18.10.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil07.09.2016

Verkauf von Computern mit vorin­sta­l­lierter Software stellt keine unlautere Geschäftspraxis darAuch fehlende Preisangabe für vorinstallierte Programme ist nicht als irreführend anzusehen

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass der Verkauf eines Computers mit vorin­sta­l­lierter Software an sich keine unlautere Geschäftspraxis darstellt. Ferner ist das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen vorin­sta­l­lierten Programme keine irreführende Geschäftspraxis.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2008 kaufte Herr Vincent Deroo-Blanquart in Frankreich einen Laptop der Marke Sony mit vorin­sta­l­lierter Software (Betriebssystem Microsoft Windows Vista und verschiedene Softwa­re­an­wen­dungen). Bei der ersten Nutzung dieses Computers lehnte Herr Deroo-Blanquart es ab, den "Endbenutzer-Lizenzvertrag" (EULA) des Betriebssystems zu unterzeichnen, und verlangte von Sony die Erstattung des den Kosten der vorin­sta­l­lierten Software entsprechenden Teils des Kaufpreises. Sony lehnte dies ab, schlug Herrn Deroo-Blanquart aber vor, den Verkauf für ungültig zu erklären und ihm den vollständigen Kaufpreis, d. h. 549 Euro, gegen Rückgabe der gekauften Ware zu erstatten.

Käufer verlangt pauschalen Entschädigung für vorinstallierte Software sowie Schadensersatz wegen unlauterer Geschäftspraxis

Herr Deroo-Blanquart lehnte dieses Angebot ab und verklagte Sony auf Zahlung einer pauschalen Entschädigung für die vorinstallierte Software in Höhe von 450 Euro sowie von Schadensersatz wegen unlauterer Geschäft­s­praktiken in Höhe von 2.500 Euro. Nach einer Unions­richt­linie* sind unlautere Geschäft­s­praktiken, die das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher ändern und den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalts­pflicht widersprechen, wie insbesondere irreführende und aggressive Geschäft­s­praktiken, verboten.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH über mögliche unlautere oder irreführende Geschäftspraxis

Der französische Kassa­ti­o­ns­ge­richtshof, bei dem diese Klage anhängig ist, möchte vom Gerichtshof der Europäischen Union zum einen wissen, ob eine Geschäftspraxis, die im Verkauf eines Computers mit vorin­sta­l­lierter Software besteht, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, dasselbe Computermodell ohne vorinstallierte Software zu beziehen, eine unlautere Geschäftspraxis darstellt, und zum anderen, ob im Rahmen eines Kopplungs­an­gebots in Form des Verkaufs eines Computers mit vorin­sta­l­lierter Software das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen Programme eine irreführende Geschäftspraxis darstellt.

Verkauf von Computern mit vorin­sta­l­lierter Software stellt an sich keine unlautere Geschäftspraxis dar

In seinem Urteil beantwortet der Gerichtshof die erste Frage dahin, dass der Verkauf eines Computers mit vorin­sta­l­lierter Software an sich keine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie 2005/29 darstellt, wenn ein solches Angebot nicht den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalts­pflicht widerspricht und das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher nicht beeinflusst. Es ist Sache des nationalen Gerichts, dies unter Berück­sich­tigung der konkreten Umstände der Rechtssache zu beurteilen.

Sony erfüllt durch Verkauf von Computern mit vorin­sta­l­lierter Software Erwartungen eines wesentlichen Teils der Verbraucher

So weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass der Verkauf derartiger bereits ausgestatteter Computer geeignet ist, den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalts­pflicht zu entsprechen, da erstens der Verkauf von Computern mit vorin­sta­l­lierter Software durch Sony die Erwartungen eines wesentlichen Teils der Verbraucher erfüllt, die den Erwerb eines so ausgestatteten und sofort nutzbaren Computers dem getrennten Kauf von Computer und Software vorziehen, zweitens Herr Deroo-Blanquart von dem Sony-Händler vor dem Computerkauf über die vorinstallierte Software und die genauen Merkmale dieser einzelnen Anwendungen gebührend informiert wurde und drittens Sony Herrn Deroo-Blanquart nach dem Kauf bei der ersten Nutzung des Computers die Möglichkeit gegeben hat, den EULA zu unterzeichnen oder den Kauf zu widerrufen. Es ist wiederum Sache des nationalen Gerichts, dies zu prüfen.

Übermittlung besonderer Vertrags­be­din­gungen vor Vertragsschluss für Verbraucher von grundlegender Bedeutung

Der Gerichtshof stellt fest, dass die vor Abschluss eines Vertrags über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertrags­schlusses übermittelten Informationen für die Verbraucher von grundlegender Bedeutung sind. Das nationale Gericht hat zu klären, ob die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt wurde, wenn er vor dem Kauf informiert wurde, dass das Computermodell nicht ohne vorinstallierte Software vertrieben wird, und er sich daher frei entscheiden konnte, ein mit ähnlichen technischen Merkmalen ausgestattetes Computermodell einer anderen Marke zu wählen, das ohne Software verkauft wird.

Fehlen einer Preisangabe stellt keine irreführende Geschäftspraxis dar

Zur zweiten Frage weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine Geschäftspraxis als irreführend gilt, wenn sie wesentliche Informationen vorenthält, die der durch­schnittliche Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ihn somit zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte. Im Rahmen eines Kopplungs­an­gebots, das im Verkauf eines Computers mit vorin­sta­l­lierter Software besteht, hält der Gerichtshof das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen Programme weder für geeignet, den Verbraucher daran zu hindern, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, noch für geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Da der Preis der einzelnen Programme somit keine wesentliche Information darstellt, kann das Fehlen einer Preisangabe keine irreführende Geschäftspraxis sein.

Erläuterungen
* Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäft­s­praktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2005, L 149, S. 22, mit Berichtigung im ABl. 2009, L 253, S. 18).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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