24.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil01.03.2016

Wohnsitzauflage für Personen mit subsidiärem Schutzstatus zur besseren Integration zulässigEuGH zur Erleichterung der Integration von Personen mit subsidiärem Schutzstatus

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass bei Personen mit subsidiärem Schutzstatus dann eine Wohnsitzauflage zulässig ist, wenn sie in stärkerem Maß mit Integrations­schwierigkeiten konfrontiert sind als andere Personen, die keine EU-Bürger sind und sich rechtmäßig in dem Mitgliedstaat aufhalten, der diesen Schutz gewährt hat.

Nach einer Richtlinie der Union* müssen die Mitgliedstaaten die Bewegungs­freiheit von Personen, denen sie den subsidiären Schutzstatus** zuerkannt haben, in ihrem Hoheitsgebiet unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen gestatten wie für andere Nicht-EU-Bürger, die sich rechtmäßig dort aufhalten.

Deutsches Recht sieht Wohnsitzauflage für Sozia­l­leis­tungen beziehende Personen mit subsidiärem Schutzstatus vor

Nach deutschem Recht wird die Aufent­halt­s­er­laubnis von Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die soziale Leistungen beziehen, mit der Auflage verbunden, ihren Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen (im Folgenden: Wohnsitzauflage). Diese Auflage kann zum einen auf eine angemessene Verteilung der mit der Gewährung der sozialen Leistungen verbundenen Lasten auf deren jeweilige Träger abzielen. Zum anderen kann mit ihr das Ziel verfolgt werden, die Integration von Nicht-EU-Bürgern in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern.

Bundes­ver­wal­tungs­gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH über Vereinbarkeit der Wohnsitzauflage mit EU-Richtlinie

Herr Alo und Frau Osso sind syrische Staats­an­ge­hörige, die 1998 bzw. 2001 nach Deutschland kamen. Ihnen wurde subsidiärer Schutz gewährt. Ferner wurde ihnen eine Wohnsitzauflage erteilt, die sie vor den deutschen Gerichten anfechten. Der Rechtsstreit ist nunmehr beim Bundes­ver­wal­tungs­gericht anhängig, das vom Gerichtshof der Europäischen Union wissen möchte, ob die Wohnsitzauflage mit der Richtlinie vereinbar ist.

Wohnsitzauflage stellt Einschränkung der gewährleisteten Freizügigkeit dar

Mit seinem Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Personen, denen sie den subsidiären Schutzstatus zuerkannt haben, nicht nur zu gestatten, sich in ihrem Hoheitsgebiet frei zu bewegen, sondern auch, dort ihren Wohnsitz zu wählen. Folglich stellt eine diesen Personen erteilte Wohnsitzauflage eine Einschränkung der durch die Richtlinie gewährleisteten Freizügigkeit dar. Wird diese Auflage nur Personen mit subsidiärem Schutzstatus erteilt, die soziale Leistungen beziehen, stellt sie zudem eine Einschränkung des im Unionsrecht vorgesehenen Zugangs dieser Personen zur sozialen Fürsorge dar.

Personen mit subsidiärem Schutzstatus dürfen bei Wahl des Wohnsitzes nicht strengeren Regelung unterworfen werden als andere Nicht-EU-Bürger

In diesem Zusammenhang hebt der Gerichtshof hervor, dass Personen mit subsidiärem Schutzstatus in Bezug auf die Wahl ihres Wohnsitzes grundsätzlich keiner strengeren Regelung unterworfen werden dürfen als andere Nicht-EU-Bürger, die sich rechtmäßig im betreffenden Mitgliedstaat aufhalten, und dass sie hinsichtlich des Zugangs zur Sozialhilfe grundsätzlich nicht schlechter behandelt werden dürfen als Angehörige dieses Staates.

Wohnsitzauflage für Personen mit subsidiärem Schutzstatus in bestimmten Fällen zulässig

Gleichwohl hält der Gerichtshof es für zulässig, eine Wohnsitzauflage nur Personen mit subsidiärem Schutzstatus zu erteilen, wenn diese sich im Hinblick auf das mit der fraglichen nationalen Regelung verfolgte Ziel nicht in einer Situation befinden, die mit der Situation anderer Nicht-EU-Bürger, die sich rechtmäßig in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten, oder von Angehörigen dieses Staates objektiv vergleichbar ist.

Wohnsitzauflage zur gleichmäßigen Verteilung finanzieller Belastungen steht Richtlinie entgegen

Sodann erkennt der Gerichtshof an, dass Ortsver­än­de­rungen von Empfängern sozialer Leistungen oder ihre ungleiche Konzentration im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu einer unangemessenen Verteilung der mit diesen Leistungen verbundenen finanziellen Last auf die zuständigen Träger führen können. Eine solche ungleichmäßige Lasten­ver­teilung hängt jedoch nicht speziell mit der etwaigen Eigenschaft der Leistungs­emp­fänger als Personen mit subsidiärem Schutzstatus zusammen. Unter diesen Umständen steht die Richtlinie einer Wohnsitzauflage entgegen, die allein Personen mit subsidiärem Schutzstatus erteilt wird, um eine angemessene Verteilung der mit der Gewährung der fraglichen Leistungen verbundenen Lasten zu erreichen.

Zur Förderung der Integration steht Richtlinie einer Wohnsitzauflage für Personen mit subsidiärem Schutzstatus nicht entgegen

Dagegen wird das Bundes­ver­wal­tungs­gericht zu prüfen haben, ob Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die Sozialhilfe beziehen, in stärkerem Maß mit Integra­ti­o­ns­schwie­rig­keiten konfrontiert sind als andere Nicht-EU-Bürger, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und Sozialhilfe beziehen. Sofern sich diese beiden Personengruppen im Hinblick auf das Ziel, die Integration von Nicht-EU-Bürgern in Deutschland zu erleichtern, nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, steht die Richtlinie einer Wohnsitzauflage für Personen mit subsidiärem Schutzstatus zur Förderung ihrer Integration nicht entgegen. Dies gilt auch dann, wenn die Auflage nicht für andere Nicht-EU-Bürger gilt, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten.

Erläuterungen

* Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Dritt­staats­an­ge­hörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337, S. 9).

** Der subsidiäre Schutzstatus kann Nicht-EU-Bürgern gewährt werden, die nicht als Flüchtlinge eingestuft werden, aber aus ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründen internationalen Schutz benötigen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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