18.10.2024
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Dokument-Nr. 27922

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Bayerisches Oberstes Landesgericht Urteil01.10.2019

Nachbar muss Überbau durch Außendämmung nicht zwingend duldenKeine Pflicht zur Duldung der Außendämmung bei Möglichkeit zur Innendämmung mit vertretbarem Aufwand

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat entschieden, dass ein Nachbar den Überbau seines Grundstücks mit einer Wärmedämmung, die auf der grenzseitigen Außenwand des Nachbarhauses angebracht werden soll, nicht zu dulden hat, wenn eine alternativ in Betracht kommende Ausführung als Innendämmung mit vertretbarem Aufwand bewerkstelligt werden kann. Dies ist nach den konkreten tatsächlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, deren Feststellung dem Tatrichter im Rahmen des Parteivortrags obliegt. Mit dem vom Gesetzgeber verwendeten Begriff des Aufwands sind nicht ausschließlich die Kosten der Baumaßnahme bezeichnet.

Die Parteien des zugrunde liegenden Streitfalls sind Eigentümer benachbarter Grundstücke im Freistaat Bayern. Der Kläger wollte nachträglich an der Fassade seines Hauses außen eine Wärmedämmung mit einer Stärke von 18 cm anbringen und dafür das benachbarte Grundstück überbauen. Die Fassade steht unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Beklagten. Der Kläger behauptete, eine vergleichbare Wärmedämmung sei auf andere Weise, nämlich durch Innendämmung, nicht - schon gar nicht mit vertretbarem Aufwand - zu erreichen.

AG gibt Klage teilweise statt, LG weist Klage nach Einholung eines Sachver­stän­di­gen­gut­achten vollständig ab

Das zuständige Amtsgericht gab der Klage erstinstanzlich teilweise statt und verurteilte die beklagte Partei, die Anbringung einer Außendämmung von 5 cm Stärke zu dulden. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das Landgericht Würzburg holte auf die Berufung der Beklagten und die Anschluss­be­rufung des Klägers zu den nach der Energie­ein­spa­r­ver­ordnung (EnEV) erforderlichen Dämmmaßnahmen ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten ein und wies daraufhin unter Zurückweisung der Anschluss­be­rufung des Klägers die Klage insgesamt ab. Die Revision ließ das Landgericht zu.

BayObLG: Voraussetzungen einer Duldungspflicht liegen nicht vor

Das Bayerische Oberste Landgericht wies die Revision des Klägers zurück, da nach den rechts­feh­lerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungs­ge­richts die Voraussetzungen einer Duldungspflicht des Nachbarn gemäß Art. 46a Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (AGBGB) nicht vorliegen. Ob Art. 46a AGBGB verfas­sungsgemäß ist, hatte das Gericht nicht zu entscheiden.

Alternativen zur Außendämmung sind in jedem Einzelfall zu prüfen

Nach Art. 46a AGBGB hat der Eigentümer eines Grundstücks das Übergreifen einer Wärmedämmung, die auf der grenzseitigen Außenwand des Nachbarhauses angebracht werden soll, zu dulden, sofern die unter Art. 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AGBGB genannten Voraussetzungen gegeben sind. Eine Duldungspflicht besteht insbesondere nur, soweit und solange eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann. Dies zu beurteilen, ist eine Tatsachenfrage des jeweiligen Einzelfalls. Dabei sind in den Vergleich zwischen Aufwand für eine Außendämmung und eine Wärmedämmung auf andere Art und Weise nicht lediglich die Kosten der jeweiligen Baumaßnahme einzustellen.

Grundsätzlicher Vorrang der Außendämmung nicht gegeben

Auch die Möglichkeit einer Innendämmung ist in Betracht zu ziehen. Ein grundsätzlicher Vorrang der Außendämmung ist der landes­ge­setz­lichen Regelung nicht zu entnehmen. Ziele europäischer Richtlinien zur Energie­ef­fizienz und das in Art. 20a GG verankerte Staatsziel des Umweltschutzes gebieten einen grundsätzlichen Vorrang der Außendämmung nicht, wenn ohne Inanspruchnahme des Nachba­r­grund­stücks eine vergleichbare Dämmwirkung in vertretbarer Weise erreicht werden kann.

Grenzwerte können auch mit Innendämmung eingehalten werden

Im konkreten Fall können nach den rechts­feh­lerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungs­ge­richts die Grenzwerte der EnEV mit einer Innendämmung eingehalten werden. Das Berufungs­gericht hat berücksichtigt, dass dabei besondere Maßnahmen zur Vermeidung bauphy­si­ka­lischer Nachteile zu ergreifen sind. Den im Gesetz verwendeten Begriff des vertretbaren Aufwands, hat das Berufungs­gericht nicht verkannt.

Die maßgebliche landes­rechtliche Vorschrift lautet:

Erläuterungen

Art. 46a AGBGB

Überbau durch Wärmedämmung

(1) 1 Der Eigentümer und der Nutzungs­be­rechtigte eines Grundstücks haben zu dulden, dass die auf einer vorhandenen Grenzmauer oder Kommunmauer nachträglich aufgebrachte Wärmedämmung und sonstige mit ihr in Zusammenhang stehende untergeordnete Bauteile auf das Grundstück übergreifen, soweit und solange

1. diese die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen und eine zulässige beabsichtigte Nutzung des Grundstücks nicht behindern,

2. die übergreifenden Bauteile öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widersprechen und

3. eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann.

2 § 912 Abs. 2 und §§ 913, 914 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.

(2) Der Eigentümer und jeder Nutzungs­be­rechtigte des überbauten Grundstücks können verlangen, dass der Eigentümer des durch den Wärme­schutz­überbau begünstigten Grundstücks die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen Zustand erhält.

(3) Schaden, der dem Eigentümer oder Nutzungs­be­rech­tigten des Grundstücks durch einen Überbau nach Abs. 1 entsteht, ist von dem Veranlasser des Überbaus ohne Rücksicht auf Verschulden zu ersetzen.

Quelle: Bayerisches Oberstes Landesgericht/ra-online (pm/kg)

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