen AG geplant. Durch diese Mitteilungen habe die Porsche Automobil Holding S.E. die Kurse der VW-Stammaktien manipuliert. Die beklagte Bank - verbunden durch Optionsverträge mit der Porsche Automobil Holding S.E. - habe die Übernah­me­a­b­sichten gekannt. Sie habe an den Kursma­ni­pu­la­tionen der Porsche Automobil Holding S.E. mitgewirkt. Aufgrund der Presse­mit­tei­lungen der Porsche-Automobil Holding S.E. sei der Kläger bei Ausrichtung seiner Optio­nss­trategie davon ausgegangen, dass die Kurse der VW-Stammaktie fallen würden. Bei den Optio­ns­ge­schäften habe der Kläger einen finanziellen Verlust in Höhe der Klagforderung erlitten.

Beklagte weist Vorwurf der Markt­ma­ni­pu­lation zurück

Von den Beklagten ist die Unrichtigkeit der Presse­mit­tei­lungen im Hinblick auf die Beschlusslage im Unternehmen in Abrede gestellt worden und der Vorwurf der Markt­ma­ni­pu­lation zurückgewiesen worden. Zudem bestreiten die Beklagten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den März-Presse­mit­tei­lungen und den Transaktionen des Klägers.

Verbot der Markt­ma­ni­pu­lation stellt kein Schutzgesetz dar

Das Landgericht Braunschweig führt in der Urteils­be­gründung aus, dass weder eine delikts­rechtliche Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz noch eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB gegeben sei, selbst wenn die Porsche Automobil Holding S.E. als "Fernziel" eine 75-prozentige Beteiligung längerfristig angestrebt hätte. Das in § 20 a WpHG geregelte Verbot der Markt­ma­ni­pu­lation stelle nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar. Eine analoge Anwendung des § 37 c WpHG (Schadensersatz wegen Veröf­fent­lichung unwahrer Inside­r­in­for­ma­tionen) komme nicht in Betracht, weil diese Vorschrift sich lediglich auf die Veröf­fent­li­chungs­pflicht des Emittenten gemäß § 15 WpHG beziehe, nicht aber auf andere Marktteilnehmer.

Kein Zusammenhang zwischen Schaden des Klägers und eventuell erzielten Gewinnen der Porsche Automobil Holding S.E.

Eine Schaden­s­er­satz­pflicht der Beklagten gem. § 823 Abs.2 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Betruges komme mangels „Stoffgleichheit" nicht in Betracht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Porsche Automobil Holding S.E. zu der Zeit als der Kläger seine Optio­ns­ge­schäfte getätigt habe, ebenfalls Optio­ns­ge­schäfte vorgenommen habe und insoweit Vertragspartner des Klägers gewesen sei. Daher bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem angeblichen Schaden des Klägers und eventuell erzielten Gewinnen der Porsche Automobil Holding S.E. bei dem Handel mit Optionen von VW-Stammaktien.

LG verneint vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

Die Haftung gemäß § 826 BGB wegen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung verneint die Kammer unter Hinweis auf das Fehlen eines sittenwidrigen Handelns der Beklagten. Die Presse­mit­tei­lungen der Porsche Automobil Holding S.E. vom 3. und 10. März 2008 seien unter Berück­sich­tigung der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs und der Gesamtwürdigung der zugrunde liegenden Umstände nicht als sittenwidrig anzusehen. Anders als in den vom Bundes­ge­richtshof entschiedenen Fällen gehe es hier nicht darum, dass ein Anleger gegen einen Emittenten wegen einer falschen Information klage. Denn die Porsche Automobil Holding S.E. sei nicht Emittent der VW-Aktien, sondern - wie der Kläger - Marktteilnehmer.

Presse­mit­te­lungen waren inhaltlich nicht grob falsch

Im Übrigen stellt die Kammer darauf ab, dass die Mitteilungen vom 3. März und 10. März 2008 ihrem Inhalt nach nicht grob falsch gewesen seien. Die Mitteilung, „der Aufsichtsrat habe grünes Licht für die Erhöhung der Beteiligung an der Volkswagen AG auf über 50 Prozent gegeben", sei nicht unrichtig gewesen, sondern habe der Beschlusslage der Porsche Automobil Holding S.E. entsprochen. Die weitere Mitteilung, „eine Fusion sei nicht geplant", lasse mehrere Inter­pre­ta­ti­o­ns­mög­lich­keiten zu und sei daher nicht grob falsch. Auch die Mitteilung vom 10. März 2008 (Dementi der Absicht, den VW-Anteil auf 75 Prozent aufzustocken) sei bezogen auf den Zeitpunkt der Mitteilung (10.März 2008) nicht falsch oder grob falsch gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe es keinen Beschluss der Porsche Automobil Holding S.E. gegeben, eine Beteiligung von 75 Prozent bei der Volkswagen AG zu erwerben. Außerdem sei nach dem Wortlaut der Presse­mit­teilung eine entsprechende Strate­gie­planung (gerichtet auf eine 75-prozentige Beteiligung) nicht kategorisch ausgeschlossen gewesen.

Bank kommt nicht als Mittäter in Betracht

Ferner sieht die Kammer keinen Ursachen­zu­sam­menhang zwischen den Presse­mit­tei­lungen und der Entscheidung des Klägers, die Optio­ns­ge­schäfte zu tätigen. Aufgrund der Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 27.06.2012 und des zeitlichen Ablaufs der Transaktionen (erste Transaktion Mitte April 2008) sei anzunehmen, dass der Kläger seine Optio­nss­trategie an den Meinungen der Analysten ausgerichtet habe und nicht an den Presse­mit­tei­lungen. Vor dem Hintergrund, dass bereits keine Schaden­s­er­satz­pflicht der Porsche Automobil Holding S.E. bestehe, hafte auch die beklagte Bank nicht im Sinne eines Mittäters.

Mitteilungen führten zu Markt­ver­wer­fungen an der Börse

Die Anlagegesellschaft (5 O 2894/11) hatte ihre Klage damit begründet, dass die Presse­mit­tei­lungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Frage der eventuellen Übernahme der Volkswagen AG im März 2008 und Oktober 2008 falsch gewesen seien und der Markt­ma­ni­pu­lation gedient hätten. Die Presse­mit­teilung der Beklagten im Oktober 2008 über eine geplante Übernahme der Volkswagen AG sei unrichtig gewesen, da zu diesem Zeitpunkt eine Übernahme nicht mehr beabsichtigt gewesen sei. Die fehlerhafte Presse­mit­teilung habe zu Markt­ver­wer­fungen an der Börse geführt und aufgrund dessen habe die Klägerin bei Aktien­ge­schäften einen Schaden in Höhe von 1.570.151,00 Euro erlitten. Das beklagte Unternehmen trat dem Vorwurf der inhaltlichen Unrichtigkeit der Presse­mit­tei­lungen und der Markt­ma­ni­pu­lation entgegen. Im Übrigen bestünde zwischen den zahlreichen Aktien­trans­ak­tionen der Klägerin am 27.10.2008 und der angeblich falschen Presse­mit­teilung vom 26.10.2008 kein Ursachen­zu­sam­menhang. Ferner stellt die Beklagte in Abrede, dass der Klägerin bei den Aktien­ge­schäften ein Schaden entstanden sei.

Keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

In der Urteils­be­gründung wird ausgeführt, dass weder eine delikts­rechtliche Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz noch eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB gegeben sei. Das in § 20 a WpHG geregelte Verbot der Markt­ma­ni­pu­lation stelle nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar. Eine analoge Anwendung des § 37 c WpHG (Schadensersatz wegen Veröf­fent­lichung unwahrer Inside­r­in­for­ma­tionen) komme nicht in Betracht, weil diese Vorschriften sich lediglich auf die Veröf­fent­li­chungs­pflicht des Emittenten gemäß § 15 WpHG beziehe, nicht aber auf andere Marktteilnehmer.

Überschreitung bestimmter Schwellenwerte löste Kauf- beziehungsweise Verkaufsimpulse aus

Eine Haftung gemäß § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB lehnt die Kammer bereits unter Hinweis darauf ab, dass aufgrund des Marktverhaltens der Klägerin und der Angaben des Geschäfts­führers in der mündlichen Verhandlung nicht davon auszugehen sei, dass die Presserklärung vom 26.10.2008 für die Aktiengeschäfte der Klägerin kausal geworden sei. Denn die Klägerin habe am selben Handelstag eine Vielzahl von Kaufent­schei­dungen (136) als auch Verkauf­s­ent­schei­dungen (69) getroffen. Das lasse den Schluss zu, dass die Anlagestrategie davon geprägt gewesen sei, die bestehenden Markt­ver­wer­fungen auszunutzen. Aufgrund der Überschreitung bestimmter Schwellenwerte seien Kauf- bzw. Verkaufsimpulse ausgelöst worden.

Kauf- und Verkauf­s­ent­schei­dungen auf Kursverlauf der VW-Stammaktie zurückzuführen

Eine Haftung gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wird verneint, da es der Klägerin nicht gelungen sei, den nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs erforderlich Kausa­li­täts­nachweis zwischen der Presseerklärung und dem Marktverhalten der Klägerin zu erbringen. Die Kauf- und Verkauf­s­ent­schei­dungen seien auf den Kursverlauf der VW-Stammaktie zurückzuführen gewesen, nicht auf die Presseerklärung.

Quelle: Landgericht Braunschweig/ra-online

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