21.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 16336

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Landesarbeitsgericht Köln Urteil18.07.2012

Private E-Mail-Nutzung am Arbeitsplatz: Kündigung des Arbeits­verhältnisses wegen langer beanstan­dungs­freier Betriebs­zugehörigkeit und fehlender Beein­träch­tigung der Arbeitsleistung unzulässigE-Mail-Verkehr mit sexuellem Inhalt stellt jedoch schwerwiegenden Verstoß gegen arbeits­ver­tragliche Pflichten dar

Nutzt ein Arbeitnehmer den Dienst-PC zum privaten E-Mail-Verkehr, der dazu noch sexuellen Inhalt hat, verstößt er schwerwiegend gegen seine arbeits­vertraglichen Pflichten. Dies rechtfertigt jedoch nicht gleich die Kündigung des Arbeits­verhältnisses. Hat der Arbeitnehmer seit mehr als 30 Jahren beanstan­dungsfrei gearbeitet und ist seine Arbeitsleistung durch den privaten E-Mail-Verkehr nicht beeinträchtigt, ist als milderes Mittel eine Abmahnung zu wählen. Dies hat das Landesarbeits­gericht Köln entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall kam es im Rahmen einer staats­an­walt­schaft­lichen Ermittlung wegen des Verdachts der Bestechung im Dezember 2010 zu Beschlag­nah­mungen von Computern bei einem Unternehmen. Bei der Auswertung der Festplatten fand sich auf dem PC eines Mitarbeiters eine große Anzahl pornografischer Bilder. Diese wurden dem Mitarbeiter von einem Kollegen im November 2004 zugesandt. Daraufhin wurde der PC des Kollegen ausgewertet. Es fanden sich dabei neben E-Mails über den Kauf verschiedener Gegenstände auch ein 3-stündiger sowie 2-stündiger E-Mail-Verkehr aus dem Jahr 2009 mit zwei Frauen mit eindeutig sexuellem Inhalt. Zudem befanden sich auf dem Computer weitere E-Mails mit sonstigem privaten Inhalt. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin im Februar 2011 den Kollegen wegen der exzessiven privaten Nutzung des firmeneigenen PC. Denn eine Betrie­bs­ver­ein­barung aus dem Jahr 2005 habe eine solche E-Mail-Nutzung untersagt. Außerdem sei der Ruf des Unternehmens gefährdet worden. Der gekündigte Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündi­gungs­schutzklage.

Arbeitsgericht Köln gab Klage statt

Das Arbeitsgericht Köln gab der Klage statt. Die Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses sei aus Sicht des Gerichts unwirksam gewesen. Zwar habe die Zusendung pornografischer Bilder und der sexuelle E-Mail-Verkehr einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung (§ 626 BGB) und einen Grund für eine verhal­tens­be­dingte ordentliche Kündigung (§ 1 KSchG) dargestellt. Die vorzunehmende Inter­es­sen­s­ab­wägung habe jedoch zur Unwirksamkeit der Kündigung geführt. Zwar habe eine schwerwiegende Pflicht­ver­letzung mit einer Rufgefährdung vorgelegen. Außerdem habe der Arbeitnehmer gegen die Betrie­bs­ver­ein­barung verstoßen. Dennoch sei das Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen den Parteien nicht zerstört gewesen.

Gesamtumstände waren zu würdigen

Das Arbeitsgericht führte weiter aus, dass folgende Umstände zu berücksichtigen waren: Die Vorfälle haben lange Zeit zurückgelegen (1 ½ bis 6 Jahre). Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers habe nicht gelitten. Darüber hinaus sei kein Schaden bei dem Unternehmen entstanden. Schließlich sei die lange Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit (über 30 Jahre) und das Lebensalter des Arbeitnehmers (47 Jahre) zu berücksichtigen gewesen. Der Arbeitgeber legte gegen das Urteil Berufung ein.

Kündigung war unwirksam

Das Landes­a­r­beits­gericht Köln bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts und wies die Berufung zurück. Die Kündigung sei auch aus Sicht des Landes­a­r­beits­ge­richts unwirksam gewesen. Zwar könne die private Nutzung des Dienst-PC ein kündi­gungs­re­le­vanter Umstand sein (vgl. BAG, Urt. v. 31.05.2007 - 2 AZR 200/06). Vor allem sei in der hier vorliegenden Nutzung ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeits­ver­trag­lichen Pflichten zu sehen gewesen. Dem Arbeitgeber sei jedoch eine Weiter­be­schäf­tigung zumutbar, wenn in Rahmen einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses geringer wiegt, als das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand. Dabei sei insbesondere der Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz zu beachten.

Abmahnung war milderes Mittel

Unter Zugrundelegung des Verhältnis­mäßig­keits­grund­satzes sei hier nach Auffassung des Landes­a­r­beits­ge­richts eine Abmahnung als milderes Mittel zur Beseitigung einer künftigen Vertragsstörung zu wählen gewesen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es sich hier um Einzelverstöße handelte, die teilweise bis zu sechs Jahre zurücklagen. Zudem sei es weder zu einem finanziellen Schaden noch zu einer Beein­träch­tigung des IT-Systems und einer Rufschädigung gekommen. Nicht außer Betracht blieb weiterhin, dass die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nie beanstandet wurde und er in der jährlichen Mitar­bei­ter­wertung immer die Höchstzahl erreichte.

Quelle: Landesarbeitsgericht Köln, ra-online (vt/rb)

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