15.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Beschluss25.10.2012

Pharma­un­ter­nehmen muss vorläufig nicht vom Herstel­ler­rabatt befreit werdenWirtschaftliche Situation unter Berück­sich­tigung der Konzern­zu­ge­hö­rigkeit maßgeblich

Pharma­un­ter­nehmen müssen den gesetzlichen Krankenkassen einen Abschlag auf den Abgabepreis von Arzneimitteln von aktuell 16 % gewähren. Dieser so genannte Herstel­ler­rabatt wird in Ausnahmefällen verringert oder aufgehoben. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn das Pharma­un­ter­nehmen durch die Rabattpflicht unzumutbar belastet wird. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Zahlungs­un­fä­higkeit droht. Bei der Beurteilung der wirtschaft­lichen Situation kommt es bei konzern­ver­bundenen Unternehmen allerdings auch auf die finanziellen Verflechtungen innerhalb des Konzerns an. Dies gilt besonders dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bestimmte Kosten konzernintern auf das antragstellende Unternehmen verlagert wurden. Dies geht aus einer Entscheidung des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts hervor.

Im zugrunde liegenden Fall ging es um eine GmbH, die zu einem Pharma-Konzern gehört und ausschließlich die vom Konzern hergestellten Präparate vertreibt. Diese lediglich als Vertrie­bs­or­ga­ni­sation tätige GmbH beantragte eine Freistellung vom Herstellerrabatt, da dieser ihren Umsatz erheblich mindere und sie in ihrer Existenz gefährde. Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kon­trolle mit Sitz in Eschborn lehnte diesen Antrag ab. Die erforderliche konzer­n­über­greifende Prüfung der wirtschaft­lichen Situation sei nicht möglich, da die GmbH die Vorlage der entsprechenden Unterlagen verweigere.

SG verpflichtet Bundesamt zur Befreiung des Unternehmens von Preis­ab­schlag­pflichten

Die GmbH beantragte sodann vor dem Sozialgericht Wiesbaden den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Sozialgericht verpflichtete das Bundesamt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes das Unternehmen von den Preis­ab­schlag­pflichten zu befreien. Ob besondere Gründe für eine Befreiung vorliegen, sei allein aufgrund der wirtschaft­lichen Situation des jeweiligen Unternehmens zu beurteilen. Nach der vorgelegten Prognose der Wirtschafts­prüfer werde die GmbH ohne die Befreiung vom Herstel­ler­rabatt Verluste in Höhe von mehreren Millionen Euro machen.

Wirtschaftliche Verflechtungen und Situation innerhalb des Konzerns nicht ausreichend dargelegt

Die Richter des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts hingegen gaben dem Bundesamt im Beschwer­de­ver­fahren Recht und hoben den erstin­sta­nz­lichen Beschluss auf. Die GmbH sei konzern­ver­bunden, so dass die wirtschaftliche Situation des Unternehmens innerhalb des Konzerns maßgeblich sei. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass konzernintern bestimmte Kosten ohne nachvoll­ziehbare Gründe auf dieses Unternehmen verlagert worden seien. So seien der GmbH als reiner Vertrie­bs­ge­sell­schaft die Kosten für Studien auferlegt worden. Auch habe sie anderen konzern­ver­bundenen Unternehmen Darlehen zu auffällig niedrigen Zinsen gewährt und unentgeltlich Bürgschaften übernommen. Damit könne nicht beurteilt werden, ob der GmbH gerade durch die Arznei­mit­tel­rabatte die Zahlungs­un­fä­higkeit drohe. Mangels Vorlage der konzern­be­zogenen Unterlagen habe das Bundesamt zutreffend den Befrei­ungs­antrag abgelehnt.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 130 a Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch (SGB V)

(1) Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für ab dem 1. Januar 2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 vom Hundert des Abgabepreises des pharma­zeu­tischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Pharmazeutische Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten.

[...]

(1a) Vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 beträgt der Abschlag für verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel einschließlich Ferti­g­a­rz­nei­mittel in parenteralen Zubereitungen abweichend von Absatz 1 16 Prozent. [...]

(3a) Erhöht sich der Abgabepreis des pharma­zeu­tischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009, erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung

[...]

(4) Das Bundes­mi­nis­terium für Gesundheit hat nach einer Überprüfung der Erfor­der­lichkeit der Abschläge nach den Absätzen 1, 1a und 3a nach Maßgabe des Artikels 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preis­fest­setzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Kranken­ver­si­che­rungs­systeme die Abschläge durch Rechts­ver­ordnung mit Zustimmung des Bundesrates aufzuheben oder zu verringern, wenn und soweit diese nach der gesamt­wirt­schaft­lichen Lage, einschließlich ihrer Auswirkung auf die gesetzliche Kranken­ver­si­cherung, nicht mehr gerechtfertigt sind. Über Anträge pharma­zeu­tischer Unternehmer nach Artikel 4 der in Satz 1 genannten Richtlinie auf Ausnahme von den nach den Absätzen 1, 1a und 3a vorgesehenen Abschlägen entscheidet das Bundes­mi­nis­terium für Gesundheit. Das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der besonderen Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. [...]

Art. 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988

(2) In Ausnahmefällen kann eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inver­kehr­bringen eines Arzneimittels ist, eine Abweichung von einem Preisstopp beantragen, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Diese Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. [...]

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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