Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss14.02.2017
Wohnsitzverpflichtung für Flüchtlinge ist wirksamMit Wohnsitzverpflichtung verfolgtes Ziel der Integrationsförderung verhältnismäßig
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in drei gerichtlichen Eilverfahren gegen die Städte Gelsenkirchen, Bottrop und Essen entschieden, dass die am 6. August 2016 in Kraft getretene Regelung zur gesetzlichen Wohnsitzverpflichtung für Flüchtlinge in § 12 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) wirksam und damit anwendbar ist.
Bei den Antragstellern der zugrunde liegenden Verfahren handelt es sich um nach dem 1. Januar 2016 anerkannte Flüchtlinge, die aus anderen Bundesländern nach Nordrhein-Westfalen umgezogen sind. Bis einschließlich zum 5. August 2016 war es ihnen erlaubt, im gesamten Bundesgebiet Wohnsitz zu nehmen. Durch den neugeschaffenen § 12 a Abs. 1 AufenthG werden sie nunmehr grundsätzlich - vorbehaltlich verschiedener Ausnahme- und Härtefallregelungen - verpflichtet, ihren Wohnsitz für den Zeitraum von drei Jahren nach ihrer Anerkennung in dem Bundesland zu nehmen, welchem sie zur Durchführung ihres Asylverfahrens zugewiesen worden sind.
Bei Rückwirkungsfällen gilt erhöhte Sorgfaltspflicht bei Prüfung einer Wohnsitzverpflichtung
In den drei entschiedenen Verfahren gelangte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zu dem Ergebnis, dass § 12 a Abs. 1 AufenthG zwar verfassungsrechtlichen Bedenken unterliege, weil die erst zum 6. August 2016 in Kraft getretene Norm eine sogenannte "echte" Rückwirkung auch für alle nach dem 1. Januar 2016 anerkannte Flüchtlinge entfalte, die nach ihrer asylrechtlichen Anerkennung im Einklang mit der früheren Gesetzeslage ihren Wohnsitz in ein anderes Bundesland verlegt hatten. Doch sei die Regelung in Anbetracht der weitreichenden Ausnahme- und Härtefallregelungen insbesondere in § 12 a Abs. 5 AufenthG einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Als Folge dessen bedürfe es in Rückwirkungsfällen einer erhöhten Sorgfaltspflicht bei der von der Ausländerbehörde vorzunehmenden Prüfung, ob aus Härtegründen eine Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung zu erteilt ist.
Kosten für Rück-Umzug nach Verstoß gegen Wohnsitzverpflichtung fallen nicht unter Härtefallregelung
In Fällen ohne Rückwirkung, d. h. bei nach dem 5. August 2016 umgezogenen Flüchtlingen, sei in die Härtefallprüfung vordringlich einzubeziehen, dass sich der Betroffene durch seinen Umzug unter Verstoß gegen eine bereits geltende Wohnsitzverpflichtung bewusst in diese Situation begeben habe. Gemessen an diesen Anforderungen könnten weder ein erst nach dem 5. August 2016 aufgenommener Integrations-/Sprachkurs noch die mit der Rückkehr in ein anderes Bundesland verbundenen finanziellen Aufwendungen einen Härtefall begründen. Insgesamt erweise sich das von dem Gesetzgeber mit der gesetzlichen Wohnsitzverpflichtung verfolgte Ziel der Integrationsförderung asylrechtlich betroffener Ausländergruppen als verhältnismäßig.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.06.2017
Quelle: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen/ra-online