18.10.2024
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Thüringer Oberverwaltungsgericht Beschluss13.03.2015

Landgericht muss rechtskräftiges Strafurteil nicht an Medienvertreter herausgebenSachgemäße Durchführung eines Strafverfahrens könnte bei Übersendung des Urteils gefährdet werden

Das Landgericht Meiningen ist nicht verpflichtet, eine anonymisierte Kopie des im Fall des früheren Thüringer Innenministers Christian Köckert ergangenen Strafurteils an Medienvertreter herauszugeben. Dies hat das Thüringer Ober­verwaltungs­gericht in einem Eilverfahren entschieden und damit einen entge­gen­ste­henden Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts Meiningen geändert.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Landgericht Meiningen hatte den früheren Minister nach umfänglicher Beweisaufnahme am 8. Januar 2014 wegen Vorteilsnahme in zwei Fällen und Abgeord­ne­ten­be­stechung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die es zur Bewährung aussetzte. Nachdem sowohl der Angeklagte selbst als auch die Staats­an­walt­schaft Revision gegen das Urteil eingelegt hatten, hat am 4. März 2015 eine mündliche Verhandlung vor dem Bundes­ge­richtshof stattgefunden. Eine Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs soll am 17. März 2015 verkündet werden. Verfahren gegen weitere Beschuldigte stehen noch aus bzw. sind nicht endgültig abgeschlossen.

Verlagsgruppe verlangt Übersendung einer Kopie des Strafurteils

Die Antragstellerin im verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren, eine überörtliche Verlagsgruppe, begehrte vom Landgericht Meiningen die Übersendung einer Kopie des Strafurteils. Das Gericht lehnte dies ab.

OVG verneint Anspruch auf Übersendung einer Urteilskopie

Auf Antrag des Zeitungs­un­ter­nehmens verpflichtete das Verwal­tungs­gericht Meiningen den Freistaat Thüringen im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Übersendung einer anonymisierten Kopie des Strafurteils. Die dagegen erhobenen Beschwerden des Freistaats, der durch den Präsidenten des Landgerichts Meiningen vertreten wird, des Herrn Christian Köckert und zwei weiterer durch die straf­recht­lichen Ermittlungen Betroffener hatte vor dem Oberver­wal­tungs­gericht Erfolg. Das Zeitungs­un­ter­nehmen muss sich darauf verweisen lassen, ein konkretes Auskunfts­be­gehren - beispielsweise zu den Gründen der Strafzumessung - an das Landgericht zu richten; auf die Übersendung einer Urteilskopie hat es dagegen - derzeit - keinen Anspruch.

Thüringer Pressegesetz verpflichtet Behörden lediglich zur Erteilung einer Auskunft ohne Vorgabe einer besonderen Form der Auskunft­s­er­teilung

§ 4 Abs. 1 des Thüringer Pressegesetzes (TPG) verpflichtet die Behörden, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz) gewährleistet eine effektive Presse­be­rich­t­er­stattung. Dabei bestimmt die Presse in den Grenzen des Rechts prinzipiell selbst, ob, wie und wann sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Allerdings verpflichtet das in Ansehung der Pressefreiheit erlassene Thüringer Pressegesetz die Behörden lediglich zur Erteilung einer Auskunft. Eine besondere Form der Auskunft­s­er­teilung ist dagegen nicht vorgegeben. In Ausnahmefällen kann das Ermessen der Gerichte über die Auskunft­s­er­teilung aber dahin reduziert sein, dass die Pressevertreter Herausgabe einer Urteilskopie verlangen dürfen. Davon sei im vorliegenden Fall aber nicht auszugehen, entschieden die Richter des Oberver­wal­tungs­ge­richts, weil durch die Übersendung des Urteils die sachgemäße Durchführung eines Strafverfahrens gefährdet werden könnte. Angesichts des gegen das angeforderte Strafurteil laufenden Revisi­ons­ver­fahrens sei die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass das Urteil durch den Bundes­ge­richtshof aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werde und gegebenenfalls die Beweisaufnahme nochmals durchgeführt werden müsse. Darüber hinaus sei noch nicht abschließend über die Eröffnung der Haupt­ver­handlung in den Verfahren derjenigen Personen entschieden, die bei der Verurteilung Christian Köckerts wegen Abgeord­ne­ten­be­stechung (§ 108 e Abs. 1 StGB) und Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB) die jeweils spiegel­bild­lichen Tatbestände verwirklicht hätten bzw. die sich in diesem Zusammenhang ebenfalls strafbar gemacht haben könnten. Falls diese Haupt­ver­hand­lungen eröffnet würden, müssten auch dort ggf. Zeugenbeweise erhoben werden. Bei einer Veröf­fent­lichung des angeforderten Strafurteils im Wortlaut bestehe jedoch die Möglichkeit, dass Zeugen beeinflusst würden.

Veröf­fent­li­chungen amtlicher Schriftstücke im Wortlaut stellen größere Gefahr für Unbefangenheit der Verfah­rens­be­tei­ligten dar

Die das Urteil tragenden Tatsachen seien zwar in der öffentlichen Haupt­ver­handlung erörtert und die Zeugen vernommen worden. Der Vorsitzende habe das Urteil mündlich begründet und die Presse habe über den Inhalt der Haupt­ver­handlung und das Urteil der Strafkammer öffentlich berichtet. Dies sei mit einer Veröf­fent­lichung des genauen Wortlauts sowie der detaillierten Würdigung der Zeugenaussagen durch das Gericht aber nicht gleichzusetzen. Veröf­fent­li­chungen amtlicher Schriftstücke im Wortlaut stellten eine größere Gefahr für die Unbefangenheit der Verfah­rens­be­tei­ligten und die von dem Verfahren Betroffenen dar als lediglich inhaltlich berichtende Veröf­fent­li­chungen, da sie eine besondere Überzeugungs- und Beweiskraft besäßen und den Eindruck amtlicher Authentizität erweckten.

Auskunft gebende Stelle muss alle möglichen Auswirkungen der Freigabe der begehrten Information bedenken

Es komme nicht darauf an, wer die Auskunft begehre. Die Auskunft gebende Stelle habe nicht die Qualität der herausgegebenen Publikationen zu bewerten. Vielmehr müsse sie alle möglichen Auswirkungen der Freigabe der begehrten Information umfassend in den Blick nehmen. Nach der Herausgabe einer entsprechenden Urteilskopie habe sie keinen Einfluss mehr darauf, ob die Urteilskopie vollständig veröffentlicht werde, nur Teile daraus zitiert würden oder sie überhaupt keine Verwendung finde.

Quelle: Thüringer Oberverwaltungsgericht/ra-online

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