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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil06.07.2017
Stornierungsgebühren von Luftfahrtunternehmen Air Berlin nicht zulässigLuftfahrtunternehmen müssen zudem alle Bestandteile des zu zahlenden Endpreises gesondert auszuweisen
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die Stornierungsgebühren, die Luftfahrtunternehmen verlangen, auf Missbräuchlichkeit überprüft werden können. Zudem sind die verschiedenen Bestandteile des an die Luftfahrtunternehmen zu zahlenden Endpreises gesondert auszuweisen.
Das deutsche Luftfahrtunternehmen Air Berlin nahm in seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel auf, nach der, wenn ein Reiseteilnehmer eine Buchung für einen Flug im Spartarif storniert oder den Flug nicht antritt, von dem ihm zu erstattenden Betrag ein Bearbeitungsentgelt von 25 Euro einbehalten wird. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen ist der Auffassung, dass diese Klausel nach deutschem Recht wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden unwirksam sei. Außerdem dürfe Air Berlin für die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung kein gesondertes Entgelt verlangen. Der Bundesverband erhob daher gegen Air Berlin eine Unterlassungsklage bei den deutschen Gerichten.
Verbraucherzentrale rügt Verstoß gegen Preistransparenz
Im Rahmen dieser Klage geht der Bundesverband außerdem gegen die Praktiken von Air Berlin bei der Preisdarstellung auf ihrer Website vor. Bei einer Online-Probebuchung im Jahr 2010 stellte der Bundesverband nämlich fest, dass die ausgewiesenen Steuern und Gebühren viel niedriger waren als die tatsächlich an die betreffenden Flughäfen abzuführenden. Nach Ansicht des Bundesverbands kann diese Praxis die Verbraucher in die Irre führen und verstößt gegen die in der Unionsverordnung über die Durchführung von Luftverkehrsdiensten* vorgesehenen Regeln über die Preistransparenz.
BGH erbittet Vorabentscheidung des EuGH zur Vereinbarkeit der Preisfreiheit mit der Anwendung nationaler Regelungen
Vor diesem Hintergrund ersuchte der Bundesgerichtshof den Gerichtshof der Europäischen Union um Auslegung dieser Verordnung. Der Bundesgerichtshof ist wie der Bundesverband der Meinung, dass die Klausel über die Bearbeitungsgebühr von 25 Euro bei stornierten Buchungen der nicht angetretenen Flügen die Kunden unangemessen benachteilige und daher nach den Bestimmungen des deutschen Rechts zur Umsetzung der Unionsrichtlinie über missbräuchliche Klauseln** unwirksam sei. Der Bundesgerichtshof fragt sich jedoch, ob die den Luftfahrtunternehmen durch die Verordnung über die Durchführung von Luftverkehrsdiensten eingeräumte Preisfreiheit der Anwendung einer nationalen Regelung zur Umsetzung des Verbraucherschutzrechts der Union auf eine solche Klausel entgegensteht.
Eingeräumte Preisfreiheit muss Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Klausel nicht entgegenstehen
Mit seinem Urteil antwortete der Gerichtshof, dass die den Luftfahrtunternehmen durch die Verordnung über die Durchführung von Luftverkehrsdiensten eingeräumte Preisfreiheit dem nicht entgegensteht, dass die Anwendung einer nationalen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln zur Nichtigerklärung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen führen kann, nach der von Kunden, die eine Buchung storniert oder einen Flug nicht angetreten haben, gesonderte pauschalierte Bearbeitungsentgelte erhoben werden können.
Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass die allgemeinen Vorschriften zum Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln auch auf Luftbeförderungsverträge anwendbar sind.
Zusatzkosten dürfen auch nicht teilweise in Flugpreis einbezogen werden
Zur Preistransparenz, wie sie nach der Verordnung über die Durchführung von Luftverkehrsdiensten verlangt wird, führt der Gerichtshof aus, dass Luftfahrtunternehmen die von den Kunden für die Steuern, die Flughafengebühren und die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte geschuldeten Beträge bei der Veröffentlichung ihrer Flugpreise gesondert ausweisen müssen und sie daher nicht - auch nicht teilweise - in den Flugpreis einbeziehen dürfen.
Kunden ist immer Höhe aller auf Endpreis entfallenden Beträge mitzuteilen
Der Gerichtshof stellt fest, dass dem Kunden immer die Höhe der Beträge mitzuteilen ist, die im zu zahlenden Endpreis auf den Flugpreis, die Steuern, die Flughafengebühren und die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte als Bestandteile des Endpreises entfallen. Hätten die Luftfahrtunternehmen die Wahl, die entsprechenden Steuern, Gebühren, Zuschläge und Entgelte entweder in den Flugpreis einzubeziehen oder sie gesondert auszuweisen, würde das mit der Verordnung verfolgte Ziel der Information und Transparenz in Bezug auf die Preise nicht erreicht.
Erläuterungen
* Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 293, S. 3).
** Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.07.2017
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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