21.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil14.07.2015

Unfall­versicherungs­schutz auch bei Autounfall auf Abwegen möglichBerufs­genossen­schaft muss Arbeitsunfall nach verkehrs­wi­drigem Wendemanöver entschädigen

Beschäftigte sind auf dem unmittelbaren Weg von und zur Arbeit gesetzlich unfall­ver­sichert. Erforderlich ist allerdings ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem unfall­brin­genden Weg und der versicherten Tätigkeit. Biegt der Versicherte vom unmittelbaren Weg falsch ab, so ist dies unschädlich, solange er am Fahrziel festhält und den Weg zur oder von der Arbeit durch den (verkehrs­be­dingten) Abweg nur unwesentlich verlängert. Dies entschied das Hessischen Landes­sozial­gerichts.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein als Lagerist im Fachgroßhandel in Eschborn tätiger Mann wurde im Januar 2011 aushilfeweise in einem Lager in der Nähe von Mainz eingesetzt. Seinen Dienst sollte der in Frankfurt am Main wohnende Mann um 17.45 Uhr beginnen. Gegen 17.15 Uhr verunglückte er infolge eines verkehrs­wi­drigen Wendemanövers auf einer vierspurigen Bundesstraße. Der Unfallort befindet sich nicht auf dem unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstelle.

Bei dem Unfall wurde der Mann schwer verletzt, erlitt ein Schäde­l­hirn­trauma und lag zwei Wochen im Koma. Im November 2011 wurde er wieder stufenweise in sein Arbeits­ver­hältnis eingegliedert.

Berufs­ge­nos­sen­schaft verweigert Anerkennung eines Arbeitsunfalls

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, da sich der Mann zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem Weg zur Arbeit, sondern auf einem unversicherten Weg befunden habe, ohne dass hierfür betriebliche oder verkehrs­tech­nische Gründe erkennbar seien.

Der Mann erhob Klage und führte an, dass er wegen eines Staus eine andere Route gewählt und sich bei schwierigen Licht- und Wetter­ver­hält­nissen verfahren habe. An Details habe er wegen der schweren Schädel- und Hirnverletzung keine Erinnerung mehr.

LSG bejaht unfall­ver­si­cherten Wegeunfall

Die Richter des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts gaben - wie zuvor bereits das Sozialgericht Frankfurt am Main - dem verunglückten Mann Recht. Verfahre sich ein Versicherter, bleibe er auch auf dem Abweg unfall­ver­sichert. Dies gelte jedenfalls soweit aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen sei, dass die Handlungs­tendenz unverändert darauf gerichtet gewesen sei, den Arbeitsplatz zu erreichen. Eine verminderte Aufmerksamkeit sei insoweit unerheblich. Auch bleibe der Versi­che­rungs­schutz bestehen, wenn sich der Autofahrer wegen Dunkelheit, Nebel oder schlechter Beleuchtung verfahre.

Anhaltspunkte für Ansteuern eines privaten eigen­wirt­schaft­lichen Ziels nicht erkennbar

Obgleich die Ursache für das falsche Abbiegen wegen des Erinne­rungs­ver­lustes des verunglückten Mannes nicht feststellbar sei, bestünden keine Zweifel daran, dass er unverändert seine Arbeitsstätte habe erreichen wollen, urteilten die Darmstädter Richter. Anhaltspunkte für ein privates eigen­wirt­schaft­liches Ziel lägen nicht vor.

Da zudem nach dem ausdrücklichen Geset­zes­wortlaut verbotswidriges Handeln einen Versi­che­rungsfall nicht ausschließe, entfalle der Versi­che­rungs­schutz auch nicht aufgrund des rechtswidrigen Wendemanövers.

Hinweise zur Rechtslage

§ 2 Sozial­ge­setzbuch Siebtes Buch (SGB VII)

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1. Beschäftigte, [...]

§ 7 SGB VII

(1) Versi­che­rungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufs­krank­heiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versi­che­rungsfall nicht aus.

§ 8 SGB VII

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versi­che­rungs­schutz [...] begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) [...]

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusam­men­hän­genden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, [...]

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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