18.10.2024
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Dokument-Nr. 21715

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Beschluss27.01.2015Oberlandesgericht Stuttgart4 Ws 472/14 (V)
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NStZ 2015, 481Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2015, Seite: 481
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Vorinstanz:
  • Landgericht Ravensburg, Beschluss03.12.2014
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss27.01.2015

Nutzung einer E-Zigarette durch Strafgefangenen kann aufgrund Missbrauchs­gefahr untersagt werdenGesund­heits­schutz rechtfertigt angesichts der ungeklärten Risiken nicht Nutzung einer E-Zigarette

Einem Strafgefangenen kann die Nutzung einer E-Zigarette im Haftraum untersagt werden, wenn die Justiz­vollzugs­anstalt konkrete Missbrauchs­risiken benennt. Der Strafgefangene kann die Zulassung der E-Zigarette nicht mit dem Hinweis auf den Gesund­heits­schutz verlangen, da die gesund­heit­lichen Risiken durch die Nutzung einer E-Zigarette nicht geklärt sind. Dies hat das Oberlan­des­gericht Stuttgart entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2014 beantragte ein Strafgefangene bei der Justiz­voll­zugs­anstalt die Genehmigung einer E-Zigarette. Dieser Antrag wurde mit dem Hinweis auf eventuell bestehende Missbrauchs­risiken abgelehnt. Der Strafgefangene behauptete jedoch die E-Zigarette zum Abgewöhnen des Rauchens zu benötigen. Er ging daher gerichtlich gegen den Ableh­nungs­be­scheid vor. Das Landgericht Ravensburg wies den Antrag auf Zulassung der E-Zigarette ebenfalls zurück. Dagegen richtete sich die Rechts­be­schwerde des Strafgefangenen.

Kein Anspruch auf Zulassung der E-Zigarette nach § 25 Abs. 1 JVollzGB I BW

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart führte zum Fall zunächst aus, dass dem Strafgefangenen nicht nach § 25 Abs. 1 des Ersten Justiz­voll­zugs­ge­setz­buches Baden-Württemberg (JVollzGB I BW) ein Anspruch auf Zulassung der E-Zigarette zugestanden habe. Nach dieser Vorschrift sei lediglich das Rauchen gestattet. Davon umfasst sei nicht die Nutzung einer E-Zigarette.

Keine entsprechende Anwendung des § 25 Abs. 1 JVollzGB I BW

Die Vorschrift des § 25 Abs. 1 JVollzGB I BW sei auch nicht entsprechend anzuwenden, so das Oberlan­des­gericht weiter. Denn dies hätte vorausgesetzt, dass die Nutzung einer E-Zigarette im Vergleich zu Rauchen mit eindeutig geringeren Gesund­heits­ge­fahren verbunden sei und dass keine erheblichen Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Justizvollzugs entstehen. Beides sei hier nicht der Fall gewesen. So enthalten die Liquids je nach Art und Hersteller unter­schiedliche Bestandteile, die Missbrauchs­mög­lich­keiten eröffnen können. Zudem haben sich aus den Geräten und den zu ihrem Betrieb erforderlichen Ladegeräten oder Akkumulatoren potentielle Missbrauchs­mög­lich­keiten ergeben. Darüber hinaus seien die gesund­heit­lichen Risiken der E-Zigarette zurzeit ungeklärt.

Kein Recht zum Besitz der E-Zigarette unter Gesichtspunkt medizinischer Versorgung

Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts habe sich ein Recht zum Besitz einer E-Zigarette nicht aus § 33 des Dritten Justiz­voll­zugs­ge­setz­buches Baden-Württemberg (JVollzGB III BW) ergeben. Denn die Nutzung einer solchen Zigarette sei nicht als medizinische Versorgung anzusehen. Die nikotinhaltigen Liquids seien keine Arzneimittel und E-Zigaretten keine Medizinprodukte. Ohnehin stehen selbst Versicherten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung kein Anspruch aus Versorgung mit Arzneimitteln zu Raucher­ent­wöhnung zu.

Mögliche Missbrauchs­gefahr kann Untersagung der E-Zigarette rechtfertigen

Das Oberlan­des­gericht verwies schließlich darauf, dass ein Strafgefangener ein Gegenstand zur Freizeit­be­schäf­tigung, wie etwa eine E-Zigarette, besitzen dürfe, wenn dadurch nicht die Sicherheit oder Ordnung der Justiz­voll­zugs­anstalt gefährdet werde (§ 58 Abs. 2 Nr. 2 JVollzGB III BW). Die Justiz­voll­zugs­anstalt müsse das von dem Gegenstand ausgehende Gefah­ren­po­tential sowie das Ausmaß eines eventuell notwendig werdenden zusätzlichen Kontrol­l­aufwands prüfen. Dem sei die Justiz­voll­zugs­anstalt jedoch nicht nachgekommen. Es sei nicht näher begründet worden, welche Missbrauchs­risiken mit der Nutzung einer E-Zigarette gerade in Bezug auf den Strafgefangenen bestehen. Die Justiz­voll­zugs­anstalt habe sich insbesondere nicht mit den verschiedenen Varianten von E-Zigaretten sowie den dazugehörigen Ladegeräten und den sich daraus ergebenden Missbrauchs­risiken ausein­an­der­gesetzt. Es sei daher offen, ob einem eventuellen Missbrauchs­risiko nicht durch zumutbare organi­sa­to­rische Maßnahmen begegnet werden könne. Die Justiz­voll­zugs­anstalt habe somit erneut über den Antrag des Strafgefangenen entscheiden müssen.

Berück­sich­tigung gesund­heit­licher Interessen der Strafgefangenen

Im Rahmen der Prüfung der Genehmigung von Freizeit­ge­gen­ständen müssen zwar auch die gesund­heit­lichen Interessen der Strafgefangenen berücksichtigt werden. Da jedoch die gesund­heit­lichen Nutzen einer E-Zigarette ungeklärt seien, könne sich der Strafgefangene nicht auf gesundheitliche Belange stützen.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart, ra-online (vt/rb)

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