03.12.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil09.09.2010

EuGH: Einfrieren von Geldern von Al-Aqsa im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus nicht zulässigFinanzielle Sanktionen gegenüber Al-Aqsa dürfen nicht weiter aufrecht­er­halten werden

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erklärte mehrere Rechtsakte des Rates für nichtig, mit denen im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus das Einfrieren von Geldern der Stichting Al-Aqsa angeordnet wurden. Da die nationale Entscheidung, die die Grundlage für diese Maßnahmen gebildet hatte, aufgehoben worden war, durfte der Rat finanzielle Sanktionen gegenüber Al-Aqsa nicht weiter aufrecht­er­halten.

Zur Durchführung einer Resolution des Sicherheitsrats der UNO nahm der Rat einen Gemeinsamen Standpunkt an und erließ eine Verordnung, in denen das Einfrieren der Gelder von Personen und Organisationen angeordnet wurde, die in einer regelmäßig aktualisierten Liste genannt sind. Die Aufnahme in dieser Liste hat auf der Grundlage des Beschlusses zu erfolgen, den eine zuständige nationale Behörde, in der Regel eine Justizbehörde, gegenüber Personen oder Organisationen gefasst hat, die in terroristische Aktivitäten verwickelt sind.

Von Stiftung vorgenommene Geldtransfers vermutlich für Terro­r­or­ga­ni­sa­tionen bestimmt

Am 3. April 2003 erließ der niederländische Außenminister die Sanctieregeling terrorisme 2003 (Minis­te­ri­a­lerlass über Sanktionen auf dem Gebiet des Terrorismus), mit der alle Gelder und sonstigen finanziellen Vermögenswerte der Stichting Al-Aqsa, einer Stiftung nieder­län­dischen Rechts, die sich selbst als eine islamische Einrichtung für Sozia­l­für­sor­ge­leis­tungen beschreibt und verschiedene Organisationen in Israel, im Westjordanland und im Gaza-Streifen finanziell unterstützt, um bei humanitären Notsituationen Abhilfe zu schaffen, mit der Begründung eingefroren wurden, dass von dieser Stiftung vorgenommene Geldtransfers für Organisationen bestimmt seien, die - wie die Hamas - den Terrorismus im Mittleren Osten unterstützten. Ein auf die Aussetzung der Sanctieregeling gerichteter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde vom zuständigen nationalen Gericht zurückgewiesen.

Rat nimmt Al-Aqsa in Liste auf

Mit Beschluss vom 27. Juni 2003 aktualisierte der Rat die Liste und nahm u. a. die Stichting Al-Aqsa in die Liste auf. Am 3. August 2003, beinahe sogleich nach Erlass dieser gemein­schaft­lichen Entscheidung, wurde die Sanctieregeling aufgehoben. Mit Urteil vom 11. Juli 2007 erklärte das Gericht auf Antrag von Al-Aqsa den Beschluss des Rates vom 27. Juni 2003 sowie mehrere Folgebeschlüsse zur Aktualisierung der Liste im Wesentlichen deshalb für nichtig, weil sie nicht angemessen begründet waren. Zwischen­zeitlich hatte der Rat am 28. Juni 2007 einen neuen Beschluss erlassen, mit dem die Liste aktualisiert und Al-Aqsa in sie aufgenommen wurde. Im Zuge des Erlasses dieses Beschlusses lieferte der Rat den betroffenen Personen und Vereinigungen eine Begründung für ihre Aufnahme in die Liste. Hinsichtlich der Aufnahme von Al-Aqsa berief sich der Rat auf die Sanctieregeling und das Urteil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als einen von einer zuständigen nationalen Behörde gefassten Beschluss, der die Aufnahme von Al-Aqsa in die Liste rechtfertige.

Al-Aqsa erhob Klage beim Gericht, um die Nichti­g­er­klärung dieses Beschlusses zu erwirken.

Al-Aqsa nach wie vor auf streitiger Liste aufgeführt

Seither hat der Rat mehrere Beschlüsse und Verordnungen zur Aktualisierung der fraglichen Liste erlassen. Al-Aqsa blieb darin immer aufgeführt. Sie passte ihre Klage an, um sie auf die Nichti­g­er­klärung auch dieser neuen Maßnahme bis zu einer im Juni 2009 erlassenen Verordnung zu richten.

Am 22. Dezember 2009 erließ der Rat eine neue Durch­füh­rungs­ver­ordnung, die Al-Aqsa auf der streitigen Liste beließ. Diese Verordnung ist noch immer in Kraft und nicht Gegenstand der vorliegenden Rechtssache.

Einfrieren der Gelder grundsätzlich gerechtfertigt

In seinem Urteil befindet das Gericht zunächst, dass das Urteil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, zusammen mit der Sanctieregeling betrachtet, als Beschluss einer zuständigen nationalen Behörde erscheint, der grundsätzlich geeignet ist, den Erlass einer Maßnahme des Einfrierens von Geldern auf Gemein­schaft­sebene zu rechtfertigen.

Es weist jedoch darauf hin, dass die Überprüfung, ob ein Beschluss einer zuständigen nationalen Behörde vorliegt, eine wesentliche Voraussetzung für den Erlass eines gemein­schaft­lichen Ausgangs­be­schlusses über das Einfrieren von Geldern ist, während die Überprüfung der weiteren Entwicklung hinsichtlich dieses Beschlusses auf nationaler Ebene für den Erlass eines gemein­schaft­lichen Folge­be­schlusses über die Aufrecht­er­haltung des Einfrierens von Geldern unerlässlich ist.

Rat hätte fehlenden "Substrat" feststellen müssen

In diesem Zusammenhang stellte das Gericht fest, dass seit der Aufhebung der Sanctieregeling weder diese noch das Urteil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dessen Rechtswirkungen von der Existenz der Sancieregeling abhängen, als wirksame Grundlage für eine Gemein­schafts­maßnahme des Einfrierens der Gelder von Al-Aqsa dienen kann. Der Rat hätte feststellen müssen, dass es im nationalen Recht kein "Substrat" mehr gab, das die Aufrecht­er­haltung der Gemein­schafts­maßnahme rechtlich hinreichend begründet hätte.

Gericht erklärt angefochtene Maßnahme betreffend Al-Aqsa für nichtig

Es führt ergänzend aus, dass der Rat verpflichtet ist, alle Folgemaßnahmen des Einfrierens von Geldern, durch die die angefochtenen Maßnahmen bis zur Verkündung dieses Urteils aufgehoben und ersetzt worden sind, von denselben Fehlern oder Regel­wid­rig­keiten zu befreien. Täte er dies nicht, würde der Rat seine Verpflichtung aus dem EG-Vertrag verkennen, die Maßnahmen zu treffen, die mit der Durchführung eines Urteils des Unionsrichters verbunden sind.

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ ra-online

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