21.11.2024
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Dokument-Nr. 18931

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Urteil01.10.2014BundesverwaltungsgerichtBVerwG 6 C 35.13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AnwBl 2015, 272Zeitschrift: Anwaltsblatt (AnwBl), Jahrgang: 2015, Seite: 272
  • K&R 2015, 67Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2015, Seite: 67
  • NJW 2015, 807Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 807
  • NJW-Spezial 2015, 57 (Klaus Leipold und Stephan Beukelmann)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2015, Seite: 57, Entscheidungsbesprechung von Klaus Leipold und Stephan Beukelmann
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Bundesverwaltungsgericht Urteil01.10.2014

Presse hat Anspruch auf Kenntnis der an einem Gerichts­ver­fahren mitwirkenden PersonenPersönlichkeits­recht von Staatsanwalt und Verteidiger muss hinter grundrechtlich geschütztem Auskunfts­in­teresse der Presse zurückstehen

Einem Auskunft­s­er­suchen der Presse, das auf Mitteilung der Namen von Personen gerichtet ist, die in einem Gerichts­ver­fahren mitgewirkt haben, ist regelmäßig stattzugeben. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist Redakteur der "Anwalts­nach­richten Ausländer- und Asylrecht". Er bat den Direktor des Amtsgerichts Nürtingen, ihm die Abschrift einer straf­ge­richt­lichen Entscheidung zwecks Publikation in dieser Zeitschrift zu übersenden. Er erhielt eine anonymisierte Kopie des Urteils, in der die Namen der Personen geschwärzt waren, die an dem Verfahren mitgewirkt hatten (Berufsrichterin und Schöffen, Vertreter der Staats­an­walt­schaft, Verteidiger, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle). In der Folge teilte der Direktor des Amtsgerichts dem Kläger den Namen der Berufsrichterin mit, lehnte aber weitere Angaben ab. Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben.

VGH: Persön­lich­keitsrecht der Betroffenen überwiegt Auskunftsrecht der Presse

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers verpflichtete der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg das beklagte Land Baden-Württemberg, dem Kläger Auskunft auch über die Namen der Schöffen zu erteilen, und im Übrigen, nämlich hinsichtlich der Namen des Vertreters der Staats­an­walt­schaft, des Verteidigers und der Urkundsbeamtin, die Abweisung der Klage bestätigt: Insoweit überwiege das grundrechtlich geschützte Persön­lich­keitsrecht der Betroffenen das ebenfalls grundrechtlich geschützte Auskunftsrecht der Presse. Mit seiner Revision wendet sich der Kläger gegen das Berufungsurteil, soweit dieses die Klageabweisung bestätigt hat.

Presse hat Anspruchs auf Auskunft­s­er­teilung über Namen des Staatsanwalts und des Verteidigers

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat der Revision hinsichtlich des Anspruchs auf Auskunft­s­er­teilung über die Namen des Staatsanwalts und des Verteidigers stattgegeben. Das Persön­lich­keitsrecht dieser Personen muss hinter dem grundrechtlich geschützten Auskunfts­in­teresse der Presse zurückstehen. Sie stehen kraft des ihnen übertragenen Amtes bzw. ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege hinsichtlich ihrer Mitwirkung an Gerichts­ver­fahren im Blickfeld der Öffentlichkeit. Ein berechtigtes Interesse, ihre Identität nicht gegenüber der Presse preiszugeben, ist angesichts der hohen Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit für ein rechts­s­taat­liches Gerichts­ver­fahren nur dann anzunehmen, wenn sie erhebliche Belästigungen oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit zu befürchten haben. Letzteres war nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwal­tungs­ge­richtshofs hier nicht der Fall.

Staat hat nicht in journalistische Relevanzprüfung einzutreten

Entgegen der Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs lässt sich ein Vorrang ihres Persön­lich­keits­rechts nicht mit der Erwägung begründen, sie trügen keine unmittelbare Verantwortung für ein Strafurteil, so dass die Kenntnis ihrer Namen keinen hinreichenden Infor­ma­ti­o­nswert für die Presse besitze. Unabhängig davon, dass Verteidiger und Staatsanwalt auf den gerichtlichen Verfahrensgang Einfluss nehmen können, ist es nicht Sache staatlicher Stellen, sondern Sache der Presse selbst, darüber zu bestimmen, welche Informationen unter welchen Aspekten vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung über Gerichts­ver­fahren im Recherchewege aufzubereiten. Der Staat hat nicht in eine journalistische Relevanzprüfung einzutreten.

Infor­ma­ti­o­ns­ver­langen der Presse muss ernsthaften Hintergrund haben und darf nicht "ins Blaue" hinein erfolgen

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Presse im Rahmen der Recherche zu Gerichts­ver­fahren auch solche perso­nen­be­zogenen Informationen herausverlangen dürfte, denen selbst bei Anlegung eines großzügigen, den besonderen Funkti­o­ns­be­dürf­nissen und Arbeits­ge­wohn­heiten der Presse vollauf Rechnung tragenden Maßstabs jede erkennbare materielle Bedeutung im Zusammenhang mit dem Thema der Recherche bzw. der ins Auge gefassten Berich­t­er­stattung abgeht. Das Persön­lich­keitsrecht betroffener Personen hat keinen Nachrang gegenüber dem Auskunfts­in­teresse der Presse, wenn letzteres in Bezug auf diese Person im Dunkeln bleibt und so die Vermutung naheliegt, das Infor­ma­ti­o­ns­ver­langen erfolge insoweit „ins Blaue“ hinein oder besitze jedenfalls keinen ernsthaften sachlichen Hintergrund. Verweigert eine staatliche Stelle aus diesen Gründen die Herausgabe einer perso­nen­be­zogenen Information und erläutert die Presse daraufhin nicht zumindest ansatzweise den von ihr zugrunde gelegten Wert dieser Information für ihre Recherche bzw. die ins Auge gefasste Berich­t­er­stattung, muss die staatliche Stelle davon ausgehen, dass dem Infor­ma­ti­o­ns­ver­langen ein ernsthafter Hintergrund fehlt, und ist daher ausnahmsweise nicht zur Infor­ma­ti­o­ns­her­ausgabe verpflichtet. Deshalb hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht im vorliegenden Fall die Revision des Klägers zurückgewiesen, soweit sie das Verlangen nach Bekanntgabe des Namens der Urkundsbeamtin betraf.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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