18.10.2024
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Dokument-Nr. 17597

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Urteil29.01.2014BundesverwaltungsgerichtBVerwG 6 C 2.13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MMR 2015, 67Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2015, Seite: 67
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Bundesverwaltungsgericht Urteil29.01.2014

Beabsichtigte Übernahme der ProSiebenSAT.1 Media AG durch Axel Springer AG war medienrechtlich unbedenklichBayerische Landeszentrale für neue Medien hat medien­rechtliche Un­bedenklich­keits­bestätigung zu Unrecht verweigert

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien hat die medien­rechtliche Un­bedenklich­keits­bestätigung für eine zunächst beabsichtigte und später aufgegebene Übernahme der ProSiebenSAT.1 Media AG durch die Axel Springer AG im Jahre 2006 zu Unrecht verweigert. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Nach dem Rundfunkstaats­vertrag muss jede geplante Veränderung von Betei­li­gungs­ver­hält­nissen an einem Fernseh­ver­an­stalter durch die zuständige Landes­me­di­e­n­anstalt als unbedenklich bestätigt werden. Eine solche Bestätigung darf nicht erteilt werden, wenn das Unternehmen durch die Veränderung der Betei­li­gungs­ver­hältnisse eine vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Erreichen die einem Unternehmen zurechenbaren Programme im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschaueranteil von 30 %, so wird nach dem Rundfunkstaats­vertrag vermutet, dass vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist. Gleiches gilt bei Erreichen eines Zuschau­e­r­anteils von 25 %, sofern das Unternehmen auf einem medien­re­le­vanten verwandten Markt eine markt­be­herr­schende Stellung hat oder eine Gesamt­be­ur­teilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medien­re­le­vanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungs­einfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 % im Fernsehen entspricht. Bei der Berechnung des maßgeblichen Zuschau­e­r­anteils sind vom tatsächlichen Zuschaueranteil bis zu fünf Prozentpunkte abzuziehen, wenn in einem Vollprogramm so genannte Fenster­pro­gramme zur aktuellen und authentischen Darstellung der Ereignisse des politischen, wirtschaft­lichen, sozialen und kulturellen Lebens in dem jeweiligen Land oder Sendezeiten für Dritte aufgenommen sind. Für die (abschließende) Prüfung der Frage, ob die Veränderung von Betei­li­gungs­ver­hält­nissen als unbedenklich bestätigt werden kann, ist die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) zuständig.

KEK hält beabsichtigte Übernahme der ProSiebenSAT.1 Media AG durch die Axel Springer AG für bedenklich

Die Klägerin im zugrunde liegenden Verfahren, die Axel Springer AG, beabsichtigte, sämtliche von einer Holding gehaltenen Anteile an der ProSiebenSAT.1 Media AG zu übernehmen und für im Streubesitz befindliche stimmrechtslose Vorzugsaktien ein öffentliches Übernah­me­angebot abzugeben. Die ProSiebenSAT.1 Media AG war ihrerseits Allein­ge­sell­schafterin von fünf Rundfunk­ver­an­staltern (SAT 1, ProSieben, Kabel 1, 9Live, und N24). Die Klägerin zeigte im August 2005 gemeinsam mit betroffenen Fernseh­ver­an­staltern bei der beklagten Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und bei der KEK die geplante Betei­li­gungs­ver­än­derung an. Die KEK fasste am 10. Januar 2006 den Beschluss, dass die geplante Veränderung der Betei­li­gungs­ver­hältnisse nicht als unbedenklich bestätigt werden könne, weil sie angesichts der Stellung der Klägerin auf medien­re­le­vanten verwandten Märkten, insbesondere ihrer starken Position im Pressebereich, eine vorherrschende Meinungsmacht begründen würde, die derjenigen eines Fernseh­ver­an­stalters mit einem Zuschaueranteil von 42 % entspräche.

Bayerischer VGH gibt Klage auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der verweigerten medien­recht­lichen Unbedenk­lich­keits­be­stä­tigung statt

Nachdem sich die beabsichtigte Übernahme der Anteile an der ProSiebenSAT.1 Media AG zerschlagen hatte und die Anteile inzwischen an ein anderes Unternehmen veräußert worden waren, beantragte die Klägerin in dem von ihr anhängig gemachten verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren nur noch die Feststellung, dass die Verweigerung der medien­recht­lichen Unbedenk­lich­keits­be­stä­tigung rechtswidrig gewesen ist. Der Verwal­tungs­ge­richtshof München hat der Klage mit diesem Antrag in dem angefochtenen Urteil stattgegeben. Er hat unter Rückgriff auf eine Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts angenommen, die einschlägige Bestimmung des Rundfunkstaats­vertrags sei nicht als abschließende Regelung dahin zu verstehen, dass vorherrschende Meinungsmacht nur bei Vorliegen der dort geregelten Vermu­tung­s­tat­be­stände angenommen werden dürfe, insbesondere also zwingend erfordere, dass die dort genannten Schwellenwerte für den Zuschaueranteil erreicht würden. Die Vorschrift enthalte vielmehr Regelbeispiele, die es nicht ausschlössen, bei Vorliegen gewichtiger Gründe eine vorherrschende Meinungsmacht auch dann anzunehmen, wenn die Schwellenwerte nicht ganz erreicht würden. Der Verwal­tungs­ge­richtshof ist von einem tatsächlichen Zuschaueranteil von 22,06 % der Sendergruppe ausgegangen und hat angenommen, damit sei der Schwellenwert von 25 % für eine zu vermutende vorherrschende Meinungsmacht um mehr als 10 % und daher so deutlich verfehlt, dass die Aktivitäten der Klägerin auf anderen medien­re­le­vanten Märkten nicht geeignet seien, gleichwohl eine vorherrschende Meinungsmacht anzunehmen.

Vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehen kann bei deutlicher Unterschreitung des Zuschau­e­r­anteils von 25 % nicht angenommen werden

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs im Ergebnis bestätigt und die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Soweit die Veränderung der Beteiligung an einem Fernseh­ver­an­stalter der Bestätigung medien­recht­licher Unbedenk­lichkeit bedarf, geht es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers, wie sie in den Vermu­tungs­regeln des Rundfunkstaats­ver­trages ihren Ausdruck gefunden haben, um die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht auf dem Fernsehmarkt. Eine starke Stellung auf dem Fernsehmarkt, wie sie nach der Wertung des Gesetzgebers in entsprechenden Zuschau­e­r­an­teilen ihren Ausdruck findet, kann zwar durch eine ebenfalls starke Stellung des Anteilsinhabers auf medien­re­le­vanten verwandten Märkten verstärkt werden. Je weiter der Schwellenwert von 25 % Zuschaueranteil unterschritten wird, desto mehr entfernt sich die Rechtsanwendung von den Wertungen, die der Gesetzgeber in den Vermu­tungs­regeln zum Ausdruck gebracht hat, und desto stärker gerät die Prüfung der Unbedenk­lichkeit zu einer allgemeinen, statt spezifisch fernseh­be­zogenen Medien­kon­zen­tra­ti­o­ns­kon­trolle. Hier lag im Zeitpunkt der Entscheidung der KEK der Zuschaueranteil der von dem beabsichtigten Erwerb betroffenen Fernseh­ver­an­stalter unter 20 %, weil von dem tatsächlichen Zuschaueranteil von 22,06 & weitere fünf Prozentpunkte für so genannte Fenster­pro­gramme und Sendezeiten Dritter abzuziehen sind. Jedenfalls dann, wenn der Schwellenwert von 25 % so deutlich unterschritten wird, kann eine vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehen auch unter Einbeziehung von Aktivitäten auf medien­re­le­vanten verwandten Märkten grundsätzlich nicht mehr angenommen werden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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