18.10.2024
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Landgericht Berlin Urteil17.12.2015

Landgericht Berlin: Eltern einer minderjährig Verstorbenen erben Facebook-Account ihrer TochterFacebook muss Erben Zugangsdaten zum Konto mitteilen

Die Eltern einer minderjährig Verstorbenen können als deren Erben von Facebook die Zugangsdaten zu dem Benutzerkonto ihrer Tochter herausverlangen. Dies hat das Landgericht Berlin entschieden.

Die Tochter der Klägerin war mit 15 Jahren unter ungeklärten Umständen durch eine in einen Bahnhof einlaufende U-Bahn tödlich verletzt worden. Die Klägerin erhoffte, über den Facebook-Account ihrer Tochter und die dort ausgetauschten Nachrichten und Posts mehr über den Tod ihrer Tochter zu erfahren und zu klären, ob es sich um einen Selbstmord gehandelt haben könnte. Dies war auch deshalb von Bedeutung, als der Fahrer der U-Bahn, die die Verstorbene erfasst hatte, gegen die Erben ein Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verdien­st­ausfalls geltend machte. Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) verweigerte der Klägerin die Zugangsdaten zu dem in einen Gedenkzustand versetzten Account, so dass diese Klage erhob.

Landgericht: Facebook muss den Eltern Zugang zu dem Benutzerkonto ihrer Tochter verschaffen

Das Landgericht gab der Klage statt und verpflichtete Facebook, den Eltern der Verstorbenen als deren Erben Zugang zu dem Benutzerkonto und dessen Kommu­ni­ka­ti­o­ns­in­halten zu gewähren. Der Vertrag zur Nutzung der Facebook-Dienste, den die Tochter abgeschlossen hatte, sei wie jeder andere schuld­rechtliche Vertrag auf die Erben übergegangen. Eine unter­schiedliche Behandlung des digitalen und des „analogen“ Vermögens des Erblassers sei nicht gerechtfertigt. Denn eine Ungleich­be­handlung würde dazu führen, dass persönliche Briefe und Tagebücher unabhängig von ihrem Inhalt vererblich wären, E-Mails oder private Facebook-Nachrichten hingegen nicht.

Gericht: Keine schutzwürdigen Interessen von Facebook berührt

Schutzwürdige Interessen von Facebook seien nicht gegeben. Der Nutzungsvertrag werde regelmäßig ohne nähere Prüfung des Nutzers abgeschlossen werde und dessen Identität kontrolliere Facebook nur in Ausnahmefällen. Ebenso stehe das postmortale Persön­lich­keitsrecht der Verstorbenen einer Zugangs­ge­währung nicht entgegen. Denn die Erzie­hungs­be­rech­tigten seien für den Schutz des Persön­lich­keits­rechtes ihrer minderjährigen Kinder zuständig. Dies gelte nicht nur zu deren Lebzeiten. Jedenfalls dann, wenn besondere Umstände wie hier die ungeklärte Todesursache der Tochter vorlägen, seien die Eltern als Erben berechtigt, sich Kenntnis darüber zu verschaffen, was ihre Tochter im Internet geäußert habe.

Gedenkzustands-Richtlinie unwirksam

Die Gedenkzustands-Richtlinie, wie sie Facebook vor 2014 verwandt habe, sei unwirksam. Es stelle eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer bzw. deren Erben dar, wenn eine beliebige Person der Facebook-Freundesliste veranlassen könnte, dass das Profil des Nutzers in den Gedenkzustand versetzt werde, und wenn dies auch von den Erben nicht rückgängig gemacht werden könne.

Daten­schutzrecht ist nicht betroffen

Auch das Daten­schutzrecht stehe dem Anspruch auf Zugangs­ge­währung nicht entgegen. Vertrauliche Briefe, die ein Dritter verschickt habe, würden nach dem Tod des Empfängers von den Erben gelesen werden können, ohne dass ein Eingriff in die Rechte dieser Dritten vorliege. Nichts Anderes gelte für digitale Daten.

Quelle: ra-online, Landgericht Berlin (pm/pt)

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