18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.
ergänzende Informationen

Hessisches Landessozialgericht Beschluss11.12.2019

Geringer ergänzender Sozial­leistungs­bezug begründet keinen Missbrauch des EU-Frei­zügig­keits­rechtsVerunglückter bulgarischer Arbeitnehmer ist nicht von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen

Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufent­haltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, erhalten regelmäßig keine Grund­sicherungs­leistungen (sogenanntes Hartz IV) Leistungs­be­rechtigt sind hingegen frei­zügigkeits­berechtigte Arbeitnehmer, solange kein Missbrauch des EU-Frei­zügig­keits­rechts vorliegt. Von einem solchen Missbrauch sei jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn der Betroffene durch seine Arbeitnehmer­tätigkeit seinen eigenen Bedarf fast vollständig selbst decken kann. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht in einem Eilverfahren.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein bulgarisches Ehepaar mit zwei minderjährigen Kindern reiste im Frühjahr 2019 in die Bundesrepublik ein. Die Familie wurde zunächst von Verwandten finanziell unterstützt. Der Mann nahm Anfang Mai 2019 eine Tätigkeit als Landschafts­gärtner auf (Nettoverdienst 680 Euro bei 80 Stunden monatlicher Arbeitszeit), erlitt bereits nach wenigen Tagen einen Arbeitsunfall und erhielt daraufhin Verletzten- bzw. Krankengeld. Ergänzend beantragte er Grund­si­che­rungs­leis­tungen (sogenanntes Hartz IV). Das Jobcenter lehnte dies ab. Leistungen seien ausgeschlossen, weil der Aufenthalt des Antragstellers sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe.

Kein Missbrauch des EU-Freizü­gig­keits­rechts bei fast vollständiger Deckung des eigenen Bedarfs durch Arbeit­neh­mer­tä­tigkeit

Das Hessische Landes­so­zi­al­gericht verpflichteten das Jobcenter, der Familie vorläufig laufende Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts nach dem SGB II (sogenanntes Hartz IV) zu gewähren. Mit der Arbeitsaufnahme des Mannes sei dieser als Arbeitnehmer freizü­gig­keits­be­rechtigt. Er habe sich auch nicht rechts­miss­bräuchlich auf das Freizü­gig­keitsrecht berufen. Denn die Inanspruchnahme von Sozialleistungen, die aufstockend zu einer tatsächlichen Arbeit­neh­mer­tä­tigkeit gewährt werde, begründe nicht per se einen entsprechenden Missbrauch. Diese gelte jedenfalls, wenn der Betroffene durch seine Arbeit­neh­mer­tä­tigkeit den eigenen Bedarf fast und zumindest unter zusätzlicher Inanspruchnahme von Wohngeld decken könne. Hiervon sei bei dem Antragsteller aufgrund des Monatsgehalts von knapp 700 Euro netto auszugehen.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 7 Sozial­ge­setzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung vom 30.11.2019

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungs­be­rechtigte).

Ausgenommen sind

1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeit­neh­me­rinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizü­gig­keits­ge­setzes/EU freizü­gig­keits­be­rechtigt sind, und ihre Familien­an­ge­hörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2. Ausländerinnen und Ausländer,

a) die kein Aufent­haltsrecht haben,

b) deren Aufent­haltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familien­an­ge­hörigen,

[...]

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online (pm/kg)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss28465

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI