01.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil26.09.2013

Hessisches Landes­so­zi­al­gericht zur Renten­ver­si­cherungs­pflicht für Pflege­leis­tungenFrau erstreitet Versicherungs­pflicht wegen umfangreicher Pflege ihrer Mutter

Wer einen Pflege­be­dürftigen mit Anspruch auf Pflege­ver­si­cherungs­leistungen in seiner häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig pflegt, ist renten­ver­si­cherungs­pflichtig. Die Beiträge zahlt die Pflege­ver­si­cherung. Voraussetzung ist allerdings ein Pflegeumfang von wenigstens 14 Wochenstunden. Hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) den erforderlichen Umfang der häuslichen Pflege nicht im Einzelfall festgestellt, ist auf die schlüssigen und glaubhaft gemachten Angaben der Pflegeperson oder des Pflege­be­dürftigen abzustellen. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

In dem vorzuliegenden Fall pflegte eine Frau aus dem Main-Kinzig-Kreis ihre mittlerweile verstorbene Schwiegermutter, die Pflegegeld nach Pflegestufe I bezog. Sie beantragte die Prüfung ihrer Renten­ver­si­che­rungs­pflicht und die Zahlung von Versi­che­rungs­bei­trägen durch die Pflegekasse. Die Renten­ver­si­cherung lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass der wöchentliche Pflegeaufwand unter 14 Stunden liege. Die 62-jährige Frau hingegen berief sich darauf, dass der MDK keine individuellen Feststellungen getroffen habe, um den konkreten tatsächlichen Pflegeaufwand zu ermitteln. Zum Beleg, dass dieser Aufwand über 14 Stunden liege, legte sie ein Pflegetagebuch sowie eine Aufstellung über die hauswirt­schaftliche Versorgung vor.

Hilfebedarf ist individuell zu ermitteln

Das Hessische Landes­so­zi­al­gericht gab der Frau Recht und bejahte die Renten­ver­si­che­rungs­pflicht. Nach den Begut­ach­tungs­richt­linien seien der tatsächlich anfallende individuelle Hilfebedarf zu bewerten und der Zeitaufwand in Stunden abzuschätzen. Dennoch habe der MDK keine eigenen Feststellungen zur tatsächlichen Hilfeleistung im Rahmen des medizinisch und pflegerisch Notwendigen getroffen. Stattdessen habe er nicht maßgebliche Pauschalen herangezogen. Daher seien die Angaben der klagenden Frau – soweit schlüssig - heranzuziehen. Neben dem unstreitigen Grund­pfle­ge­bedarf von täglich 51 Minuten seien danach mindestens 1 Stunde und 16 Minuten täglich für die Hauswirtschaft nötig gewesen. Damit habe der Pflegebedarf von mehr als 14 Stunden wöchentlich vorgelegen.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen
§ 3 Sozial­ge­setzbuch Sechstes Buch (SGB VI)

Versi­che­rungs­pflichtig sind Personen in der Zeit, (…)

1a) in der sie einen Pflege­be­dürftigen im Sinne des § 14 des Elften Buches nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflege­be­dürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat; dies gilt auch, wenn die Mindest­stun­denzahl nur durch die Pflege mehrerer Pflege­be­dürftiger erreicht wird, (…). Nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, die daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig sind, sind nicht nach Satz 1 Nr. 1a versi­che­rungs­pflichtig.

§ 14 Sozial­ge­setzbuch Elftes Buch (SGB XI)

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (…) der Hilfe bedürfen.

(4) Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen (…) sind:

1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasen­ent­leerung,

2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung,

3. im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung,

4. im Bereich der hauswirt­schaft­lichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.

§ 44 SGB XI

(1) Zur Verbesserung der sozialen Sicherung der Pflegepersonen (…) entrichten die Pflegekassen und die privaten Versi­che­rungs­un­ter­nehmen, bei denen eine private Pflege-Pflicht­ver­si­cherung durchgeführt wird, (…) Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als dreißig Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. (…) Der Medizinische Dienst der Kranken­ver­si­cherung stellt im Einzelfall fest, ob und in welchem zeitlichen Umfang häusliche Pflege durch eine Pflegeperson erforderlich ist, und erfragt in den Fällen, in denen die Pflege des Pflege­be­dürftigen die Dauer von 14 Stunden unterschreitet, ob die Pflegeperson weitere Pflege­be­dürftige pflegt. Der Pflege­be­dürftige oder die Pflegeperson haben darzulegen und auf Verlangen glaubhaft zu machen, dass Pflegeleistungen in diesem zeitlichen Umfang auch tatsächlich erbracht werden.

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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