18.10.2024
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Sie sehen das RBB-Sendezentrum, einen dreiteiligen Gebäudekomplex des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) in Berlin.

Dokument-Nr. 23547

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Urteil07.12.2016BundesverwaltungsgerichtBVerwG 6 C 12.15, BVerwG 6 C 13.15, BVerwG 6 C 14.15, BVerwG 6 C 49.15
Vorinstanz:
  • Vorinstanzen zu BVerwG 6 C 12.15: OVG Münster, 2 A 95/15 - Urteil vom 28. Mai 2016 - VG Köln, 6 K 2444/14 - Urteil vom 04. Dezember 2014 - Vorinstanzen zu BVerwG 6 C 13.15: OVG Münster, 2 A 96/15 - Urteil vom 28. Mai 2016 - VG Köln, 6 K 2448/14 - Urteil vom 04. Dezember 2014 - Vorinstanzen zu BVerwG 6 C 14.15: OVG Münster, 2 A 188/15 - Urteil vom 28. Mai 2016 - VG Köln, 6 K 8023/13 - Urteil vom 04. Dezember 2014 - Vorinstanzen zu BVerwG 6 C 49.15 VGH München, 7 BV 15.344 - Urteil vom 30. Oktober 2015 - VG München, M 6b K 13.3729 - Urteil vom 15. Oktober 2014 -
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil07.12.2016

Rundfunkbeitrag für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge verfas­sungsgemäßBVerwG bejaht Rundfunk­beitrags­pflicht für Unternehmen

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass die Erhebung eines Rundfunk­beitrags für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Nach dem seit dem 1. Januar 2013 geltenden Rundfunk­bei­trags­staats­vertrag der Länder sind Inhaber von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zur Zahlung des Rundfunk­beitrags verpflichtet. Dessen Höhe richtet sich für Betrie­bs­s­tät­te­n­inhaber nach einer Staffelung, die sich an der Anzahl der Beschäftigten orientiert und degressiv verläuft. Auf der ersten Stufe mit keinem bis acht Beschäftigten hat der Inhaber der Betriebsstätte ein Drittel des zunächst 17,98 Euro im Monat betragenden Rundfunk­beitrags zu zahlen, während auf der obersten zehnten Stufe mit 20.000 und mehr Beschäftigten 180 Rundfunk­beiträge zu entrichten sind. Für jedes betrieblich genutzte Kraftfahrzeug muss dessen Inhaber ein Drittel des Rundfunk­beitrags entrichten, wobei für jede beitrags­pflichtige Betriebsstätte jeweils ein Kraftfahrzeug beitragsfrei ist. Die Festsetzung des zu zahlenden Rundfunk­beitrags beruht auf den Angaben der Inhaber über die Anzahl der Beschäftigten und beitrags­pflichtigen Kraftfahrzeuge. Kommen diese ihrer Mittei­lungs­pflicht nicht nach, sind die Rundfunk­an­stalten berechtigt, bei denjenigen Rundfunk­teil­nehmern, die bis Ende 2012 die Rundfunkgebühr bezahlt haben, bis zur Erfüllung der Mittei­lungs­pflicht den Beitrag in Höhe der bisher festgesetzten Rundfunkgebühr (sogenannter "Überg­angs­beitrag") zu verlangen.

Klägerinnen halten Beitragspflicht für verfas­sungs­widrig

Die Klägerin im Verfahren BVerwG 6 C 49.15 betreibt deutschlandweit eine Autovermietung und hat die Bescheide angefochten, mit denen die beklagte Rundfunkanstalt aufgrund der Angaben der Klägerin die Höhe des Beitrags für ihre Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge festgesetzt hat. Bei der Klägerin in den Verfahren BVerwG 6 C 12 - 14.15 handelt es sich um eine Einzel­han­delskette, die u. a. drei Logistikzentren besitzt und der beklagten Rundfunkanstalt die für die Beitrags­fest­setzung notwendigen Angaben nicht mitgeteilt hat. Sie wendet sich gegen die Festsetzungen der Rundfunk­beiträge in Höhe der "Überg­angs­beiträge". In allen Verfahren berufen sich die Klägerinnen auf die Verfas­sungs­wid­rigkeit der die Beitragspflicht begründenden Bestimmungen. Die Klagen sind in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Länder besitzen Regelungs­be­fugnis für Rundfunkbeitrag

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revisionen der Klägerinnen gegen die Berufungs­urteile zurückgewiesen. Da es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine rundfunk­s­pe­zi­fische nicht­steu­erliche Abgabe handelt, besitzen die Länder die Regelungs­be­fugnis für den Rundfunkbeitrag. Für dessen Erhebung bedarf es verfas­sungs­rechtlich einer besonderen Rechtfertigung. Diese ist gegeben, weil die verfas­sungs­rechtlich verankerte Rundfunk­freiheit eine Finan­zie­rungs­ga­rantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umfasst und der Beitrag die Rundfun­k­emp­fangs­mög­lichkeit abgilt. Die Anknüpfung an die Betriebsstätte und betrieblich genutzten Kraftfahrzeuge ist geeignet, diesen Vorteil im nicht privaten Bereich zu erfassen. Der Vorteil bezieht sich auf die Möglichkeit der Nutzung des Programm­an­gebots für die Erledigung betrieblicher Aufgaben, für die Beschäftigten und/oder für die Kunden. Die Annahme des Gesetzgebers, dass Rundfunk­pro­gramme in Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen typischerweise empfangen werden und deren Inhaber hiervon in unter­neh­mens­spe­zi­fischer Weise profitieren, ist von seinem Gestal­tungs­spielraum noch gedeckt. Zu Recht ist der Gesetzgeber von einer nahezu lückenlosen Verbreitung klassischer und neuartiger Empfangsgeräte - z.B. internetfähige PCs, Smartphones und Tablets - in Betriebsstätten und Kraftfahrzeugen ausgegangen. Für die Betriebsstätten stützt sich diese Annahme zum einen auf die Verbreitung von internetfähigen PCs, die bereits 2013 in 87 % der Betriebsstätten vorhanden waren und von deren weiterer Zunahme der Gesetzgeber ausgehen durfte. Zum anderen konnte der Gesetzgeber auf den bereits vor Inkrafttreten des Rundfunk­bei­trags­staats­vertrags vorliegenden Bestand an Anmeldungen nicht privater Rundfunk­teil­nehmer zur Rundfunkgebühr wegen des Besitzes von Radios, Fernsehgeräten und weiteren neuartigen Empfangsgeräten für seine Annahme zurückgreifen. Kraftfahrzeuge sind zu 97 % mit einem Autoradio ausgestattet.

Gesetzgeber musste keine Befrei­ungs­mög­lichkeit bei fehlendem Gerätebesitz vorsehen

Die erforderliche Rechtfertigung des Rundfunk­beitrags ist des Weiteren anzuerkennen, weil eine Flucht aus der Rundfunkgebühr auch im nicht privaten Bereich festzustellen war, und damit Zweifel an der Belas­tungs­gleichheit der Erhebung der Rundfunkgebühr bestanden. Insbesondere die Verbreitung gebüh­ren­pflichtiger multi­funk­ti­onaler Empfangsgeräte ließ sich auch bei nicht privaten Rundfunk­teil­nehmern nicht mehr mit der gebotenen Sicherheit feststellen. Aus den vorgenannten Gründen und zur Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Erhebung des Beitrags war der Gesetzgeber nicht gehalten, eine Befrei­ungs­mög­lichkeit bei fehlendem Gerätebesitz vorzusehen.

Degressive Staffelung der Beitragshöhe für Betriebsstätten sachlich gerechtfertigt

Die Höhe des Beitrags für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge begegnet am Maßstab des Gleich­be­hand­lungs­gebots ebenfalls keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Die Ausgestaltung des Beitragstarifs orientiert sich in beiden Fällen am jeweiligen Vorteil, den der Inhaber durch die Rundfun­k­emp­fangs­mög­lichkeit hat. So ist die degressive Staffelung der Beitragshöhe für Betriebsstätten angesichts des Umstandes, dass sich der Vorteil für die Betriebsstätten nicht nur durch die Nutzung des Rundfunk­an­gebots durch die Beschäftigten, sondern auch durch die Kunden und im Rahmen der Erfüllung betrieblicher Aufgaben widerspiegeln kann, sachlich gerechtfertigt. Demgegenüber durfte sich der Gesetzgeber bei den Kraftfahrzeugen für eine linear zu der Anzahl der Fahrzeuge steigende Beitragshöhe entscheiden, weil hinsichtlich der Nutzungs­mög­lich­keiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insoweit keine Unterschiede bestehen.

Keine Privilegierung durch "Überg­angs­beitrag" bei mangelnder Mitwirkung

Soweit die Rundfunk­an­stalten bei mangelnder Mitwirkung der Betriebsstätten- und Kraft­fahr­zeu­g­inhaber den Rundfunkbeitrag zunächst nicht ermitteln und stattdessen lediglich einen "Überg­angs­beitrag" festsetzen können, werden nicht diejenigen begünstigt, die bewusst ihren Mitwir­kungs­pflichten nicht nachkommen und damit einer höheren Beitragspflicht entgehen wollen. Eine derartige, nicht hinnehmbare Privilegierung gegenüber den ihrer Mitwir­kungs­pflicht nachkommenden Beitrags­pflichtigen liegt nicht vor. Denn die Rundfunk­an­stalten sind verpflichtet, die gesetzlich geschuldeten Beiträge im Wege der Nacherhebung festzusetzen, sobald sie die erforderlichen Angaben erhoben haben.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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