21.11.2024
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Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil12.09.2018

Kündigung nach Trennung und neuer Partnerschaft: Klage eines katholischen Kirchenmusikers auf Schadensersatz wegen entgangener Vergütung erfolglosNachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht erbracht

Das Landes­arbeits­gericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein ehemaliger Chorleiter und Organist einer katholischen Kirchengemeinde keinen Anspruch auf Schadensersatz für entgangene Vergütung hatte, nachdem ihm sein Arbeitgeber wegen Trennung von seiner Frau und Eingehung einer neuen Partnerschaft gekündigt hatte. Das Gericht verwies darauf, dass die dauerhafte außereheliche Beziehung des Musikers nach kirchen­recht­lichem Verständnis an sich als Kündigungsgrund geeignet war. Den Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) durch den Arbeitgeber, die diese Entscheidungen durchbrechen könnte, hat der Musiker nicht geführt.

Der ehemalige Chorleiter und Organist einer katholischen Kirchengemeinde verlangte im zugrunde liegenden Fall Schadensersatz für entgangene Vergütung für die Vergangenheit von 275.067 Euro sowie für die Zeit ab Januar 2017 von monatlich 1.449 Euro.

Arbeits­ver­hältnis wurde rechtskräftig beendet

Die Klage gegen die Kirchengemeinde und gegen das Bistum Essen war erfolglos, weil rechtskräftig feststehe, dass das Arbeits­ver­hältnis des Klägers mit der Kirchengemeinde durch die Kündigung am 15. Juli 1997 zum 31. März 1998 aufgrund der Eingehung einer neuen Partnerschaft nach Trennung von seiner Ehefrau sein Ende gefunden hat. Dies haben die deutschen Gerichte in vorangegangenen Verfahren abschließend entschieden. Den Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) durch die Beklagten, die diese Entscheidungen durchbrechen könnte, habe der Kläger nicht geführt.

Dauerhafte außereheliche Beziehung nach kirchen­recht­lichem Verständnis als Kündigungsgrund geeignet

Die Kirche habe sich - entgegen dem Vorwurf des Klägers - nicht in vorsätzlicher Weise die rechtskräftigen Urteile erschlichen, indem sie den staatlichen Gerichten in den Jahren 1997 bis 2000 in Wahrheit nicht existierende kirchen­rechtliche Kündi­gungs­gründe vorgetragen habe. Die dauerhafte außereheliche Beziehung des Klägers sei nach kirchen­recht­lichem Verständnis an sich als Kündigungsgrund geeignet. Zwar werde als Regelbeispiel in Art. 5 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeits­ver­hältnisse vom 22. September 1993 (GrO) nur der Abschluss einer nach dem Glaubens­ver­ständnis ungültigen Ehe genannt. Der Kläger habe nicht erneut geheiratet. Die Regelbeispiele seien aber weder nach dem Wortlaut noch nach der Begründung der GrO abschließend. Auch das Unterhalten einer dauerhaften außerehelichen Beziehung stelle einen Verstoß gegen den katholischen Grundsatz der ausschließ­lichen und lebenslangen Natur der Ehe dar. Dieser sei zwar nicht Regelbeispiel, könne aber im Einzelfall als sonstige schwerwiegende Verfehlung im Sinne von Art. 5 GrO angesehen werden. Dies habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nicht beanstandet, sondern so wörtlich ausgeführt, dass dies "an sich kein Problem darstellt".

Kläger hatte als Kirchenmusiker Nähe zum Verkün­di­gungs­auftrag

Die Kirche habe im damaligen Kündi­gungs­schutz­ver­fahren nicht bewusst falsch oder unvertretbar vorgetragen, dass der Kläger als Kirchenmusiker eine Nähe zum Verkün­di­gungs­auftrag gehabt habe. Insoweit hat der EGMR beanstandet, dass die deutschen Gerichte dies nicht ausreichend geprüft hätten. Die katholische Kirche habe sich in zumindest vertretbarer Weise auf den Standpunkt gestellt, dass für den Kläger als Kirchenmusiker und somit Mitarbeiter im liturgischen Dienst gesteigerte Loyali­täts­an­for­de­rungen zu stellen seien. So gehe bereits das Zweite katikanische Konzil davon aus, dass die Kirchenmusik einen notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie ausmache.

Keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

Im sogenannten Chefarzturteil vom 11. September 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ausgeführt, dass sich eine berechtigte berufliche Anforderung einer Kirche aus der Tätigkeit ergeben könne, z.B. wenn sie mit der Mitwirkung an der Bestimmung des Ethos der betreffenden Kirche oder einem Beitrag zu deren Verkün­di­gungs­auftrag verbunden sei. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, die zur Durchbrechung der Rechtskraft der ergangenen Urteile führe, sei nicht gegeben, zumal die Kontroverse um die Frage, ob die Kirchenmusiker als Mitarbeiter des liturgischen Dienstes am Verkün­di­gungs­auftrag teilnehmen, bereits Gegenstand des ersten Kündi­gungs­schutz­ver­fahrens gewesen sei.

Vornahme einer vollständigen neuen inhaltlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung nicht erforderlich

Da die Entscheidung des EGMR für den Kläger kein Grund zur Wiederaufnahme des ursprünglichen Kündi­gungs­schutz­ver­fahrens sei, habe die erkennende Kammer keine vollständige neue inhaltliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung vornehmen müssen. Eine Durchbrechung der Rechtskraft der bisherigen Entscheidungen auf der Grundlage eines Schaden­s­er­satz­an­spruchs komme nicht in Betracht, weil die dafür gegebenen strengen Voraussetzungen auch unter Berück­sich­tigung der Entscheidung des EGMR nicht gegeben seien.

Weiterführende Informationen

I. Verfahrensgang der Vorverfahren

Der Kläger war seit 1983 bei einer katholischen Kirchengemeinde als Chorleiter und Organist in Vollzeit beschäftigt. Die Gemeinde kündigte das Arbeits­ver­hältnis am 15. Juli 1997 zum 31. März 1998. Hintergrund war die Trennung des Klägers von seiner Ehefrau im Jahr 1995 und die Eingehung einer neuen Partnerschaft, aus der ein Kind hervorging. Nachdem das Arbeitsgericht Essen und das Landes­a­r­beits­gericht Düsseldorf der hiergegen vom Kläger erhobenen Kündi­gungs­schutzklage stattgegeben hatten, hob das Bundes­a­r­beits­gericht das Urteil des Landes­a­r­beits­ge­richts Düsseldorf auf. Nach erneuter Verhandlung und durchgeführter Beweisaufnahme wies das Landes­a­r­beits­gericht die Klage ab. Die Aufnahme einer neuen Beziehung sei eine persönliche sittliche Verfehlung im Sinne der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeits­ver­hältnisse vom 22. September 1993 (GrO). Als Organist und Chorleiter habe er eine große Nähe zum Verkün­di­gungs­auftrag der katholischen Kirche gehabt. Das Verfahren gemäß Art. 5 Abs. 1 GrO sei eingehalten worden. Es sei ein klärendes Gespräch geführt worden und dem Kläger sei vor Augen geführt worden, dass eine Kündigung nur durch den Abbruch der neuen Beziehung habe verhindert werden können. Die hiergegen erhobene Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde des Klägers wurde vom Bundes­a­r­beits­gericht als unzulässig verworfen. Die Verfas­sungs­be­schwerde des Klägers nahm das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht zur Entscheidung an.

Mit Urteil vom 23. September 2010 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Verstoß gegen Art. 8 der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention (EMRK), der das Privat- und Familienleben schützt, fest. Es sei zwar, so der EGMR, an sich kein Problem, dass die deutschen Arbeitsgerichte den Standpunkt des kirchlichen Arbeitgebers für maßgeblich erachtet hätten und von einer schwerwiegenden Pflicht­ver­letzung i.S.v. Art. 5 GrO ausgegangen seien. Die Nähe des Klägers zum Verkün­di­gungs­auftrag sei aber nicht ausreichend geprüft und die konkurrierenden Rechte und Interessen seien nicht ausreichend abgewogen worden. Vor dem EGMR hat der Kläger sodann Ersatz für einen materiellen Schaden von 323.741,45 Euro sowie für einen immateriellen Schaden von 30.000 Euro begehrt. Wegen der unzureichenden Inter­es­se­n­ab­wägung, des Verlusts an Chancen und des immateriellen Schadens hat der EGMR dem Kläger mit Urteil vom 28. Juni 2012 eine von der Bundesrepublik Deutschland zu zahlende Entschädigung von 40.000 Euro zugesprochen.

Die vom Kläger erhobene Resti­tu­ti­o­nsklage nachnationalem Recht wurde vom Landes­a­r­beits­gericht Düsseldorf und vom Bundes­a­r­beits­gericht als unzulässig verworfen. Der in das deutsche Recht eingeführte Wieder­auf­nah­megrund der vom EGMR festgestellten Konven­ti­o­ns­ver­letzung war auf das Verfahren des Klägers zeitlich noch nicht anwendbar. Die hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde des Klägers blieb erfolglos. Mit dem von ihm geltend gemachten Wieder­ein­stel­lungs­an­spruch scheiterte er vor dem Landes­a­r­beits­gericht Düsseldorf und vor dem Bundes­a­r­beits­gericht.

II. Auszug aus der Grundordnung deskirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeits­ver­hältnisse vom 22.09.1993 (GrO)

Artikel 3 Begründung des Arbeits­ver­hält­nisses

(1) Der kirchliche Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejahen. Er muss auch prüfen, ob die Bewerberin und der Bewerber geeignet und befähigt sind, die vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass sie der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht werden.

(2) Der kirchliche Dienstgeber kann pastorale, katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört.

(3) Der kirchliche Dienstgeber muss bei allen Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeitern durch Festlegung der entsprechenden Anforderungen sicherstellen, dass sie ihren besonderen Auftrag glaubwürdig erfüllen können. Dazu gehören fachliche Tüchtigkeit, gewissenhafte Erfüllung der übertragenen Aufgaben und eine Zustimmung zu den Zielen der Einrichtung.

[...]

Artikel 4 Loyali­täts­ob­lie­gen­heiten

(1) Von den katholischen Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeiter.

[...]

Artikel 5 Verstöße gegen Loyali­täts­ob­lie­gen­heiten

(1) Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäf­ti­gungs­an­for­de­rungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber durch Beratung versuchen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme z. B. Versetzung, Änderungs­kün­digung) geeignet sind, dem Oblie­gen­heits­verstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht.

(2) Für eine Kündigung aus kirchen­spe­zi­fischen Gründen sieht die Kirche insbesondere folgende Loyali­täts­verstöße als schwerwiegend an:

- Verletzungen der gemäß Art. 3 und 4 von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu erfüllenden Obliegenheiten, insbesondere Kirchenaustritt, öffentliches Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z.B. hinsichtlich der Abtreibung) und schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen,

- Abschluss einer nach dem Glaubens­ver­ständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe

- Handlungen, die kirchen­rechtlich als eindeutige Distanzierung von der katholischen Kirche anzusehen sind, vor allem Abfall vom Glauben (Apostasie oder Häresie gemäß c. 1364 § 1 i. V. mit c. 751 CIC), Verunehrung der heiligen Eucharistie (c. 1367 CIC), öffentliche Gotteslästerung und Hervorrufen von Hass und Verachtung gegen Religion und Kirche (c. 1369 CIC), Straftaten gegen die kirchlichen Autoritäten und die Freiheit der Kirche (insbesondere gemäß den cc. 1373, 1374 CIC).

(3) Ein nach Abs. 2 generell als Kündigungsgrund in Betracht kommendes Verhalten schließt die Möglichkeit einer Weiter­be­schäf­tigung aus, wenn es begangen wird von pastoral, katechetisch oder leitend tätigen Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeitern oder Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind. Von einer Kündigung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen.

(4) Wird eine Weiter­be­schäf­tigung nicht bereits nach Abs. 3 ausgeschlossen, so hängt im übrigen die Möglichkeit einer Weiter­be­schäf­tigung von den Einzel­fa­l­lum­ständen ab, insbesondere vom Ausmaß einer Gefährdung der Glaubwürdigkeit von Kirche und kirchlicher Einrichtung, von der Belastung der kirchlichen Dienst­ge­mein­schaft, der Art der Einrichtung, dem Charakter der übertragenen Aufgabe, deren Nähe zum kirchlichen Verkün­di­gungs­auftrag, von der Stellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters in der Einrichtung sowie von der Art und dem Gewicht der Oblie­gen­heits­ver­letzung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob eine Mitarbeiterin der ein Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpft oder sie anerkennt, aber im konkreten Fall versagt.

(5) Mitar­bei­te­rinnen oder Mitarbeiter, die aus der katholischen Kirche austreten, können nicht weiter­be­schäftigt werden. Im Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubens­ver­ständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe scheidet eine Weiter­be­schäf­tigung jedenfalls dann aus, wenn sie unter öffentliches Ärgernis erregenden oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beein­träch­ti­genden Umständen geschlossen wird (z. B. nach böswilligem Verlassen von Ehepartner und Kindern).

Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf/ra-online

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