21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil11.09.2013

Gericht muss Presse Auskunft über Namen der Schöffenrichter bei Strafverfahren erteilenSchöffen müssen mit Berich­t­er­stattung über Gerichts­verhandlungen rechnen

Ein Vertreter der Presse hat gegen die Justiz­ver­waltung Anspruch auf Auskunft über die Namen der Schöffen, die an einem durchgeführten Strafverfahren beteiligt waren. Dagegen besteht kein Auskunfts­an­spruch über die Namen des beteiligten Pflicht­ver­tei­digers und des Staatsanwalts. Dies entschied der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg, der damit der Berufung eines Redakteurs einer juristischen Fachzeitschrift teilweise stattgab.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist Rechtsanwalt und Redakteur der juristischen Fachzeitschrift "Anwalts­nach­richten Ausländer- und Asylrecht". Diese enthält regelmäßig die Rubrik "Die Entgleisung", in deren Beiträgen Maßnahmen und Äußerungen von namentlich genannten Mitarbeitern von Behörden und Gerichten kritisiert werden, die nach Auffassung der Autoren diskriminierend bzw. fremden­feindlich sind.

Kläger verlangt nicht anonymisierten Abdruck einer straf­ge­richt­lichen Entscheidung

Der Kläger begehrt die Übersendung eines - mit Ausnahme der persönlichen Angaben des Verurteilten - nicht anonymisierten Abdrucks einer straf­ge­richt­lichen Entscheidung des Amtsgerichts Nürtingen. Das Amtsgericht hatte einen afghanischen Staats­an­ge­hörigen, der als Asylbewerber mit gefälschten Papieren eingereist war, zu einer sechsmonatigen Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt. Der Kläger beabsichtigt, die Verurteilung des Jugendlichen durch das Amtsgericht in der genannten Zeitschrift zu thematisieren. Dabei will der Kläger den namentlich benannten Personen, insbesondere dem Pflicht­ver­teidiger des Angeklagten Verantwortung für das Verfahren und sein Ergebnis zuweisen, das er als unver­hält­nismäßig ansieht.

Kläger erhält anonymisierte Urteilskopie und Namen der Vorsitzenden Richterin

Der Direktor des Amtsgerichts stellte dem Kläger daraufhin eine anonymisierte Urteilskopie zur Verfügung und teilte den Namen der Vorsitzenden Richterin mit; die Namen der Schöffen, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, des Verteidigers und des Sitzungs­ver­treters der Staats­an­walt­schaft offenbarte er hingegen nicht. Der Kläger wandte dagegen ein, ein schutzwürdiges privates Interesse stünde der Bekanntgabe der Namen der Beteiligten, insbesondere auch des Verteidigers, nicht entgegen. Dieser stehe als Organ der Rechtspflege ebenso im öffentlichen Leben wie ein Richter.

"An den Pranger stellten" der Schöffen durch Namensnennungen in Veröf­fent­li­chungen nicht zu erwarten

Nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs Baden-Württemberg besteht ohne Hinzutreten besonderer Umstände regelmäßig ein Anspruch auf Bekanntgabe der Namen der Schöffen. Deshalb sei zwar grundsätzlich in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Infor­ma­ti­o­nsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Geheim­hal­tungs­in­teresse) des jeweils Betroffenen vorzunehmen. Im vorliegenden Fall komme aber nach Würdigung aller Umstände dem Infor­ma­ti­o­nsrecht der Presse Vorrang zu. Die Schöffen hätten bei der Entscheidung des Gerichts dasselbe Stimmrecht wie die Berufsrichter und verantworteten damit die getroffene Entscheidung in gleicher Weise. Ferner müssten Schöffen stets mit einer Berichterstattung über Gerichts­ver­hand­lungen rechnen, an denen sie teilnähmen. Die Namensnennung sei für das Verständnis des Falls auch nicht unwesentlich. Denn bei der Erörterung einer bestimmten Spruchpraxis eines Gerichts könne die Kenntnis der Identität der urteilenden Personen von Interesse sein. Dass die Schöffen bei einer Veröf­fent­lichung unter Namensnennung gleichsam "an den Pranger gestellt" oder stigmatisiert würden, sei nicht zu erwarten.

Namensnennung des Pflicht­ver­tei­digers für Verständnis des Falls nicht wesentlich

Dem Persön­lich­keitsrecht des Pflicht­ver­tei­digers gebühre dagegen bei der Abwägung Vorrang. Seine Namensnennung sei für das Verständnis des Falles nicht wesentlich. Der Pflicht­ver­teidiger trage auch für den erfolgten Strafausspruch unmittelbar keine Verantwortung. Gleiches gelte für den Staatsanwalt.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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