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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil03.01.2011
FG Rheinland-Pfalz: Familienkasse muss vor Ablehnung eines Antrags auf Kindergeld alle in den Akten befindlichen Unterlagen prüfenÄrztliche Befundberichte müssen bei Entscheidung über Kindergeldzahlung Berücksichtigung finden
Die Familienkasse muss sich mit den in den Akten befindlichen Unterlagen auch auseinandersetzen, bevor sie einen Antrag auf Kindergeld ablehnt. Dies entschied das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in einem Fall, in dem es sich mit der mit der Frage befasste, in welcher Form die für die Gewährung von Kindergeld notwendigen Nachweise - für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt eines Kindes wegen einer Behinderung - zu führen sind.
Im Streitfall stellte der Kläger am 27. August 2008 für seinen Sohn bei der beklagten Familienkasse einen Antrag auf (Weiter-) Zahlung des Kindergeldes und gab an, der Sohn sei wegen eines Tumors z.Zt. nicht arbeitsfähig, er sei noch in Behandlung. Auf Anfrage der Familienkasse war von der zuständigen ARGE bereits im September 2007 mitgeteilt worden, dass der Sohn seit Dezember 2005 als arbeitssuchend gemeldet sei, aber nach Aussage des Gesundheitsamtes wegen eines Gehirntumors und einer Operation auf unbestimmte Zeit nicht erwerbsfähig. In der Kindergeldakte befindet sich weiter ein am 26. August 2008 unterzeichneter „ärztlicher Befundbericht zum Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. zur Nachprüfung der weiteren Rentenberechtigung“, in dem u.a. ausgeführt wird, dass das Kind wegen eines Hirntumors operiert worden sei. Ein Resttumor sei weiterhin vorhanden. Der Patient werde für dauernd erwerbsunfähig gehalten, die Symptome könnten sich nicht mehr ausreichend bessern, eine Arbeitsfähigkeit werde sich nicht mehr einstellen.
Familienkasse beanstandet Nachweis der Behinderung und lehnt Kindergeldantrag ab
Darauf hin wurde mit Bescheid vom 2. September 2008 zwar für die Zeit ab Juni 2008 Kindergeld für das Kind festgesetzt. Jedoch schon mit Schreiben vom 9. September 2008 teilte die Familienkasse dem Kläger mit, über den Antrag auf Kindergeld könne noch nicht endgültig entschieden werden, weil noch der Nachweis der Behinderung (z.B. Schwerbehindertenausweis) und der Nachweis etwaiger Einkünfte und Bezüge fehlen würden. Mit Bescheid vom 30. September 2008 wurde der Antrag des Klägers auf Kindergeld für seinen Sohn ab November 2008 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die für die Entscheidung über den Kindergeldanspruch notwendigen Unterlagen bisher nicht eingereicht worden seien. Bei dieser Ansicht blieb die Familienkasse auch in der Einspruchsentscheidung vom 10. März 2009. Bei der Familienkasse ging darauf hin ein Schreiben des Gesundheitsamtes vom 12. März 2009 ein, in dem ausgeführt wird, dass das Kind des Klägers mehrfach begutachtet worden sei. Gemäß dem jüngsten Gutachten vom April 2008 bestehe bei dem Kind aus Krankheitsgründen für die Kalenderjahre 2008 und 2009 eine durchgängige Arbeitsunfähigkeit. Die Familienkasse blieb auch im Klageverfahren bei ihrer ablehnenden Ansicht. Hinsichtlich des Schreibens des Gesundheitsamtes vom 12. März 2009 meint sie nur, es fehlten darin Angaben zu einer etwaigen Behinderung des Sohnes.
Einkünfte und Bezüge des Kindes zu gering um sich selbst zu unterhalten
Die dagegen gerichtete Klage war jedoch in vollem Umfang erfolgreich. Das Finanzgericht Reinland-Pfalz führte u.a. aus, der arbeitslos gemeldete Sohn habe im Oktober 2008 des 21. Lebensjahr vollendet, so dass Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kindes sei, dass er wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes so niedrig gewesen seien, dass er außerstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Streitig sei demnach allein, ob für diese Unfähigkeit zum Selbstunterhalt eine Behinderung ursächlich sei.
Familienkasse befasst sich weder im Einspruchsverfahren noch im Klageverfahren mit vorliegenden ärztlichen Unterlagen
Bei Anwendung der für die Familienkasse geltenden Dienstanweisung sei der Nachweis der Behinderung des Sohnes im vorliegenden Falle sogar zweifach erbracht worden: In der Akte befinde sich einerseits der „ärztliche Befundbericht“ vom 26. August 2008, in dem ausgeführt werde, dass S wegen des Hirntumors, der noch teilweise vorhanden sei, für dauernd erwerbsunfähig gehalten werde. Andererseits befinde sich in der Kindergeldakte in Kopie noch ein Rentenbescheid vom 25. September 2008, der nachweise, dass dem Sohn wegen seiner Behinderung nach den gesetzlichen Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen würden, nämlich ein „Bescheid über die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ mit dem von Dezember 2005 bis September 2009 entsprechende Leistungen bewilligt worden seien. Das Gesundheitsamt habe zudem mit Schreiben vom 12. März 2009 mitgeteilt, dass bei dem Kind aus Krankheitsgründen (auch) für die Kalenderjahre 2008 und 2009 eine durchgängige Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Die Familienkasse habe sich weder im Einspruchsverfahren noch im Klageverfahren mit den genannten Unterlagen befasst. Im Klageverfahren sei lediglich beanstandet worden, dass das Schreiben des Gesundheitsamtes vom 12. März 2009 keine Aussage zu einer etwaigen Behinderung des Kindes enthalte. Dabei sei jedoch verkannt worden, dass weitere Nachweise vorgelegen hätten und dass eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung des „ärztlichen Befundberichts“ und des Rentenbescheides hätte erfolgen müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.02.2011
Quelle: Finanzgericht Rheinland-Pfalz/ra-online
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