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Bundesgerichtshof Urteil23.12.2015

BGH bestätigt Verurteilung wegen unerlaubten Handelns mit nikotinhaltigen E-ZigarettenSchutz der Gesundheit der Verbraucher und Verhinderung von Fehlgebrauch durch Jugendliche rechtfertigt Eingriff in Berufs­ausübungs­freiheit

Der Bundes­ge­richtshof hat die Verurteilung eines Ladenbesitzers wegen unerlaubten Inver­kehr­bringens von Tabak­er­zeug­nissen durch den Vertrieb nikotinhaltiger Verbrauchsstoffe für elektronische Zigaretten bestätigt.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Landgericht Frankfurt am Main hatte den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Inver­kehr­bringens von Tabak­er­zeug­nissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Inver­kehr­bringen von Tabak­er­zeug­nissen, die zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt sind, zu einer Geldstrafe verurteilt.

Hintergrund

Nach den Feststellungen des Landgerichts vertrieb der Angeklagte seit Ende des Jahres 2008 elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) und die dazugehörigen Verbrauchsstoffe (Liquids), die er über Zwischenhändler aus China und den Niederlanden bezog. Im Februar 2012 wurden bei dem Angeklagten etwa 15.000 nikotinhaltige Liquids sichergestellt, die zum Verkauf bestimmt waren.

Angeklagte verfügte nicht über Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Inver­kehr­bringen von Tabak­er­zeug­nissen

Das Landgericht hat die von dem Angeklagten vertriebenen Verbrauchsstoffe für E-Zigaretten als Tabakprodukte im Sinne des § 3 Abs. 1 Vorläufiges Tabakgesetz (VTabakG) eingestuft. Da der Angeklagte über keine Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Inver­kehr­bringen von Tabak­er­zeug­nissen verfügte und die sicher­ge­stellten Liquids die Stoffe Glycerin, Propylenglycol und Ethanol enthielten, die für die Herstellung von Tabak­er­zeug­nissen nicht (allgemein) zugelassen sind, hat das Landgericht den Straftatbestand des § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG als erfüllt angesehen.

Angebotene Verbrauchsstoffe wurden nicht als Mittel zur Rauchentwöhnung vertrieben

Der Bundes­ge­richtshof verwarf die Revision des Angeklagten als unbegründet. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main ist damit rechtskräftig. Nach der Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs stellen die angebotenen Verbrauchsstoffe zwar keine Arzneimittel dar, weil sie unabhängig von einem therapeutischen Nutzen für die Rauchentwöhnung gesund­heits­schädlich sind und der Angeklagte die Verbrauchsstoffe auch nicht als Mittel zur Rauchentwöhnung vertrieben hat. Bei den Verbrauchss­toffen, die aus Rohtabak gewonnenes Nikotin in unter­schied­lichen Konzentrationen enthielten, handelt es sich jedoch um Tabak­er­zeugnisse zum anderweitigen oralen Gebrauch (§ 3 Abs. 1 VTabakG).

Straftatbestand ausreichend begründet

Nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs ist die Strafvorschrift des § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG verfas­sungs­konform. Der Straftatbestand ist im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG hinreichend bestimmt. Der Eingriff in die Berufs­aus­übungs­freiheit (Art. 12 GG) wird durch den gesetz­ge­be­rischen Zweck, die Gesundheit der Verbraucher zu schützen und einen Fehlgebrauch durch Minderjährige zu verhindern, gerechtfertigt. Damit bestehen zugleich sachliche Gründe für eine im Vergleich zu Tabakzigaretten abweichende rechtliche Behandlung von Verbrauchss­toffen, die zur Verwendung in E-Zigaretten bestimmt sind. Der Straftatbestand verstößt daher auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

§ 3 Abs. 1 VTabakG lautet wie folgt:

Erläuterungen
Tabak­er­zeugnisse im Sinne dieses Gesetzes sind aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind.

§ 20 VTabakG lautet auszugsweise:

Absatz 1:

Es ist verboten,

1. bei dem gewerbsmäßigen Herstellen von Tabak­er­zeug­nissen, die dazu bestimmt sind, in den Verkehr gebracht zu werden, Stoffe zu verwenden, die nicht zugelassen sind;

2. Tabak­er­zeugnisse gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, die entgegen dem Verbot der Nummer 1 hergestellt sind oder einer nach Absatz 3 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchstabe a erlassenen Rechts­ver­ordnung nicht entsprechen;

[...]

§ 21 VTabakG lautet auszugsweise:

Absatz 1:

Das Bundes­mi­nis­terium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundes­mi­nis­terium für Wirtschaft und Energie durch Rechts­ver­ordnung mit Zustimmung des Bundesrates,

1. soweit es zum Schutz des Verbrauchers oder im Falle des Buchstabens f auch Dritter vor Gesund­heits­schäden erforderlich ist,

[...]

g) das Inver­kehr­bringen von Tabak­er­zeug­nissen, die zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt sind, zu verbieten [...]

§ 52 VTabakG lautet auszugsweise:

Absatz 1:

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer [...]

Absatz 2:

Ebenso wird bestraft, wer

1. entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 bei dem Herstellen von Tabak­er­zeug­nissen nicht zugelassene Stoffe verwendet, einer nach § 20 Abs. 3 oder einer nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis c oder g oder nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b oder c erlassenen Rechts­ver­ordnung zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist, oder Tabak­er­zeugnisse entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 2 oder § 21 Abs. 2 oder Stoffe entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 3 in den Verkehr bringt [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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