18.10.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil20.02.2020

Annullierung des letzten Teilflugs: Bei einheitlicher Buchung mehrerer Teilflüge ist Ort des Startflughafens für Ausgleichs­zahlung zuständigEuGH zur gerichtlichen Zuständigkeit für Klagen auf Ausgleichs­zahlung bei Annullierung von Teilflügen

Bei Flügen, für die eine bestätigte einheitliche Buchung vorliegt und die in mehreren Teilflügen von verschiedenen Luft­fahrt­unter­nehmen ausgeführt werden, kann der wegen Annullierung des letzten Teilflugs bestehende Ausgleichs­an­spruch vor den Gerichten des Abflugorts des ersten Teilflugs geltend gemacht werden. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Im zugrunde liegenden Fall hatten zwei Fluggäste einen Flug mit Anschlussflügen gebucht, für den eine bestätigte einheitliche Buchung vorlag. Der Flug umfasste drei Teilflüge: Der erste Teilflug von Hamburg nach London wurde von dem britischen Luftfahrtunternehmen British Airways durchgeführt; die beiden übrigen, der eine von London nach Madrid und der andere von Madrid nach San Sebastian wurden von dem spanischen Luftfahrt­un­ter­nehmen Iberia durchgeführt. Der dritte Teilflug wurde annulliert, ohne dass die Fluggäste rechtzeitig informiert worden sind. Flightright, ein Unternehmen mit Sitz in Potsdam, an das die beiden Fluggäste ihre etwaigen Ausgleichs­ansprüche abgetreten hatten, hat daraufhin beim Amtsgericht Hamburg gegen Iberia Klage auf Ausgleichs­zah­lungen erhoben. Der auf der Grundlage der Fluggast­ver­ordnung* verlangte Betrag beläuft sich auf 250 Euro pro Fluggast, da die Entfernung zwischen Hamburg und San Sebastian etwa 1.433 km beträgt.

AG äußert Zweifel an Zuständigkeit

Das Amtsgericht Hamburg zweifelte an seiner Zuständigkeit für die Entscheidung über den Rechtsstreit, der den annullierten Teilflug betrifft, da der Abflug- und der Ankunftsort dieses Teilflugs, nämlich Madrid bzw. San Sebastian, jeweils außerhalb seiner Zuständigkeit liegt. Diese Frage erfordert die Auslegung der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit**. Das Amtsgericht wies darauf hin, dass der Gerichtshof in einem Urteil vom 11. Juli 2019 entschieden hatte, dass im Rahmen eines Flugs mit Anschlussflügen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, das Luftfahrt­un­ter­nehmen, das den ersten Teilflug durchgeführt hat, dessen Abflugort im Zustän­dig­keits­bereich des angerufenen Gerichts lag, im Rahmen einer auf der Grundlage der Fluggast­ver­ordnung erhobenen Klage auf Ausgleichs­zah­lungen für die Gesamtheit der Teilflüge passiv­le­gi­timiert ist. Angesichts dieses Urteils fragte sich das Amtsgericht Hamburg, ob auch das Luftfahrt­un­ter­nehmen, das mit dem letzten Teilflug eines solchen Flugs beauftragt ist (Iberia), auf dieser Grundlage auf Ausgleichs­zah­lungen bei ihm verklagt werden kann.

Klagen auf Ausgleichs­zah­lungen wegen Annullierung des letzten Teilflugs können bei Gerichten des Abflugorts des ersten Teilflugs erhoben werden

Der Gerichtshof der Europäischen Union entschied, dass die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit dahin auszulegen ist, dass bei Flügen, für die eine bestätigte einheitliche Buchung vorliegt und die in mehreren Teilflügen von zwei verschiedenen Luftfahrt­un­ter­nehmen ausgeführt werden, Klagen auf Ausgleichs­zah­lungen wegen Annullierung des letzten Teilflugs bei den Gerichten des Abflugorts des ersten Teilflugs erhoben werden können, selbst wenn sie sich gegen das mit dem letzten Teilflug beauftragte Luftfahrt­un­ter­nehmen richten.

Abflugort des ersten Teilflugs kann Erfüllungsort sein

Nach Auffassung des Gerichtshofs ist bei einem Vertrag über eine Beförderung im Luftverkehr, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet ist, das Luftfahrt­un­ter­nehmen verpflichtet, einen Fluggast von A nach D zu befördern. Daher kann bei einem Flug mit Anschlussflügen, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung gekennzeichnet ist und mehrere Teilflüge umfasst, der Abflugort des ersten Teilflugs als einer der Orte, an denen die Dienst­leis­tungen, die Gegenstand eines Beför­de­rungs­vertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden, der Erfüllungsort dieses Flugs im Sinne der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit sein. Der Gerichtshof stellte fest, dass das Kriterium des Abflugorts des ersten Teilflugs sowohl dem Erfordernis der Nähe zwischen dem Beför­de­rungs­vertrag im Luftverkehr und dem zuständigen Gericht als auch dem Grundsatz der Vorher­seh­barkeit genügt, die in der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit festgelegt sind. Dadurch kann sowohl der Kläger als auch der Beklagte das Gericht an dem im Beför­de­rungs­vertrag festgelegten Abflugort des ersten Teilflugs als Gericht ausmachen, bei dem eine Klage erhoben werden kann.

Hinsichtlich der Möglichkeit, das mit dem letzten Teilflug beauftragte Luftfahrt­un­ter­nehmen (Iberia) bei dem Gericht zu verklagen, in dessen Zustän­dig­keits­bereich (Hamburg) der Abflugort des ersten Teilflugs liegt, stellte der Gerichtshof fest, dass bei einem Luftfahrt­un­ter­nehmen, das in keiner Vertrags­be­ziehung mit dem Fluggast steht, davon ausgegangen wird, dass es im Namen der Person handelt, die den Vertrag abgeschlossen hat und Verpflichtungen erfüllt, die ihren Ursprung im Luftver­kehrs­vertrag haben.

Erläuterungen
* Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste im Fall der Nicht­be­för­derung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

** Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online (pm/kg)

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