Im zugrunde liegenden Rechtstreit machte sich ein als Hausmeister angestellter Mann morgens mit seinem Pkw auf den Weg zur Arbeit. Dazu öffnete der Kläger zunächst das Hoftor auf seinem Grundstück und fuhr den Pkw auf die Straße hinaus. Danach stieg er aus dem Auto aus, um das Hoftor zu schließen. Als er um das Auto herum lief, rutschte er auf der vereisten Fahrbahn aus, stürzte und zog sich eine schwere Schulterverletzung zu.
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung ab. Sie war der Auffassung, dass der Kläger den Weg zur Arbeit unterbrochen habe. Die Unterbrechung des Weges zum Schließen des Hoftores habe nach Auffassung der Berufsgenossenschaft allein privaten Gründen gedient. Die Unterbrechung könne nicht als geringfügig angesehen werden, da das Schließen des Hoftores weder "im Vorbeigehen" noch "ganz nebenher" möglich gewesen sei. Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt somit auf einem nicht versicherten Weg befunden, weshalb der Unfallversicherungsschutz zu verneinen sei.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main entschied, dass die Berufsgenossenschaft den Unfall als Wegeunfall anzuerkennen habe. Obwohl der Kläger sein Auto zwar verlassen habe, ein paar Schritte zurückgelaufen sei und das beabsichtigte Schließen des Hoftores eigenwirtschaftlicher Natur gewesen sei, habe der Mann den versicherten Weg nur geringfügig unterbrochen. Das Schließen des Hoftores sei nur als geringfügige Unterbrechung des Hinweges zur Arbeit zu werten und stelle keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung der Arbeitsstätte dar.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Berufsgenossenschaft blieb ohne Erfolg. Das Hessische Landessozialgericht bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts und verwies in seiner Urteilsbegründung darauf, dass die vom Kläger "eingeschobene Verrichtung" - also das Verlassen des Pkw, um das Hoftor zu schließen und der Rückweg zum Pkw - im inneren Zusammenhang mit dem Zurücklegen des Hinweges gestanden habe, auch wenn der Weg zum Schließen des Tores nicht zwingend erforderlich gewesen sei, um die Arbeitsstätte mit dem Pkw zu erreichen.
Nach Auffassung des Gerichts bestehe der Versicherungsschutz weiter, wenn eine versicherte Hinfahrt unterbrochen werde, die eingeschobene Verrichtung ihrerseits aber im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe. Ganz kurze und geringfügige Unterbrechungen führten selbst dann nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes, wenn sie eigenwirtschaftlicher Natur sind. Der vom Kläger zum Abschließen des Hoftores angetretene örtlich und zeitlich nur kurze Weg zurück wäre ohne den Sturz in weniger als 30 Sekunden abgeschlossen gewesen, bevor der Kläger den unverändert beabsichtigten Weg zur Arbeit wieder fortgesetzt hätte. Daher habe die Unterbrechung keine wirkliche Zäsur des Hinweges zur Arbeit dargestellt, weshalb ein Versicherungsschutz zu bejahen sei, entschied das Gericht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.04.2016
Quelle: Hessisches Landessozialgericht, ra-online(vt/kg)