23.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil15.05.2014

Betriebs­kranken­kassen dürfen Erwachsenen keinen Zuschuss für eine Brille gewährenSatzung­s­än­derung einer Betriebs­kranken­kasse rechtswidrig

Gesetzliche Kranken­ver­sicherungen haben keinen Anspruch auf Genehmigung einer Satzung­s­än­derung, die einen Zuschuss zu Brillen und Kontaktlinsen für volljährige Versicherte vorsieht. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegende Streitfall beabsichtigte eine Betriebskrankenkasse, ihren volljährigen Versicherten einen Zuschuss von maximal 50 Euro zu Brillen und Kontaktlinsen zu gewähren. Sie beantragte beim Bundes­ver­si­che­rungsamt die Genehmigung der entsprechenden Satzung­s­än­derung. Das Bundes­ver­si­che­rungsamt lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass ein voraus­set­zungsloser Anspruch auf einen Zuschuss zu Sehhilfen für volljährige Versicherte einen neuen Versi­che­rungsfall darstelle. Die Satzungs­er­mäch­tigung erlaube jedoch keine schrankenlose Bereichs­aus­weitung. Daraufhin klagte die Betrie­bs­kran­kenkasse vor dem Hessischen Landes­so­zi­al­gericht mit der Begründung, sie sei in ihrer Selbst­ver­wal­tungs­au­tonomie verletzt. Bei Satzungs­re­ge­lungen stünde ihr ein weiter Gestal­tungs­spielraum zu. Ferner verwies sie darauf, dass die Landes­auf­sichten in anderen Bundesländern identische Satzungs­re­ge­lungen genehmigt hätten. Dies führe zu einer unzulässigen Wettbe­wer­bs­ver­zerrung.

Zuschuss verstößt gegen krank­ver­si­che­rungs­recht­liches Leistungsrecht

Das Hessische Landes­so­zi­al­gericht gab dem Bundes­ver­si­che­rungsamt Recht und wies die Klage der Betrie­bs­kran­kenkasse ab. Zwar könne eine gesetzliche Krankenkasse in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen vorsehen. Die Satzung dürfe jedoch keine Bestimmungen enthalten, die den Aufgaben der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung widersprechen. Dies sei jedoch der Fall, wenn die zusätzlichen Leistungen nicht lediglich eine Weiter­ent­wicklung der Regelversorgung beinhalteten, sondern neue Leistungen darstellten. Im Bereich der Sehhilfen bestehe für Erwachsene keine Regelversorgung, sondern vielmehr ein grundsätzlicher Leistungs­aus­schluss. Einen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen hätten lediglich Versicherte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sowie volljährige Versicherte mit einer schweren Sehbe­ein­träch­tigung. Daher sei die Satzung­s­än­derung nicht geneh­mi­gungsfähig.

Kein Anspruch auf Gleich­be­handlung im Unrecht

Im Hinblick auf die Geneh­mi­gung­s­praxis anderer Bundesländer verwiesen das Gericht darauf, dass es keinen Anspruch auf Gleich­be­handlung im Unrecht gebe. Die entsprechenden Aufsichts­be­hörden würden zudem regelmäßig im Anschluss an höchst­rich­terliche Rechtsprechung ihre Geneh­mi­gung­s­praxis überprüfen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 11 Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch (SGB V) - Leistungsarten

(6) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen [...] bei der Versorgung mit [...] Hilfsmitteln [...] vorsehen. [...]

§ 33 SGB V - Hilfsmittel

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen [...]. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie auf Grund ihrer Sehschwäche oder Blindheit [...] auf beiden Augen eine schwere Sehbe­ein­träch­tigung mindestens der Stufe 1 aufweisen [...]. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfasst nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchs­be­rechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen.

[...]

§ 194 SGB V – Satzung der Krankenkassen

(2) Die Satzung darf keine Bestimmungen enthalten, die den Aufgaben der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung widersprechen. Sie darf Leistungen nur vorsehen, soweit dieses Buch sie zulässt.

§ 195 SGB V – Genehmigung der Satzung

(1) Die Satzung bedarf der Genehmigung der Aufsichts­behörde.

(2) Ergibt sich nachträglich, dass eine Satzung nicht hätte genehmigt werden dürfen, kann die Aufsichts­behörde anordnen, dass die Krankenkasse innerhalb einer bestimmten Frist die erforderliche Änderung vornimmt.

§ 29 Sozial­ge­richts­gesetz (SGG)

(2) Die Landes­so­zi­al­ge­richte entscheiden im ersten Rechtszug über

[...]

2. Aufsichts­an­ge­le­gen­heiten gegenüber Trägern der Sozia­l­ver­si­cherung [...].

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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