Dokument-Nr. 24353
Permalink https://urteile.news/
- Zuerkennung des Flüchtlingsstatus für Syrer bei Wehrdienstentziehung möglichVerwaltungsgericht Berlin, Urteil16.05.2017, VG 4 K 572.16 A und 4 K 683.16 A
- Syrischen Staatsangehörigen ist bei Flucht zum Zweck der Wehrdienstentziehung Flüchtlingsschutz zu gewährenVerwaltungsgericht Aachen, Urteil27.02.2017, 9 K 2245/15.A u.a.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil06.06.2017
Flüchtlingsanerkennung für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge möglichVGH bejaht drohende Inhaftierung und Folter bei Rückkehr aufgrund Wehrdienstentzuges
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, drei syrischen Staatsangehörigen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die drei Männer stammen aus der syrischen Stadt Homs bzw. aus der Provinz Dara’a und reisten in den Monaten Oktober und November 2015 in das Bundesgebiet ein. Aufgrund ihrer Asylanträge erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheiden vom Juli, August und November 2016 den drei Asylbewerbern sog. subsidiären Schutz zu, lehnte die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft jedoch ab.
Kläger befürchten bei Rückkehr nach Syrien drohende Todesstrafe
Dagegen erhoben alle drei Asylbewerber Klage beim Verwaltungsgericht Kassel. Mit ihren Klagen verfolgen sie weiterhin das Ziel einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zur Begründung hierfür tragen sie vor, dass ihnen bei Rückkehr nach Syrien aufgrund der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland und dem längeren Auslandsaufenthalt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohe. Sie hätten in Syrien ihren Wehrdienst geleistet, so dass ihnen bei einer etwaigen Rückkehr in ihr Heimatland eine Zwangsrekrutierung und in einem Fall wegen Wehrdienstverweigerung sogar die Todesstrafe drohe.
VG gibt Klagen statt
Das Verwaltungsgericht Kassel gab den drei Klagen statt und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass in Anbetracht der anhaltenden Eskalation der politischen Konflikte und der Intensität der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien davon auszugehen sei, dass sich die Gefährdungslage weiter erheblich verschärft habe und der syrische Staat die illegale Ausreise, den Aufenthalt und eine Asylantragstellung im westlichen Ausland inzwischen generell als Ausdruck einer regime-kritischen Überzeugung ansehe.
Bundesamt verweist auf fehlende gesicherte Erkenntnisse für tatsächliche Gefahrenlage nach Rückkehr
Gegen diese Urteile wendet sich die Bundesrepublik Deutschland bzw. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit den vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufungen. Nach Auffassung des Bundesamtes gebe es keine gesicherten Erkenntnisse dafür, dass Rückkehrern in Syrien ungeachtet besonderer persönlicher Umstände grundsätzlich eine oppositionelle Tätigkeit unterstellt werde und deshalb Befragungen und damit teilweise auch einhergehende Misshandlungen durch die dortigen Behörden in Anknüpfung an ein verfolgungsrelevantes Merkmal erfolgten. Nach der gegenwärtigen Auskunftslage seien weder die Asylantragstellung noch der Auslandsaufenthalt für sich allein ein Grund für die Annahme einer asylrechtlich beachtlichen Gefahr einer politischen Verfolgung durch Verhaftung oder Repressalien von Seiten der staatlichen Behörden Syriens.
VGH hält Vermutung drohender politischer Verfolgung bei Rückkehr für begründet
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof wies die Berufungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zurück. Anders als das Bundesamt ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, die Befürchtung der Kläger, im Fall einer Rückkehr nach Syrien drohe ihnen eine politische Verfolgung, sei begründet. Nach aktuellen Auskünften u.a. des Auswärtigen Amtes, des UNHCR und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zur Lage in der Arabischen Republik Syrien drohten den Klägern wegen ihrer Herkunft aus den von Rebellen beherrschten bzw. ehemals beherrschten Gebieten des Landes sowie in Anknüpfung an ihre von den syrischen Behörden wegen ihres Wehrdienstentzuges vermuteten oppositionellen Gesinnung bei einer Rückkehr über den Flughafen von Damaskus oder bei einer anderen offiziellen Einreise in ihr Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Inhaftierung und Folter und damit eine politische Verfolgung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.06.2017
Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil24353
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.