24.11.2024
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil15.02.2012

Klage der Axel Springer AG in Sachen ProSiebenSat.1 erfolgreichAnnahme vorherrschender Meinungsmacht durch geplante Anteils­übernahme ungerecht­fertigt

Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hat der Klage der Axel Springer AG gegen die Versagung einer medien­recht­lichen Unbedenk­lich­keits­be­schei­nigung für eine Beteiligung bei der ProSiebenSat.1 Media AG stattgegeben.

Nach dem Medienrecht bedürfen Fernsehsender zur Ausstrahlung ihres Programms einer Zulassung durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM). Bei größeren Veränderungen der Beteiligungen ist eine Genehmigung für die Fortsetzung der Anbie­ter­tä­tigkeit unter den veränderten Betei­li­gungs­ver­hält­nissen („Unbedenk­lich­keits­be­schei­nigung“) erforderlich.

Unbedenk­lich­keits­be­schei­nigung wegen daraus resultierender vorherrschender Meinungsmacht versagt

Diese Unbedenk­lich­keits­be­schei­nigung war mit der Begründung versagt worden, dass die Klägerin mit der damals geplanten Anteils­übernahme über eine vorherrschende Meinungsmacht verfügen würde. Bereits 2006 wurde klar, dass es nicht zur Anteils­übernahme kommen würde. Das Verwal­tungs­gericht München hatte die Klage der Axel Springer AG wegen der Versagung der Unbedenk­lich­keits­be­schei­nigung abgewiesen. Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hat die hiergegen gerichtete Berufung der Axel Springer AG zunächst aus prozessualen Gründen zurückgewiesen, allerdings die Revision zugelassen (vgl. Bayerischer Verwal­tungs­ge­richtshof, Beschluss v. 07.07.2009 - 7 BV 08.254 -).

Versagung der Unbedenk­lich­keits­be­schei­nigung rechtswidrig

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Berufungs­ent­scheidung aufgehoben und die Sache an den Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshof zurückverwiesen, der der Klage nun im zweiten Durchgang stattgegeben und festgestellt hat, dass die Versagung der Unbedenk­lich­keits­be­schei­nigung rechtswidrig war.

KEK überschreitet Grenzen des ihr zustehenden Beurtei­lungs­spielraums

Nach Auffassung des Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshofs war die für die beklagte BLM bindende Entscheidung der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) rechtswidrig, weil die KEK die Grenzen des ihr zustehenden Beurtei­lungs­spielraums in mehrfacher Hinsicht überschritten habe.

Entscheidender Schwellenwert bei Zuschau­e­r­an­teilen deutlich unterschritten

Für die Frage, ob eine Veränderung von Betei­li­gungs­ver­hält­nissen medienrechtlich als unbedenklich bestätigt werden könne, seien die Zuschau­e­r­anteile von entscheidender Bedeutung. Im maßgeblichen Zeitraum vor der geplanten Übernahme habe der Gesamt­zu­schau­e­r­anteil von Sat.1, ProSieben, Kabel 1, N24 und 9Live bei 22,06 % gelegen. Damit war der Schwellenwert von 25 % nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs so deutlich unterschritten, dass die weitere Betätigung der Klägerin auf medien­re­le­vanten verwandten Märkten (Tageszeitungen, Programm- und Publi­kums­zeit­schriften, Online-Aktivitäten, Hörfunk) unberück­sichtigt bleiben musste.

KEK hätte zusätzlichen Bonus durch Abzug vom tatsächlichen Zuschau­e­r­an­teilen gewähren müssen

Es komme hinzu, dass nach dem Rundfunkstaats­vertrag für regionale Fenster­pro­gramme und Sendezeiten für Dritte ein Bonus durch Abzug vom tatsächlichen Zuschaueranteil gewährt werden müsse. Nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs waren sowohl die Regio­na­l­fens­ter­pro­gramme von Sat.1 als auch die kraft gesetzlicher Verpflichtung eingeräumte Sendezeit für unabhängige Dritte berück­sich­ti­gungsfähig. Damit hätte die KEK vom Zuschaueranteil (22,06 %) noch fünf Prozentpunkte abziehen müssen.

Besonderen Umstände, die beabsichtigten Zusammenschluss unangemessen erscheinen lassen, nicht ersichtlich

Unabhängig davon war die Gesamt­be­ur­teilung der KEK nach Auffassung des Bayerischer Verwal­tungs­ge­richtshof auch deshalb fehlerhaft, weil die KEK keine besonderen Umstände dargelegt habe, die bei einem (knappen) Unterschreiten eines Zuschau­e­r­anteils von 25 % ausnahmsweise die Annahme vorherrschender Meinungsmacht rechtfertigen würden. Der Rundfunkstaats­vertrag enthalte Regelbeispiele für die Annahme vorherrschender Meinungsmacht bei einem Zuschaueranteil zwischen 25 und 30 %. Die darin enthaltene Wertung hätte die KEK beachten und sie nicht durch eigene Wertungen ersetzen dürfen. Die Kombination von Einflüssen in Presse und Rundfunk und die starke Stellung der Klägerin auf medien­re­le­vanten verwandten Märkten, auf die die KEK sich gestützt habe, stellten keine besonderen Umstände dar, die den beabsichtigten Zusammenschluss trotz Unterschreitens der erforderlichen Zuschau­e­r­anteile offensichtlich unangemessen erscheinen ließen.

Quelle: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online

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