21.11.2024
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Sozialgericht Speyer Urteil29.03.2016

Erwerbsfähigen Unionsbürgern steht kein Anspruch auf Sozialhilfe zuAusschluss von Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") verstößt nicht gegen europäisches Recht

Erwerbsfähige Unionsbürger, die aufgrund eines gesetzlichen Ausschlusses keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Hartz IV") erhalten können, weil sich ihr Aufent­haltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder sie kein Aufent­haltsrecht mehr haben, haben auch keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Dies entschied das Sozialgericht Speyer. Damit weicht das Gericht von der Rechtsprechung des Bundes­sozial­gerichts ab, wonach bei einem Aufenthalt von EU-Bürgern im Bundesgebiet von mindestens sechs Monaten Sozialhilfe geleistet werden muss, weil das vom Gesetz vorgesehene Ermessen der Sozia­l­hil­fe­träger zur Leistung in diesen Fällen auf Null reduziert sei.

Im vorliegenden Fall klagte eine irische Staats­an­ge­hörige, die Rahmen ihrer Aufent­halts­anzeige angab, zur Arbeitssuche eingereist zu sein. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") lehnte der Beklagte ab. In der Folgezeit arbeitete die Klägerin 3 Monate in geringfügigem Umfang und war danach auf Arbeitssuche.

Klägerin rügt Verstoß gegen europäisches Gleich­be­hand­lungs­verbot

Die Klägerin machte geltend, dass der Leistungsausschluss nach dem SGB II gegen das europäische Gleich­be­hand­lungs­verbot verstoße. Zudem habe sie bereits eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt aufgebaut. Wenn sie keinen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende habe, bestehe nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts ein Anspruch auf Sozialhilfe.

Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts setzt sich über eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hinweg

Das Sozialgericht Speyer wies die Klage ab. Entscheidend sei, dass sich das Aufent­haltsrecht der Klägerin alleine aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, da sie weniger als ein Jahr in Deutschland tätig war. Der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") verstoße nicht gegen europäisches Recht. Auch einen Anspruch auf Sozialhilfe besteht nach der Entscheidung nicht. Der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts sei nicht zu folgen, da sie sich über den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und den Willen des Gesetzgebers hinwegsetze.

Unionsbürgern ist Rückkehr ins Heimatland in der Regel ohne drohende Gefahren für hochrangige Rechtsgüter möglich

Schließlich bedurfte es nach Auffassung des Sozialgerichts keiner Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und in Ausfüllung seines sozial­staat­lichen Gestal­tungs­auf­trages aus Art. 20 Abs. 1 GG zwar verpflichtet, materiell bedürftigen Menschen die zur Gewährleistung eines menschen­würdigen Daseins notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Nach Ansicht des Sozialgerichtes folgt aus diesen Anforderungen jedoch nicht zwangsläufig ein Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende oder Sozialhilfe. Denn anders als beispielsweise Asylbewerbern ist es Unionsbürgern regelmäßig möglich, ohne drohende Gefahren für hochrangige Rechtsgüter (etwa durch politische Verfolgung) in ihr Heimatland zurückzukehren und dort staatliche Unter­stüt­zungs­leis­tungen zu erlangen.

Quelle: Sozialgericht Speyer/ra-online

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