18.10.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil04.05.2016

EU-Tabakrichtlinie ist rechtmäßigRegelungen zu Mentholverbot, Warnpflichten und E-Zigaretten nicht zu beanstanden

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die neue Richtlinie der Europäischen Union über Tabak­er­zeugnisse gültig ist. Sowohl die weitreichende Verein­heit­lichung der Packungen als auch das zukünftige Verbot von mit Menthol versetzten Zigaretten in der Union und die Sonderregelung für elektronische Zigaretten sind rechtmäßig.

Ziel der neuen Richtlinie von 2014 über Tabak­er­zeug­nisse* ist es, ausgehend von einem hohen Schutz der menschlichen Gesundheit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabak­er­zeugnisse und verwandte Erzeugnisse zu erleichtern und dabei die Verpflichtungen der Union aus dem Rahmen­über­ein­kommen der WHO zur Eindämmung des Tabak­ge­brauchs** einzuhalten. Die Richtlinie sieht u. a. ein ab dem 20. Mai 2020*** geltendes Verbot des Inver­kehr­bringens von Tabak­er­zeug­nissen mit einem charak­te­ris­tischen Aroma und die Verein­heit­lichung der Etikettierung und der Verpackung von Tabak­er­zeug­nissen vor. Sie führt zudem eine Sonderregelung für elektronische Zigaretten ein.

EuGH soll über Gültigkeit der Richtlinie entscheiden

Polen beanstandet mit Unterstützung durch Rumänien vor dem Gerichtshof das Verbot von mit Menthol versetzten Zigaretten (Rechtssache C-358/14). In zwei weiteren Rechtssachen (C-477/14 und C-547/14) befragt der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) den Gerichtshof zur Gültigkeit einer Reihe von Bestimmungen der Richtlinie über Tabak­er­zeugnisse.

Mit seinen Urteilen weist der Gerichtshof die Klage Polens ab und bestätigt die Gültigkeit der Richt­li­ni­en­be­stim­mungen, die er geprüft hat.

Verringerung der Attraktivität von Menthol-Zigaretten kann starken Tabakkonsum reduzieren

Was zunächst das Verbot von mit Menthol versetzten Zigaretten betrifft, stellt der Gerichtshof fest, dass die Tabak­er­zeugnisse mit einem charak­te­ris­tischen Aroma (sei es Menthol oder ein anderes Aroma) ähnliche objektive Eigenschaften aufweisen und ähnliche Auswirkungen auf den erstmaligen Tabakkonsum und die Aufrecht­er­haltung des Tabakgebrauchs haben. Er weist darauf hin, dass Menthol durch sein angenehmes Aroma die Tabak­er­zeugnisse attraktiver für die Verbraucher machen soll und dass die Verringerung der Attraktivität dieser Erzeugnisse dazu beitragen kann, die Prävalenz des Tabakkonsums und die Abhängigkeit sowohl unter neuen als auch unter konti­nu­ier­lichen Rauchern zu reduzieren.

Tabakrichtlinie vereinheitlicht unter­schiedliche Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass bei Erlass der Richtlinie erhebliche Unterschiede zwischen den Regelungen der Mitgliedstaaten bestanden, da einige von ihnen verschiedene Listen zulässiger oder verbotener Aromen erstellt hatten, während andere keine besonderen Vorschriften hierzu erlassen hatten. Durch das Verbot des Inver­kehr­bringens von Tabak­er­zeug­nissen mit einem charak­te­ris­tischen Aroma beugt die Richtlinie einer solchen heterogenen Entwicklung der Regelungen der Mitgliedstaaten vor. Daher erleichtert ein solches Verbot das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabak­er­zeugnisse und verwandte Erzeugnisse und ist zugleich geeignet, einen hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, sicherzustellen.

Maßnahmen Polens führen nicht zur Verringerung der Attraktivität der Tabak­ser­zeugnisse

Der Gerichtshof entscheidet außerdem, dass der Unions­ge­setzgeber in Ausübung seines weiten Ermessens ein solches Verbot verhängen durfte, da die von Polen befürworteten Maßnahmen nicht als gleich geeignet erscheinen, das verfolgte Ziel zu erreichen. Denn weder die Anhebung der Altersgrenze für den zulässigen Konsum nur für Tabak­er­zeugnisse mit einem charak­te­ris­tischen Aroma noch das Verbot des grenz­über­schrei­tenden Verkaufs von Tabak­er­zeug­nissen oder die Anbringung eines gesund­heits­be­zogenen Warnhinweises auf der Etikettierung, dass Tabak­er­zeugnisse mit einem charak­te­ris­tischen Aroma genauso schädlich für die Gesundheit wie die anderen Tabak­er­zeugnisse sind, können die Attraktivität dieser Erzeugnisse verringern und damit den Einstieg von Personen, die die festgelegte Altersgrenze überschreiten, in den Tabakkonsum verhindern. Der Gerichtshof entscheidet weiter, dass ein solches Verbot nicht gegen den Subsi­dia­ri­täts­grundsatz verstößt.

Vorschriften zu gesund­heits­be­zogenen Warnhinweisen, Form von Zigaret­ten­pa­ckungen und Mindestzahl von Zigaretten pro Packung verhältnismäßig

Was die Verein­heit­lichung der Etikettierung und der Verpackung von Tabak­er­zeug­nissen betrifft, stellt der Gerichtshof zunächst klar, dass die Mitgliedstaaten weitere Anforderungen nur in Bezug auf Aspekte der Verpackung von Tabak­er­zeug­nissen beibehalten oder einführen können, die durch diese Richtlinie nicht harmonisiert sind. Das Verbot, auf der Kennzeichnung der Packung, der Außenverpackung und dem Tabakerzeugnis selbst Elemente oder Merkmale anzubringen, die geeignet sind, ein Tabakerzeugnis zu bewerben oder zu dessen Konsum anzuregen, selbst wenn diese Elemente oder Merkmale inhaltlich zutreffen, ist zum einen geeignet, die Verbraucher vor den mit dem Tabakgebrauch verbundenen Gefahren zu schützen und geht zum anderen nicht über die Grenzen dessen hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist. Zudem sind die Regeln, die im Wesentlichen die Unversehrtheit der gesund­heits­be­zogenen Warnhinweise nach Öffnung der Packung, die Platzierung und die Mindestmaße der gesund­heits­be­zogenen Warnhinweise sowie die Form von Zigaret­ten­pa­ckungen und die Mindestzahl von Zigaretten pro Packung betreffen, verhältnismäßig.

Außerdem hat der Unions­ge­setzgeber dadurch, dass er vorgesehen hat, dass jede Packung und jede Außenverpackung gesund­heits­be­zogene Warnhinweise trägt, die aus einem textlichen Warnhinweis und einer Farbfotografie bestehen, die 65 % der äußeren Vorder- und der äußeren Rückseite der Packung einnehmen, nicht die Grenzen dessen überschritten, was geeignet und erforderlich ist.

Weniger strenge rechtliche Regelung für elektronische Zigaretten verstößt nicht gegen Grundsatz der Gleich­be­handlung

Was die Sonderregelung für elektronische Zigaretten betrifft, die u. a. eine Verpflichtung der Hersteller und Importeure, jedes Produkt, das sie auf den Markt bringen wollen, bei den nationalen Behörden anzumelden (kombiniert mit einer sechsmonatigen Still­hal­te­pflicht), besondere Warnhinweise, einen zulässigen Höchstgehalt an Nikotin von 20 mg/ml, eine Verpflichtung, einen Beipackzettel beizufügen, ein besonderes Verbot von Werbung und Sponsoring sowie Verpflichtungen zur Erstattung jährlicher Berichte, vorsieht, weist der Gerichtshof darauf hin, dass elektronische Zigaretten andere objektive Merkmale aufweisen als Tabak­er­zeugnisse. Daher hat der Unions­ge­setzgeber dadurch, dass er für elektronische Zigaretten eine andere und im Übrigen weniger strenge rechtliche Regelung als für Tabak­er­zeugnisse vorgesehen hat, nicht gegen den Grundsatz der Gleich­be­handlung verstoßen.

Richtlinie soll Umgehung der Konfor­mi­täts­vor­schriften verhindern

Zudem sind angesichts des wachsenden Marktes für elektronische Zigaretten und Nachfüll­be­hälter die nationalen Vorschriften über die Anforderungen, denen diese Produkte entsprechen müssen, ohne eine unionsweite Harmonisierung von Natur aus geeignet, den freien Warenverkehr zu behindern. Indem die Richtlinie es den Mitgliedstaaten erlaubt, den grenz­über­schrei­tenden Verkauf von elektronischen Zigaretten und Nachfüll­be­hältern im Fernabsatz zu verbieten, und den Mitgliedstaaten, die ihn nicht verbieten, bestimmte gemeinsame Regelungen aufgibt, ermöglicht sie es den Mitgliedstaaten, eine Umgehung der Konfor­mi­täts­vor­schriften zu verhindern.

Anmeldepflicht für elektronische Zigaretten nicht zu beanstanden

Aufgrund der erwiesenen und potenziellen Risiken des Gebrauchs von elektronischen Zigaretten war der Unions­ge­setzgeber veranlasst, entsprechend den Anforderungen, die sich aus dem Vorsorgeprinzip ergeben, tätig zu werden. Insoweit ist die Anmeldepflicht für elektronische Zigaretten nicht offensichtlich ungeeignet bzw. geht nicht offensichtlich über das hinaus, was zur Erreichung des vom Unions­ge­setzgeber angestrebten Ziels erforderlich ist. Darüber hinaus weist der Gerichtshof das Argument zurück, dass die Verpflichtung der Hersteller und Importeure von elektronischen Zigaretten und Nachfüll­be­hältern, den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten jährlich bestimmte Informationen vorzulegen, die es ihnen ermöglichen, die Entwicklung des Markts zu überwachen, gegen die Grundsätze der Verhält­nis­mä­ßigkeit und der Rechts­si­cherheit verstoße. Ebenso wenig hat der Gesetzgeber willkürlich gehandelt oder offensichtlich die Grenzen dessen überschritten, was zur Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Ziels geeignet und erforderlich war, als er den zulässigen Höchstgehalt an Nikotin der Flüssigkeit elektronischer Zigaretten auf 20 mg/ml festgelegt hat.

Beipackzettel und Werbeverbot für E-Zigaretten nicht unver­hält­nismäßig

Es ist auch nicht unver­hält­nismäßig, für Packungen mit elektronischen Zigaretten und Nachfüll­be­hälter einen gesonderten Beipackzettel vorzuschreiben, und ebenso wenig, Werbung und Sponsoring für elektronische Zigaretten und Nachfüll­be­hälter im Wesentlichen zu verbieten. Außerdem berührt das den Wirtschafts­teil­nehmern auferlegte Verbot, ihre Produkte zu bewerben, nicht den Wesensgehalt der unter­neh­me­rischen Freiheit und des Eigentumsrechts, die durch die Charta der Grundrechte der Union anerkannt sind.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die Sonderregelung für elektronische Zigaretten nicht gegen das Subsi­dia­ri­täts­prinzip verstößt.

Erläuterungen
* Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabak­er­zeug­nissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. L 127, S. 1).

** Rahmen­über­ein­kommen der Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs, am 21. Mai 2003 in Genf unterzeichnet.

*** Dieses Verbot wird für Tabak­er­zeugnisse mit einem besonderen charak­te­ris­tischen Aroma gelten, deren unionsweite Verkaufsmengen 3 % oder mehr einer bestimmten Erzeug­nis­ka­tegorie darstellen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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