18.10.2024
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Sie sehen das RBB-Sendezentrum, einen dreiteiligen Gebäudekomplex des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) in Berlin.

Dokument-Nr. 15707

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Urteil18.04.2013Bayerischer VerfassungsgerichtshofVf. 8-VII-12; Vf. 24-VII-12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • K&R 2013, 423Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2013, Seite: 423
  • ZD 2013, 440Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2013, Seite: 440
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ergänzende Informationen

Bayerischer Verfassungsgerichtshof Urteil18.04.2013

Rundfunkbeitrag: Bayerischer Verfassungs­gerichtshof weist Eilantrag gegen Melde­da­te­n­ab­gleich abMelde­da­te­n­ab­gleich dient Vermeidung von Vollzugs­de­fiziten und größerer Beitrags­gerechtigkeit

Der Bayerische Verfassungs­gerichtshof hat in einem Popular­klageverfahren auf Feststellung der Verfassungs­widrigkeit des Rundfunk­beitrags­staatsvertrags (RBStV) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen. Er hat es abgelehnt, den in § 14 Abs. 9 RBStV geregelten Melde­da­te­n­ab­gleich vorläufig bis zu einer Entscheidung über die Popularklage ganz oder zumindest teilweise auszusetzen.

Durch den Rundfunk­bei­trags­staats­vertrag wird die bisherige geräteabhängige Rundfunkgebühr durch einen geräte­u­n­ab­hängigen Wohnungs- und Betrie­bs­s­tät­ten­beitrag ersetzt. Mit der Popularklage wendet sich der Antragsteller des zugrunde liegenden Falls gegen die Vorschriften zur Rundfunk­bei­trags­pflicht im privaten (§ 2 Abs. 1 RBStV) und im nicht privaten Bereich (§ 5 Abs. 1 und 2 RBStV), die seiner Meinung nach insbesondere gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) und das Grundrecht der Handlungs­freiheit (Art. 101 BV) verstoßen. Weiter beanstandet er u. a. den einmaligen Meldedatenabgleich nach § 14 Abs. 9 RBStV. Um einen Datenabgleich zur Bestands- und Ersterfassung der Beitrags­schuldner zu ermöglichen, übermittelt auf dieser Grundlage jede Meldebehörde bestimmte Daten aller volljährigen Personen (vor allem Familienname, Vornamen, frühere Namen, Doktorgrad, Familienstand, Geburtsdatum, Tag des Einzugs) an die jeweils zuständige Landes­rund­funk­anstalt. Der Antragsteller rügt insoweit eine Verletzung des durch Art. 101, 100 BV gewährleisteten Anspruchs auf informationelle Selbst­be­stimmung. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung will er erreichen, dass der bereits angelaufene Vollzug dieses Melde­da­te­n­ab­gleichs vorläufig bis zu einer Entscheidung über die Popularklage ganz oder zumindest teilweise ausgesetzt wird.

Allgemeine Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte vor dem Bayerischen Verfas­sungs­ge­richtshof keinen Erfolg. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist es bereits fraglich, ob und inwieweit der Zustim­mungs­be­schluss des Landtags (Art. 72 Abs. 2 BV) zu einem Staatsvertrag nach dessen Inkrafttreten durch eine einstweilige Anordnung ausgesetzt werden kann. Denn eine Entscheidung des Verfas­sungs­ge­richtshofs kann den Freistaat Bayern grundsätzlich nicht von seiner aus dem bundes­ver­fas­sungs­recht­lichen Grundsatz der Bundestreue folgenden Verpflichtung entbinden, die Regelungen des Rundfunk­bei­trags­staats­vertrags anzuwenden. Diese Frage kann jedoch offenbleiben, weil bereits die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorliegen.

Nach Folgenabwägung sprechen Gründe gegen Erlass einer einstweiligen Anordnung

Da die Popularklage bei einer vorläufigen Prüfung weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet erscheint, ist eine Folgenabwägung vorzunehmen. Es sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Popularklage aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Popularklage aber der Erfolg zu versagen wäre. Bei dieser Abwägung überwiegen die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe.

Aussetzung des Melde­da­te­n­ab­gleichs würde zur erheblichen Beein­träch­tigung der gleichmäßigen Beitrags­er­hebung führen

Bei dem Melde­da­te­n­ab­gleich handelt es sich um ein effizientes Kontrol­l­in­strument, mit dem in der Umstel­lungsphase eine verlässliche und möglichst vollständige Erfassung der Rundfunk­bei­trags­schuldner im privaten Bereich in einem überschaubaren Zeitraum sichergestellt werden soll. Er dient damit der Vermeidung von Vollzugs­de­fiziten und einer größeren Beitrags­ge­rech­tigkeit. Eine Aussetzung würde zumindest vorübergehend eine gleichmäßige Beitragserhebung in erheblicher Weise beeinträchtigen, und zwar sowohl im Freistaat Bayern selbst als auch im Verhältnis zu den übrigen Ländern mit Auswirkungen auf sämtliche den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bildenden Anstalten und Körperschaften.

Nachteile für Betroffene haben geringeres Gewicht

Demgegenüber haben die Nachteile, die den Betroffenen durch die Übermittlung der in § 14 Abs. 9 Satz 1 RBStV genannten Daten an die Landes­rund­funk­anstalt entstehen, zurückzutreten. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang das Interesse, beitrags­re­levante Sachverhalte nicht zu offenbaren und nicht als Beitrags­schuldner identifiziert zu werden. Die Nachteile, die mit der Daten­über­mittlung und -verarbeitung ohne Kenntnis und Einwilligung der Betroffenen und gegebenenfalls nachfolgenden Auskunfts­ver­langen seitens der Landes­rund­funk­anstalt verbunden sind, haben auch für diejenigen Personen, die später nicht als Beitrags­schuldner herangezogen werden, eher geringes Gewicht.

Meldedaten decken sich mit anzugebenden Daten durch Betroffene

Die Meldedaten, die von den Einwoh­ner­mel­de­ämtern nach dem abschließenden Katalog des § 14 Abs. 9 Satz 1 RBStV zu übermitteln sind, decken sich im Wesentlichen mit denjenigen Daten, die nach § 8 Abs. 1, 4 und § 14 Abs. 1 RBStV von den Betroffenen anzuzeigen sind. Soweit sie darüber hinausreichen, wie die Übermittlung von Doktorgrad und Familienstand (§ 14 Abs. 9 Satz 1 Nrn. 4 und 5 RBStV), dienen sie der eindeutigen Identifikation und können die Zuordnung der Mitbewohner in einer Wohnung erleichtern. Der vom Antragsteller beanstandeten Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenwohnungen (§ 14 Abs. 9 Satz 1 Nr. 7 RBStV) kommt ebenfalls kein ausschlag­ge­bendes Gewicht zu; deren Kenntnis mag zwar für den Beitrag­s­tat­bestand des § 2 Abs. 1 RBStV („jede Wohnung“) unerheblich sein, sie erleichtert aber gegebenenfalls erforderliche Nachfragen beim Betroffenen und knüpft im Übrigen lediglich an die melderechtlich vorgegebenen Begriff­lich­keiten beim Innehaben mehrerer Wohnungen an.

Übermittelte Daten sind durch strikte Zweckbindung und strenge Löschungs­pflichten abgesichert

Weiter spricht gegen eine Aussetzung des Zustim­mungs­be­schlusses zu § 14 Abs. 9 RBStV, dass die von den Meldebehörden übermittelten Daten bei der Landes­rund­funk­anstalt (und der gemeinsamen Stelle im Sinn des § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV) durch eine strikte Zweckbindung und strenge Löschungs­pflichten abgesichert sind.

Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus

Die obige Entscheidung ist in einem Eilverfahren ergangen. In der Hauptsache muss über die Popularklage noch entschieden werden. Das Verfahren läuft noch.

Quelle: Bayerischer Verfassungsgerichtshof/ra-online

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