21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil11.07.2019

Flugreisende haben auch bei verspätetem Zwischenstopp im Drittstaat Anspruch auf EntschädigungGebuchte Flugreise mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen ist als Gesamtheit zu betrachten

Buchen Reisende eine Flugverbindung von einem Mitgliedstaat in einen Drittstaat mit Umsteigen in einem anderen Drittstaat, die Gegenstand einer einzigen Buchung war, ist das Luft­fahrt­unternehmen, das den ersten Teilflug durchgeführt hat, verpflichtet, den Fluggästen einen Ausgleich zu leisten, wenn es bei der Ankunft des zweiten Teilflugs, der von einem Luft­fahrt­unternehmen von außerhalb der Gemeinschaft durchgeführt wurde, zu einer großen Verspätung gekommen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.

Elf Fluggäste nahmen bei dem tschechischen Luftfahrtunternehmen Ceské aerolinie eine einheitliche Buchung für einen Flug von Prag (Tschechische Republik) über Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) nach Bangkok (Thailand) vor. Der erste Teilflug dieses Fluges mit Umsteigen, der von Ceské aerolinie durchgeführt wurde und von Prag nach Abu Dhabi ging, wurde entsprechend dem Flugplan durchgeführt und kam pünktlich in Abu Dhabian. Dagegen war der zweite Teilflug, der im Rahmen einer Codesharing-Vereinbarung von Etihad Airways, einem Luftfahrt­un­ter­neh­menvon außerhalb der Gemeinschaft, durchgeführt wurde und von Abu Dhabi nach Bangkok ging, bei der Ankunft um 488 Minuten verspätet. Diese Verspätung von mehr als drei Stunden kann nach der Verordnung über Fluggastrechte* dazu führen, dass Fluggästen ein Anspruch auf einen Ausgleich zusteht.

Flugge­sell­schaft weist Ausgleichs­pflicht von sich

Die Fluggäste erhoben bei den tschechischen Gerichten Klage gegen Ceské aerolinie auf Leistung des in der Verordnung über Fluggastrechte vorgesehenen Ausgleichs. Ceské aerolinie stellt vor diesen Gerichten allerdings die Begründetheit der Klagen mit der Argumentation in Abrede, dass sie für die Verspätung des Fluges von Abu Dhabi nach Bangkok nicht in Haftung genommen werden könne, da dieser Flug von einem anderen Luftfahrt­un­ter­nehmen durchgeführt worden sei.

Nationales Gericht erbittet Entscheidung des EuGH

Der mit dem Rechtsstreit in zweiter Instanz befasste Mestský soud v Praze (Stadtgericht Prag, Tschechische Republik) möchte vom Gerichtshof der Europäischen Union wissen, ob Ceské aerolinie zur Zahlung des Ausgleichs nach der Verordnung über Fluggastrechte verpflichtet ist.

Gebuchter Flug mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen stellt im Hinblick auf möglichen Ausgleichs­an­spruch Gesamtheit dar

Der Gerichtshof wies in seiner Entscheidung zunächst darauf hin, dass ein Flug mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, für die Zwecke des in der Verordnung vorgesehenen Ausgleichs eine Gesamtheit darstellt (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 31.05.2018 - C-537/17 -). Damit fällt ein Flug mit Umsteigen, dessen erster Teilflug im Gebiet eines Mitgliedstaats - hier Prag - startet, in den Anwen­dungs­bereich der Verordnung, auch wenn sein zweiter Teilflug mit Abflug- und Zielort in einem Drittstaat außerhalb der Europäischen Union von einem Luftfahrt­un­ter­nehmen von außerhalb der Gemeinschaft durchgeführt wurde.

Verpflichtung zur Leistung des Ausgleichs lastet ausschließlich auf ausführendem Luftfahrt­un­ter­nehmen des betroffenen Fluges

Zu der Frage, ob Ceské aerolinie, das Luftfahrt­un­ter­nehmen, das den ersten Teilflug des Fluges mit Umsteigen durchgeführt hat, zur Zahlung des Ausgleichs verpflichtet werden kann, der aufgrund der großen Verspätung bei der Ankunft des zweiten, von Etihad Airways durchgeführten Teilflugs geschuldet ist, stellte der Gerichtshof fest, dass nach der Verordnung für Fluggastrechte die Verpflichtung zur Leistung des Ausgleichs an die Fluggäste ausschließlich auf dem ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmen des betroffenen Fluges lastet. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass für die Einstufung eines Luftfahrt­un­ter­nehmens als ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen u. a. dargelegt werden muss, dass dieses Unternehmen den fraglichen Flug tatsächlich durchgeführt hat. Da Ceské aerolinie im Rahmen eines mit den betroffenen Fluggästen geschlossenen Beför­de­rungs­vertrags tatsächlich einen Flug durchgeführt hat, kann sie als ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen eingestuft werden.

Ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen, kann sich nicht auf mangelhafte Durchführung eines späteren, von anderem Luftfahrt­un­ter­nehmen durchgeführten Teilflugs zurückziehen

Der Gerichtshof kommt folglich zu dem Ergebnis, dass Ceské aerolinie unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache grundsätzlich für den in der Verordnung vorgesehenen Ausgleich wegen der großen Verspätung bei der Ankunft des Fluges mit Umsteigen nach Bangkok haftet, obwohl die große Verspätung auf dem Flug von Abu Dhabi nach Bangkok entstanden und Etihad Airways zuzurechnen ist. In diesem Sinne unterstrich der Gerichtshof insbesondere, dass sich ein ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen, das den ersten Teilflug eines Fluges mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen durchgeführt hat, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, nicht auf die mangelhafte Durchführung eines späteren, von einem anderen Luftfahrt­un­ter­nehmen durchgeführten Teilflugs zurückziehen kann.

Ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen kann finanziellen Ersatz von anderem Luftfahrt­un­ter­nehmen verlangen

Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Verordnung über Fluggastrechte einem ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmen, das wegen großer Verspätung eines Fluges mit Umsteigen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war und im Rahmen einer Codesharing-Vereinbarung zum Teil von einem anderen Luftfahrt­un­ter­nehmen durchgeführt wurde, Fluggästen einen Ausgleich leisten musste, das Recht vorbehält, gegen dieses andere Unternehmen vorzugehen, um Ersatz für diese finanzielle Belastung zu erhalten.

Erläuterungen

* Verordnung (EG) Nr.261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste im Fall der Nicht­be­för­derung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr.295/91 (ABl. 2004, L46, S.1).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online (pm/kg)

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