21.11.2024
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Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil05.12.2011

Fristlose Kündigung eines Chefarztes nach Verschweigen einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung gerechtfertigtArbeitgeber hat zur Sicherung des Rufs der Klinik berechtigtes Interesse an sofortiger Beendigung der Arbeits­be­ziehung

Die fristlose Kündigung eines Chefarztes ist zulässig, wenn sich herausstellt, dass die bei seiner Einstellung abgegebene Erklärung zu fehlenden Vorstrafen und laufenden Ermitt­lungs­ver­fahren falsch war. Dies entschied das Hessische Landes­a­r­beits­gericht.

Der 52-jährige Kläger des zugrunde liegenden Rechtsstreits ist habilitierter Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Er wurde zum 1. November 2009 mit einem garantierten Jahreseinkommen von 220.000 Euro brutto als Chefarzt zur Leitung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe in einer Klinik im Raum Darmstadt eingestellt. Vor der Einstellung unterzeichnete der Kläger folgende Erklärung:

"Ich erkläre, dass ich über die vorstehenden Angaben hinaus nicht gerichtlich bestraft oder disziplinarisch belangt worden bin. Außerdem erkläre ich, dass gegen mich kein (weiteres) Strafverfahren, Ermitt­lungs­ver­fahren der Staats­an­walt­schaft oder Diszi­pli­na­r­ver­fahren anhängig ist. Ich verpflichte mich, von jedem gegen mich eingeleiteten Straf- oder Ermitt­lungs­ver­fahren und jeder gerichtlichen Verurteilung Mitteilung zu machen."

Kläger wurde bereits 2002 wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Gegen den Kläger war jedoch schon 2002, als er in einer Klinik in Niedersachsen tätig war, eine Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung eines Neugeborenen erstattet worden. Dem Kläger war vorgeworfen worden, einen Kaiserschnitt zu spät eingeleitet zu haben. Auf die Strafanzeige wurde im Oktober 2006 Anklage erhoben. Das Amtsgericht setzte das Strafverfahren wegen des parallel betriebenen Schmer­zens­geld­pro­zesses aus. Nachdem der Kläger von den Zivilgerichten zu 15.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt worden war, nahm das Amtsgericht das Strafverfahren wieder auf und verurteilte den Kläger im August 2010 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 13.500 Euro.

Arbeitgeber kündigt Arbeits­ver­hältnis fristlos

Die Arbeitgeberin des Klägers erfuhr davon Ende August 2010 aus der Presse und suspendierte den Kläger mit sofortiger Wirkung vom Dienst. Anfang September 2010 kündigte sie das Arbeits­ver­hältnis mit dem Kläger fristlos.

Wieder­her­stellung des Vertrau­ens­ver­hält­nisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten

Das Arbeitsgericht hatte der Kündi­gungs­schutzklage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin war erfolgreich. Das Hessische Landes­a­r­beits­gericht bestätigte die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung. Der Kläger habe es trotz ausdrücklicher und eindeutiger Verpflichtung unterlassen, die Arbeitgeberin über das gegen ihn anhängige Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung in Kenntnis zu setzen. Der Kläger habe erkennen müssen, welch hohen Stellenwert die Arbeitgeberin dem guten Leumund ihrer Beschäftigten - zumal in leitender Stellung - beimisst. Den Einwendungen des Klägers, es habe sich um eine "alte Angelegenheit" gehandelt, konnte das Hessische Landes­a­r­beits­gericht nicht folgen. Die Position eines Chefarztes habe eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung und den Ruf der Kliniken. Deshalb habe die Arbeitgeberin ein berechtigtes Interesse daran, sich sofort von einem Mitarbeiter in dieser Position zu trennen, wenn sich herausstellt, dass dieser nicht nur wegen eines in ähnlicher Funktion begangenen Tötungsdelikts verurteilt wurde, sondern es trotz ausdrücklich übernommener Verpflichtung unterlassen hat, ihr von dem Strafverfahren Mitteilung zu machen. Dass das dadurch zerstörte und für die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses unabdingbare Vertrau­ens­ver­hältnis wieder hergestellt werden könne, sei nicht zu erwarten.

Quelle: Hessisches Landesarbeitsgericht/ra-online

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