18.10.2024
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Hessisches Landessozialgericht Beschluss20.06.2017

EU-Ausländer erhält bei Aufenthalt allein zum Zweck der Arbeitssuche lediglich Überbrü­ckungsgeld für einen MonatHessisches LSG verneint Anspruch auf laufende Sozial­hilfe­leistungen

EU-Ausländer, deren Aufent­haltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, haben keinen Anspruch auf laufende Sozial­hilfe­leistungen. Diese gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen Europa- oder Verfas­sungsrecht, da diese Menschen bis zur Ausreise - begrenzt auf in der Regel einen Monat - Anspruch auf Überbrückungs­leistungen haben. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Ein bulgarischer Mann ohne festen Wohnsitz beantragte Sozia­l­hil­fe­leis­tungen. Er lebte seit mehreren Jahren in Frankfurt am Main und erhielt zeitweise Leistungen vom Jobcenter oder vom Sozialamt. Im Übrigen bestritt er seinen Lebensunterhalt durch Flaschensammeln. Die Stadt Frankfurt am Main lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass der Gesetzgeber arbeitsuchende EU-Ausländer Ende 2016 von Sozia­l­hil­fe­leis­tungen ausgeschlossen habe. Hiergegen wandte sich der bulgarische Mann gerichtlich und beantragte einstweiligen Rechtsschutz.

Überbrü­ckungsgeld genügt europa- und verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben

Das Hessische Landes­so­zi­al­gericht entschieden im Wege der einstweiligen Anordnung, dass der bulgarische Mann einen Anspruch auf Überbrü­ckungs­leis­tungen für einen Monat hat. Ein Anspruch auf laufende Leistungen der Sozialhilfe bestehe hingegen nicht. Denn Ausländer, die kein Aufent­haltsrecht hätten oder deren Aufent­haltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, erhielten keine laufenden Sozia­l­hil­fe­leis­tungen. Dieser Leistungs­aus­schluss verstoße weder gegen Europarecht, noch verletze er das Grundrecht auf Gewährung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums. Der Gesetzgeber habe diesen Leistungs­aus­schluss nämlich mit einem Anspruch auf Überbrü­ckungs­leis­tungen verbunden. Damit würden bis zur Ausreise, regelmäßig längstens für einen Zeitraum von einem Monat, Hilfen gewährt.

Es sei auch verfas­sungs­rechtlich unbedenklich, dass diese Überbrü­ckungs­leis­tungen geringer seien als andere Grund­si­che­rungs­leis­tungen. Dem Gesetzgeber verbleibe insoweit ein gewisser Gestal­tungs­spielraum. Zudem liege der Regelung der Gedanke zugrunde, dass sich nicht (mehr) freizü­gig­keits­be­rechtigte EU-Ausländer rechtstreu verhielten und so schnell wie im Einzelfall möglich aus Deutschland ausreisen würden. Dies entspreche auch dem sozia­l­hil­fe­recht­lichen Gebot der Selbsthilfe. Die in dieser Situation noch in Deutschland entstehenden Bedarfe würden - insbesondere unter Berück­sich­tigung der Härteklausel - durch die Überbrü­ckungs­leis­tungen hinreichend abgedeckt.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 23 Sozial­ge­setzbuch Zwölftes Buch (SGB XII)

(1) Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten.

[...]

(3) Ausländer und ihre Familien­an­ge­hörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn

[...]

2. sie kein Aufent­haltsrecht haben oder sich ihr Aufent­haltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, [...]

Hilfe­be­dürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrü­ckungs­leis­tungen) [...]

Die Überbrü­ckungs­leis­tungen umfassen:

1. Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesund­heits­pflege,

2. Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in

angemessener Höhe [...],

3. die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krank­heits­folgen erforderlichen Leistungen [...]

Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungs­be­rech­tigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. [...]

§ 2 SGB XII

(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozia­l­leis­tungen, erhält. [...]

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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