21.11.2024
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Dokument-Nr. 24347

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Urteil02.06.2017BundesgerichtshofV ZR 196/16
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Berlin-Köpenick, Urteil17.01.2014, 12 C 94/13
  • Landgericht Berlin, Urteil06.07.2016, 85 S 68/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil02.06.2017

Wärmedämmung von Neubauten darf nicht über Grund­s­tücks­grenze ragenDuldungs­verpflichtung für Nachbarn gilt nur bei Bestandsbauten und nicht bei Neubauten

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Grundstücks­eigentümer nicht nach § 16 a Abs. 1 NachbG Bln eine die Grund­s­tücks­grenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand dulden muss, mit der der benachbarte Grundstücks­eigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energie­einspar­verordnung (EnEV) erfüllt. Die Frage, ob die Vorschrift des § 16 a NachbG Bln verfas­sungsgemäß ist, ist offen geblieben.

Die Mitglieder der klagenden Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft und der Beklagte sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Berlin. Das Grundstück des Beklagten ist mit einem Reihenendhaus bebaut, das an der Grenze zum Grundstück der Wohnungs­ei­gentümer steht. An dieses Gebäude hatte ein Bauträger 2004/2005 das heute den Wohnungs­ei­gen­tümern gehörende Mehrfa­mi­li­enhaus angebaut. Die Giebelwände der Gebäude decken sich nicht vollständig, vielmehr steht diejenige des Mehrfa­mi­li­en­hauses entlang der Grundstücksgrenze 1,61 m vor. In diesem Bereich der Giebelwand brachte der Bauträger im August 2005 Dämmmaterial an, das 7 cm in das Grundstück des Beklagten hineinragt und unverputzt und nicht gestrichen ist. Nun wollen die Wohnungs­ei­gentümer Putz und Anstrich mit einer Stärke von maximal ,5 cm anbringen. Die Klägerin nimmt, u.a. gestützt auf § 16 a Abs. 1 und 3 Berliner Nachbar­rechts­gesetz (NachbG Bln), den Beklagten auf Duldung dieser Maßnahmen in Anspruch.

Das Amtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung des Beklagten wies das Landgericht die Klage ab.

Einführung der Duldungspflicht sollte lediglich energetische Sanierungen von Altbauten erleichtern

Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision der Klägerin zurück. Die Duldungspflicht nach § 16 a Abs. 1 NachbG Bln gilt nicht für eine die Grund­s­tücks­grenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grund­s­tücks­ei­gentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energie­ein­spa­r­ver­ordnung (EnEV) erfüllt. Diese Einschränkung ergibt sich aus der gebotenen Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck. Der Landes­ge­setzgeber wollte Grund­s­tücks­ei­gen­tümern nicht generell gestatten, eine Wärmedämmung grenz­über­schreitend, also im Wege des Überbaus, anzubringen. Er verfolgte vielmehr das Ziel, energetische Sanierungen von Altbauten zu erleichtern. Diese wurden bei Gebäuden, die auf der Grund­s­tücks­grenze stehen, häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärme­ver­bund­system entstehenden Überbau verweigerte oder von unver­hält­nis­mäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem sollte durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnet werden. Anders als für den Altbaubestand hat der Landes­ge­setzgeber für die Wärmedämmung von Neubauten kein Regelungs­be­dürfnis in § 16 a NachbG Bln gesehen. Er hat im Gegenteil ausgeführt, dass die Duldungs­ver­pflichtung nur bei Bestandsbauten und nicht bei Neubauten gelte, weil den Wärme­schutz­an­for­de­rungen durch eine entsprechende Planung Rechnung getragen werden könne. Für Neubauten bleibt es somit bei dem Grundsatz, dass sie so zu planen sind, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet.

Das hat der Bauträger bei Errichtung des Gebäudes 2004/2005 nicht beachtet. Er hat trotz der in der Energie­ein­spa­r­ver­ordnung (EnEV) 2001 vom 16. November 2001 (BGBl. I. 3085) geltenden Wärme­schutz­an­for­de­rungen das ungedämmte Mehrfa­mi­li­enhaus unmittelbar an die Grenze zum Grundstück des Beklagten gebaut. In dieser Situation gilt die Duldungspflicht des Nachbarn nach § 16 a Abs. 1 NachbG Bln nicht.

* § 16 a NachbG Bln Wärme­schutz­überbau der Grenzwand

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks hat die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachba­r­grundstück bereits besteht.

[...]

(3) Der Begünstigte des Wärme­schutz­überbaus muss die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funkti­o­ns­ge­rechten Zustand erhalten. Er ist zur baulichen Unterhaltung der wärmegedämmten Grenzwand verpflichtet.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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