24.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil09.12.2009

Nachbar muss ins eigene Grundstück hineinragende Isolie­rungs­maß­nahmen nicht duldenMangelnde Bauplanung des Nachbarn kann als grob fahrlässiges Handeln eingestuft werden

Ein Hausbewohner hat Anspruch auf Unterlassung, wenn sein Nachbar am Haus Isolie­rungs­maßnahme vornimmt und die Grenzwand Wärmedämmung am Ende über die Grenze seines Grundstücks in das des Benachbarten Grundstücks hineinragt. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschieden.

Die Parteien im zugrunde liegenden Fall sind Nachbarn. Das Haus des Beklagten B. ist bis an die Grundstücksgrenze zum Nachbarn und Kläger A. gebaut. Auf A.s Grundstück führt seine ca. 4,50 bis 5,00 m breite Grundstückseinfahrt an der Grenze entlang.

Sachverhalt

Im Frühjahr 2009 ließ B. ohne Genehmigung des A. auf dessen Grundstück in der Einfahrt an seiner Fassade ein Gerüst stellen, um dringende Instand­set­zungs­maß­nahmen am Giebel vorzunehmen. A. genehmigte das nachträglich, musste jedoch Mitte Mai feststellen, dass B. begonnen hatte, auf der Außenwand seines Gebäudes eine ca. 12 cm starke Isolierung aufzubringen, die nach dem Aufbringen des Putzes mit einer Gesamtdicke von 15 cm in sein Grundstück hineinragen und die Einfahrt verengen würde. Die beabsichtigte Dämmschicht sollte eine Fassadenfläche von ca. 253 qm bedecken. Nachdem A. den Dämmmaßnahmen erfolglos widersprochen hatte, erwirkte er beim Landgericht Karlsruhe den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wonach B. es zu unterlassen hatte, auf der Außenfassade eine in das Grundstück des A. hineinragende Außenisolierung anzubringen.

Isolie­rungs­maß­nahmen müssen nur geduldet werden, wenn kein Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachweisbar ist

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des B. zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg. Nach der Begründung des Gerichts hat der Kläger gegen den Beklagten einen Unter­las­sungs­an­spruch. A. muss die in sein Grundstück hineinragende Isolie­rungs­maßnahme nicht als Überbau gemäß § 912 Abs. 1 BGB dulden. Nach § 912 BGB hat ein Nachbar den Überbau zu dulden, wenn der Eigentümer des Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut hat, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, wenn er nicht vor oder sofort nach der Grenz­über­schreitung Widerspruch erhoben hat. Hier hat B. jedoch grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt, denn wer im Bereich der Grund­s­tücks­grenze baut und sich nicht gegebenenfalls durch Hinzuziehung eines Vermes­sungs­in­ge­nieurs darüber vergewissert, ob der für die Bebauung vorgesehene Grund auch ihm gehört und er die Grenzen seines Grundstücks nicht überschreitet, handelt gegebenenfalls grob fahrlässig. B. war bewusst, dass ein Gebäude unmittelbar an der Grund­s­tücks­grenze steht und dass die Dämmplatten zwingend in das Grundstück des A. hineinragen würden. Darüber hinaus hat A. sofort nach der Grenz­über­schreitung Widerspruch erhoben.

Wärme­schutz­be­dingter Überbau an Hauswand ist kein untergeordneter Bauteil

Auch nach dem baden-württem­ber­gischen Nachbarrecht ist A. nicht zur Duldung verpflichtet. § 7 b NRG-BW regelt, dass dann, wenn nach den baurechtlichen Vorschriften unmittelbar an die gemeinsame Grund­s­tücks­grenze gebaut werden darf, der Eigentümer des Nachba­r­grund­stücks in den Luftraum seines Grundstücks übergreifende untergeordnete Bauteile, die den baurechtlichen Vorschriften entsprechen, zu dulden hat, solange diese die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Der wärme­schutz­be­dingte Überbau an der Hauswand ist jedoch kein untergeordneter Bauteil. Wie in der Landes­bau­ordnung von Baden-Württemberg werden darunter Gesimse, Dachvorsprünge, Eingangs- und Terras­sen­über­da­chungen verstanden. Dem steht eine in den Luftraum des benachbarten Grundstücks hineinragende Hauswand nicht gleich.

Eingriff in sein Eigentum müssen nur in Ausnahmen hingenommen werden

Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem nachbar­recht­lichen Gemein­schafts­ver­hältnis. Sowohl der Bundes- als auch der Landes­ge­setzgeber haben entsprechende Überbau­re­ge­lungen getroffen, die in der Wertung übereinstimmen, dass nur ausnahmsweise von einem Eigentümer ein Eingriff in sein Eigentum hinzunehmen ist. Deshalb führen allein das grundsätzliche Interesse des Eigentümers oder das Gemein­wohl­in­teresse an einer verbesserten Wärmedämmung als energetische Maßnahme nicht zu einer Duldungspflicht. Andere besondere Umstände sind im Streitfall nicht vorgetragen. Es ist nicht geltend gemacht, dass die Wärmedämmung zwingend vorgenommen werden muss oder dass sie aus technischen Gründen nur außen an der Fassade erfolgen kann.

Quelle: ra-online, OLG Karlsruhe

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