Dokument-Nr. 21715
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- NStZ 2015, 481Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2015, Seite: 481
- Landgericht Ravensburg, Beschluss03.12.2014
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss27.01.2015
Nutzung einer E-Zigarette durch Strafgefangenen kann aufgrund Missbrauchsgefahr untersagt werdenGesundheitsschutz rechtfertigt angesichts der ungeklärten Risiken nicht Nutzung einer E-Zigarette
Einem Strafgefangenen kann die Nutzung einer E-Zigarette im Haftraum untersagt werden, wenn die Justizvollzugsanstalt konkrete Missbrauchsrisiken benennt. Der Strafgefangene kann die Zulassung der E-Zigarette nicht mit dem Hinweis auf den Gesundheitsschutz verlangen, da die gesundheitlichen Risiken durch die Nutzung einer E-Zigarette nicht geklärt sind. Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2014 beantragte ein Strafgefangene bei der Justizvollzugsanstalt die Genehmigung einer E-Zigarette. Dieser Antrag wurde mit dem Hinweis auf eventuell bestehende Missbrauchsrisiken abgelehnt. Der Strafgefangene behauptete jedoch die E-Zigarette zum Abgewöhnen des Rauchens zu benötigen. Er ging daher gerichtlich gegen den Ablehnungsbescheid vor. Das Landgericht Ravensburg wies den Antrag auf Zulassung der E-Zigarette ebenfalls zurück. Dagegen richtete sich die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen.
Kein Anspruch auf Zulassung der E-Zigarette nach § 25 Abs. 1 JVollzGB I BW
Das Oberlandesgericht Stuttgart führte zum Fall zunächst aus, dass dem Strafgefangenen nicht nach § 25 Abs. 1 des Ersten Justizvollzugsgesetzbuches Baden-Württemberg (JVollzGB I BW) ein Anspruch auf Zulassung der E-Zigarette zugestanden habe. Nach dieser Vorschrift sei lediglich das Rauchen gestattet. Davon umfasst sei nicht die Nutzung einer E-Zigarette.
Keine entsprechende Anwendung des § 25 Abs. 1 JVollzGB I BW
Die Vorschrift des § 25 Abs. 1 JVollzGB I BW sei auch nicht entsprechend anzuwenden, so das Oberlandesgericht weiter. Denn dies hätte vorausgesetzt, dass die Nutzung einer E-Zigarette im Vergleich zu Rauchen mit eindeutig geringeren Gesundheitsgefahren verbunden sei und dass keine erheblichen Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Justizvollzugs entstehen. Beides sei hier nicht der Fall gewesen. So enthalten die Liquids je nach Art und Hersteller unterschiedliche Bestandteile, die Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen können. Zudem haben sich aus den Geräten und den zu ihrem Betrieb erforderlichen Ladegeräten oder Akkumulatoren potentielle Missbrauchsmöglichkeiten ergeben. Darüber hinaus seien die gesundheitlichen Risiken der E-Zigarette zurzeit ungeklärt.
Kein Recht zum Besitz der E-Zigarette unter Gesichtspunkt medizinischer Versorgung
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts habe sich ein Recht zum Besitz einer E-Zigarette nicht aus § 33 des Dritten Justizvollzugsgesetzbuches Baden-Württemberg (JVollzGB III BW) ergeben. Denn die Nutzung einer solchen Zigarette sei nicht als medizinische Versorgung anzusehen. Die nikotinhaltigen Liquids seien keine Arzneimittel und E-Zigaretten keine Medizinprodukte. Ohnehin stehen selbst Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung kein Anspruch aus Versorgung mit Arzneimitteln zu Raucherentwöhnung zu.
Mögliche Missbrauchsgefahr kann Untersagung der E-Zigarette rechtfertigen
Das Oberlandesgericht verwies schließlich darauf, dass ein Strafgefangener ein Gegenstand zur Freizeitbeschäftigung, wie etwa eine E-Zigarette, besitzen dürfe, wenn dadurch nicht die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährdet werde (§ 58 Abs. 2 Nr. 2 JVollzGB III BW). Die Justizvollzugsanstalt müsse das von dem Gegenstand ausgehende Gefahrenpotential sowie das Ausmaß eines eventuell notwendig werdenden zusätzlichen Kontrollaufwands prüfen. Dem sei die Justizvollzugsanstalt jedoch nicht nachgekommen. Es sei nicht näher begründet worden, welche Missbrauchsrisiken mit der Nutzung einer E-Zigarette gerade in Bezug auf den Strafgefangenen bestehen. Die Justizvollzugsanstalt habe sich insbesondere nicht mit den verschiedenen Varianten von E-Zigaretten sowie den dazugehörigen Ladegeräten und den sich daraus ergebenden Missbrauchsrisiken auseinandergesetzt. Es sei daher offen, ob einem eventuellen Missbrauchsrisiko nicht durch zumutbare organisatorische Maßnahmen begegnet werden könne. Die Justizvollzugsanstalt habe somit erneut über den Antrag des Strafgefangenen entscheiden müssen.
Berücksichtigung gesundheitlicher Interessen der Strafgefangenen
Im Rahmen der Prüfung der Genehmigung von Freizeitgegenständen müssen zwar auch die gesundheitlichen Interessen der Strafgefangenen berücksichtigt werden. Da jedoch die gesundheitlichen Nutzen einer E-Zigarette ungeklärt seien, könne sich der Strafgefangene nicht auf gesundheitliche Belange stützen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.10.2015
Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart, ra-online (vt/rb)
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