21.11.2024
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Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil09.09.2012

Rückfall eines alkoholkranken Mitarbeiters rechtfertigt nicht ohne weiteres die KündigungArbeitgeber darf aus einmaliger Entgleisung während einer Therapie nicht zukünftige Rückfäl­lig­keiten des Mitarbeiters schlussfolgern

Wird ein Arbeitnehmer während einer ambulanten Entziehungskur rückfällig, darf der Arbeitgeber den Alkoholkranken nicht gleich kündigen. Das geht aus einer Entscheidung des Landes­arbeits­gerichts Brandenburg hervor. Die Richter verneinten schlicht die negative Prognose. Aus der einmaligen Entgleisung während einer Therapie dürfe nicht geschluss­folgert werden, dass der Mitarbeiter auch in der Zukunft wieder rückfällig werde.

Der zugrunde liegende Fall betraf einen Betrie­b­s­elek­triker, der nach einer ambulanten Therapie einen Rückfall erlitten hatte und dem der Arbeitgeber daraufhin kündigte. Der Arbeitsgeber begründete seine Entscheidung damit, dass der Mitarbeiter wiederholt gezeigt habe, dass er vom Alkohol nicht loskomme. Außerdem sprächen betriebliche Belange gegen eine Weiter­be­schäf­tigung. Der alkoholkranke Mitarbeiter arbeite u.a. an 220-Volt-Anlagen. Selbst bei einer einmaligen Verfehlung könne es zu erheblichen Verletzungen des Mitarbeiters und anderer Beschäftigter kommen. Außerdem arbeite der alkoho­l­ab­hängige Mitarbeiter meistens allein, so dass eine Kontrolle kaum möglich sei.

Prüfung der Rechtmäßigkeit einer alkohol­be­dingten Kündigung erfolgt in drei Stufen

Das Landes­a­r­beits­gericht Berlin-Brandenburg überzeugte diese Argumentation jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts erfolge die Prüfung, ob die alkoholbedingte Kündigung rechtmäßig ist, in drei Stufen - und zwar entsprechend den Grundsätzen einer krank­heits­be­dingten Kündigung. Erstens müsse eine negative Prognose hinsichtlich des voraus­sicht­lichen Gesund­heits­zu­standes bestehen. Zweitens müsse der Arbeitgeber erhebliche Beein­träch­ti­gungen der betrieblichen Interessen nachweisen und drittens müsse auch bei Abwägung der beiderseitigen Interessen die Kündigung gerechtfertigt sein, erklärten die Richter.

Rückfall nach erfolgreicher Entwöhnungskur und längerer Abstinenz muss nicht Fehlschlag jeglicher Alkoholtherapie bedeuten

Vorliegend hatten die Richter schon auf der ersten Stufe Bedenken, ob ein einziger erneuter Alkoholkonsum während einer ambulanten Therapie bei einem an Alkoholsucht leidenden Arbeitnehmer eine negative Prognose rechtfertigen kann. So betonen die Arbeitsgerichte immer wieder, dass es keinen Erfahrungssatz gebe, wonach ein Rückfall nach einer zunächst erfolgreichen Entwöhnungskur und längerer Abstinenz ein endgültiger Fehlschlag jeglicher Alkoholtherapie für die Zukunft bedeute.

Erhebliche Beein­träch­ti­gungen betrieblicher Interessen durch Rückfall des Mitarbeiters nicht ersichtlich

Das Gericht ließ die Frage aber letztlich ebenso offen wie diejenige, ob ein Arbeitgeber nach erfolgter ambulanter Therapie und einem Rückfall verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer die Chance einer stationären Entziehungskur einzuräumen, statt ihm zu kündigen. Denn das LAG Berlin-Brandenburg konnte auf der zweiten Prüfstufe nicht feststellen, dass der Rückfall des Mitarbeiters betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt habe. So hatte der Arbeitgeber noch nicht einmal vorgetragen, dass ihm erhebliche Lohnfort­zah­lungs­kosten aufgrund der Alkoho­le­r­krankung des Mitarbeiters entstanden waren.

Alkohol­be­dingter Rückfall muss nicht zwangsläufig Auswirkungen auf betriebliche Tätigkeit haben

Auch unter dem Gesichtspunkt der Eigen- und Fremdgefährdung war die Kündigung nach Ansicht des Gerichts ungerecht­fertigt. Denn der Mitarbeiter hatte am Arbeitsplatz keine alkohol­be­dingten Ausfa­l­l­er­schei­nungen gezeigt. Ein alkohol­be­dingter erneuter Rückfall müsse nicht zwangsläufig zu Auswirkungen in der betrieblichen Tätigkeit selbst führen. Dies hinge vielmehr von der Intensität des Alkoholkonsums, dessen Dauer und ggf. auch einer erneuten Thera­pie­be­reit­schaft des Arbeitnehmers ab, betonte das LAG Berlin-Brandenburg. Gerade eine schnelle Thera­pie­be­reit­schaft könne dazu führen, dass es nicht oder kaum zu Auswirkungen in der arbeits­ver­traglich geschuldeten Tätigkeit kommt. Schließlich habe der Arbeitgeber auch nicht vorgetragen, dass Alkoho­le­r­krankte bei ihm als Betrie­b­s­elek­triker aufgrund von Unfall­ver­hü­tungs­vor­schriften oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht beschäftigt werden können.

Quelle: Rechtsanwaltskammer des Saarlandes/ra-online

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