Nach dem Rundfunkstaatsvertrag muss jede geplante Veränderung von Beteiligungsverhältnissen durch die zuständige Landesmedienanstalt als unbedenklich bestätigt werden. Eine solche Bestätigung darf nicht erteilt werden, wenn das Unternehmen durch die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse eine vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Erreichen die einem Unternehmen zurechenbaren Programme im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschaueranteil von 30 Prozent, so wird nach § 26 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrages vermutet, dass vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist. Gleiches gilt nach § 26 Abs. 2 Satz 2 des Rundfunkstaatsvertrages bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 Prozent, sofern das Unternehmen auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 Prozent im Fernsehen entspricht.
Die Axel Springer AG ist ein vor allem in den Bereichen Zeitungen, Zeitschriften, Radio und TV sowie Online-Diensten europaweit agierendes Medienunternehmen. Im August 2005 meldete sie gemeinsam mit den Fernsehveranstaltern SAT.1, ProSieben, Kabel 1, N24 und 9Live bei der beklagten Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und bei der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) eine geplante mittelbare Beteiligungsveränderung an und beantragte, deren medienrechtliche Unbedenklichkeit zu bestätigen. Sie beabsichtigte, sämtliche von einer Holding gehaltenen Anteile an ProSiebenSAT.1 zu übernehmen und für die im Streubesitz befindlichen stimmrechtslosen Vorzugsaktien ein öffentliches Übernahmeangebot abzugeben. Die KEK fasste am 10. Januar 2006 den Beschluss, die geplanten Veränderungen von Beteiligungsverhältnissen nicht als unbedenklich zu bestätigen. Nachdem das Bundeskartellamt den Zusammenschluss aus kartellrechtlichen Gründen untersagt hatte, gab die Klägerin ihre Pläne zur Übernahme der Beteiligungen im März 2006 auf.
Die Klage der Klägerin auf Erteilung einer medienrechtlichen Unbedenklichkeitsbestätigung wies das VG München ab. Nachdem die Anteile inzwischen an ein anderes Unternehmen veräußert worden waren, beantragte die Klägerin im Berufungsverfahren nur noch die Feststellung, dass die Verweigerung der medienrechtlichen Unbedenklichkeitsbestätigung rechtswidrig gewesen ist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die Berufung zurück, weil die Klage wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Es hat der Klägerin ein fortbestehendes Interesse an einer Sachentscheidung zugesprochen, denn die Klägerin müsste wegen der für sie ungünstigen Entscheidung der Beklagten damit rechnen, von einem potentiellen Veräußerer schon gar nicht als ernsthafter Verhandlungspartner für eine etwaige künftige Übernahme in Betracht gezogen zu werden.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wird sich bei seiner erneuten Entscheidung mit der Sache zu befassen haben und dabei berücksichtigen müssen, dass der KEK bei ihrer Beurteilung der vorherrschenden Meinungsmacht nach § 26 des Rundfunkstaatsvertrages ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt. Die in § 26 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages genannten Vom- Hundert-Anteile zur Gewichtung von Zuschaueranteilen bei der Meinungsmacht eines Unternehmens haben den Rang von Regelbeispielen, deren Einschlägigkeit im Einzelfall zu beurteilen ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.11.2010
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online