21.11.2024
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Sozialgericht Heilbronn Urteil22.02.2017

Kein Anspruch auf Sozia­l­leis­tungen bei Aufent­haltsrecht nur zur ArbeitsucheSozialgericht Heilbronn entscheidet entgegen höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung

Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass Personen, die sich in Deutschland mit einem Aufent­haltsrecht allein zur Arbeitssuche aufhalten, kein Anspruch auf Sozia­l­leis­tungen zusteht.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls wurde 1971 geboren, ist italienischer Staats­an­ge­höriger. Er lebte und arbeitete nach eigenem Vortrag in Deutschland bereits von 2001 bis zu seiner Rückkehr nach Italien im Jahr 2006. Im April 2013 reiste er wieder nach Deutschland ein und war bis zur Kündigung durch den Arbeitgeber für ein Dreivierteljahr (bis Januar 2014) als Reinigungskraft beschäftigt. Verheiratet ist er mit einer 1977 geborenen Italienerin, die im September 2013 erstmals nach Deutschland einreiste und zunächst arbeitslos blieb.

Jobcenter bewilligt Leistungen nur für acht Monate

Das Jobcenter Stadt Heilbronn bewilligte dem Ehepaar daraufhin SGB II-Leistungen von Dezember 2013 bis Juli 2014, lehnte es aber aufgrund des erst kurzen Aufenthalts bzw. der Beschäf­ti­gungszeit in Deutschland von zuletzt lediglich einem Dreivierteljahr ab, darüber hinausgehend Leistungen zu gewähren.

Etwaiges Dauer­auf­ent­haltsrecht in Deutschland durch längere Abwesenheit verloren

Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Sozialgericht Heilbronn entschied, dass der Arbeit­neh­m­er­status des Klägers für die Dauer von maximal sechs Monaten aufrecht­er­halten bleiben und ein etwaiger Anspruch auf "Hartz IV" auch nur in diesem Zeitraum habe bestehen können, da der Kläger nach seiner Wiedereinreise weniger als ein Jahr beschäftigt gewesen sei. Auch sei aus dem früheren Aufenthalt in Deutschland von 2001 bis 2006 kein Arbeit­neh­m­er­status mehr abzuleiten. Denn bis zur Wiedereinreise im April 2013 seien deutlich mehr als zwei Jahre vergangen und ein etwaiges Dauer­auf­ent­haltsrecht in Deutschland bereits verloren gewesen.

Kein Anspruch auf Sozialhilfe für dem Grunde nach erwerbsfähige Personen

Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den beigeladenen Sozia­l­hil­fe­träger (die Stadt Heilbronn). Denn abweichend von der derzeitigen Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts scheitere ein Anspruch der Kläger an der Ausschluss­re­gelung des § 21 S. 1 SGB XII. Danach erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungs­be­rechtigt sind, grundsätzlich keine Sozialhilfe. Der Gesetzgeber habe gerade für den Personenkreis, der - wie hier die Kläger - unter den Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II falle, keinen Leistungs­an­spruch auf Sozialhilfe gewollt. So habe der Gesetzgeber kürzlich auch in einer Geset­ze­s­än­derung klargestellt, dass Personen, welche sich mit einem Aufent­haltsrecht allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielten, sowohl von Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") als auch nach dem SGB XII (Sozialhilfe) ausgeschlossen seien.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 7 Abs. 1 Zweites Buch Sozial­ge­setzbuch [SGB II] - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (in der Fassung vom 20.12.2011):

1 Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungs­be­rechtigte).

2 Ausgenommen sind [...]

2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufent­haltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familien­an­ge­hörigen [...]. Aufent­halts­rechtliche Bestimmungen bleiben unberührt. [...]

§ 2 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern Freizü­gig­keits­gesetz/EU):

(1) Freizü­gig­keits­be­rechtigte Unionsbürger und ihre Familien­an­ge­hörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(2) Unionsrechtlich freizü­gig­keits­be­rechtigt sind:

1. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer [...] aufhalten wollen,

2. Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden,

[...]

7. Unionsbürger und ihre Familien­an­ge­hörigen, die ein Dauer­auf­ent­haltsrecht erworben haben.

(3) 1 Das Recht nach Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei

1. vorübergehender Erwer­bs­min­derung infolge Krankheit oder Unfall,

2. unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeits­lo­sigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit, [...]

2 Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeits­lo­sigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.

§ 21 Zwölftes Buch Sozial­ge­setzbuch [SGB XII] - Sozialhilfe - :

Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungs­be­rechtigt sind, erhalten keine Leistungen für den Lebensunterhalt. [...]

§ 23 SGB XII - Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer -(in der Fassung vom 2.12.2006):

(1) 1 Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. 2 Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. 3 Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. 4 Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Nieder­las­sungs­er­laubnis oder eines befristeten Aufent­halt­s­titels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. 5 Rechts­vor­schriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben unberührt.

(2) Leistungs­be­rechtigte nach § 1 des Asylbe­wer­ber­leis­tungs­ge­setzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe.

(3) 1 Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufent­haltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familien­an­ge­hörigen haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe. 2 Sind sie zum Zweck einer Behandlung oder Linderung einer Krankheit eingereist, soll Hilfe bei Krankheit insoweit nur zur Behebung eines akut lebens­be­droh­lichen Zustandes oder für eine unaufschiebbare und unabweisbar gebotene Behandlung einer schweren oder ansteckenden Erkrankung geleistet werden.

Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online

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