23.11.2024
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Urteil18.07.2018Bundesverfassungsgericht1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17
Vorinstanz zu 1 BvR 1675/16:
Vorinstanz zu 1 BvR 745/17:
  • Bundesverwaltungsgericht, Urteil25.01.2017, BVerwG 6 C 11.16
  • Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil03.03.2016, 2 S 386/15
  • Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil27.01.2015, 3 K 1773/14
Vorinstanz zu 1 BvR 981/17:
  • Bundesverwaltungsgericht, Urteil25.01.2017, BVerwG 6 c 15.16
  • Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil03.03.2016, 2 S 1629/15
  • Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil01.07.2015, 3 K 4017/14
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Bundesverfassungsgericht Urteil18.07.2018

BVerfG: Rundfunkbeitrag für Erstwohnung und im nicht privaten Bereich verfas­sungsgemäßAntrag auf Beitragspflicht­befreiung für Zweitwohnung möglich

Die Rundfunk­beitrags­pflicht ist im privaten und im nicht privaten Bereich im Wesentlichen mit der Verfassung vereinbar. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar ist allerdings, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten ist. Dies hat das Bundes­verfassungs­gericht entschieden und die gesetzlichen Bestimmungen zur Beitragspflicht für Zweitwohnungen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt.

In den vorliegenden Verfahren wendeten sich drei der der Entscheidung zugrun­de­lie­genden Verfas­sungs­be­schwerden gegen die Erhebung des Rundfunk­beitrags im privaten Bereich, wobei einer der Beschwer­de­führer insbesondere die Beitragspflicht für Zweitwohnungen angreift. Die vierte Verfassungsbeschwerde eines im Bereich der Autovermietung tätigen Unternehmens richtet sich gegen die Beitragserhebung im nicht-privaten Bereich und hier insbesondere gegen die Entrichtung von zusätzlichen Beiträgen für Kraftfahrzeuge.

Rundfunk­bei­trags­pflicht und deren Ausgestaltung verfas­sungsgemäß

Die Rundfunk­bei­trags­pflicht für Erstwoh­nungs­inhaber, Betrie­bs­s­tät­te­n­inhaber und Inhaber nicht ausschließlich privat genutzter Kraftfahrzeuge steht mit der Verfassung im Einklang.

I. Die Ausgestaltung des Rundfunk­beitrags im privaten Bereich mit Ausnahme der Beitragspflicht für Zweitwohnungen ist verfassungsgemäß.

Rundfunkbeitrag keine Steuer

1. Für die Regelungen zur Erhebung des Rundfunk­beitrags haben die Länder die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz, da es sich beim Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer, sondern um einen Beitrag im finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Sinn handelt, der für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung, die Möglichkeit der Rundfunknutzung, erhoben wird. Die Kompetenz für die Erhebung solcher nicht­steu­er­licher Abgaben wird von derjenigen für die jeweilige Sachmaterie - hier der Länderkompetenz für den Rundfunk - umfasst.

Rundfunk­bei­trags­pflicht materiell nicht zu beanstanden

2. Auch materiell ist die Rundfunk­bei­trags­pflicht für Erstwohnungen mit der Verfassung vereinbar. Insbesondere werden die Anforderungen des allgemeinen Gleich­heits­satzes aus Art. 3 Abs. 1 GG eingehalten.

a) Der Rundfunkbeitrag gilt einen individuellen Vorteil ab, der im Tatbestand der Wohnungs­in­ha­ber­schaft sachgerecht erfasst wird. In der Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner Funktion als nicht allein dem ökonomischen Wettbewerb unterliegender, die Vielfalt in der Rundfunk­be­rich­t­er­stattung gewähr­leis­tender Anbieter, der durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen Orien­tie­rungshilfe bietet, liegt der die Erhebung des Rundfunk­beitrags als Beitrag rechtfertigende individuelle Vorteil. Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat beizutragen, wer die allgemein zugänglichen Angebote des Rundfunks empfangen kann, aber nicht notwendig empfangen muss.

Anknüpfen der Rundfunk­bei­trags­pflicht an Innehaben von Wohnung verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden

b) Mit der Anknüpfung an die Wohnungs­in­ha­ber­schaft haben die Gesetzgeber den Kreis der Vorteils­emp­fänger in verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandender Weise erfasst. Die Gesetzgeber halten sich damit innerhalb des ihnen zustehenden weiten Spielraums bei der Ausgestaltung der Beitrags­ver­pflichtung. Zugrunde liegt die durch statistische Erhebungen gedeckte Erwägung, dass die Adressaten des Programm­an­gebots den Rundfunk typischerweise in der Wohnung empfangen und dass deshalb das Innehaben einer solchen Raumeinheit ausreichende Rückschlüsse auf die Nutzungs­mög­lichkeit als abzugeltenden Vorteil zulässt. Diese gesetz­ge­be­rische Entscheidung ist von Verfassungs wegen grundsätzlich zulässig. Der Gesetzgeber muss keinen Wirklich­keits­maßstab wählen, sondern kann auch einen Ersatz- oder Wahrschein­lich­keits­maßstab zugrunde legen und damit auch auf die tatsächlich überwiegende Nutzung in der Wohnung abstellen.

Realistische Nutzungs­mög­lichkeit für Beitrags­er­hebung maßgeblich

c) Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob in jeder beitrags­pflichtigen Wohnung tatsächlich Rundfun­k­emp­fangs­geräte bereitgehalten werden. Die Gesetzgeber dürfen die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgeräts vorsehen. Maßgeblich ist, dass eine realistische Nutzungs­mög­lichkeit besteht. Sie ist stets gegeben, weil den Beitrags­schuldnern durch das Beschaffen von entsprechenden Empfangsgeräten ein Empfang im gesamten Bundesgebiet möglich ist. Wo es Beitrags­schuldnern objektiv unmöglich ist, zumindest über irgendeinen Übertragungsweg Rundfunk zu empfangen, soll auf Antrag eine Befreiung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 des Rundfunk­bei­trags­staats­vertrags (RBStV) erfolgen. Darüber hinaus erwiese sich eine Anknüpfung an Empfangsgeräte auch als nicht mehr praktikabel. Insbesondere angesichts der Diver­si­fi­zierung der Empfangs­mög­lich­keiten sind effektive Kontrollen kaum möglich.

Bewusster Empfangs­verzicht unerheblich

d) Ebenfalls unerheblich ist, ob einzelne Beitrags­schuldner bewusst auf den Rundfunkempfang verzichten, denn die Empfangs­mög­lichkeit besteht unabhängig vom Willen des Empfängers.

e) Die Bemessung des Rundfunk­beitrags im privaten Bereich ist im Wesentlichen belas­tungs­gleich ausgestaltet.

Mehreinnahmen aus Beiträgen nicht wesentlich mehr als prognostiziert

aa) Die Gesetzgeber haben den bestehenden weiten Gestal­tungs­spielraum bei der Festsetzung des Rundfunk­beitrags zum 1. Januar 2013 nicht überschritten. Die Länder wollten sich bei der Festsetzung des Rundfunk­beitrags an den Berechnungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunk­an­stalten orientieren. Die tatsächlichen Mehreinnahmen aus Rundfunk­bei­trägen lagen auch nicht wesentlich über den von der Kommission prognos­ti­zierten Einnahmen. Im Übrigen werden Überschüsse am Ende der Beitragsperiode vom Finanzbedarf für die folgende Periode abgezogen. Letztlich ist verfas­sungs­rechtlich entscheidend, dass die Beiträge nicht für andere Zwecke erhoben werden als die funkti­o­ns­ge­rechte Finan­z­ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Finanzierung der Aufgaben nach § 40 Abs. 1 RBStV.

Kein Verstoß gegen Grundsatz der Belas­tungs­gleichheit bei einheitlicher Erhebung pro Wohnung

bb) Die einheitliche Erhebung des Rundfunk­beitrags pro Wohnung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Belas­tungs­gleichheit. Dem Rundfunkbeitrag steht eine äquivalente staatliche Leistung, nämlich ein umfangreiches, so auf dem freien Markt nicht erhältliches Angebot in Form von Vollprogrammen, Sparten­pro­grammen und Zusatzangeboten, einem Bildungs­programm, zahlreichen Hörfunk­pro­grammen und Teleme­di­en­an­geboten gegenüber.

Ungleich­be­handlung zwischen Einzel­per­so­nen­haus­halten und Gemein­schafts­haus­halten hinnehmbar

Darin, dass sich mehrere Wohnungsinhaber den Beitrag untereinander aufteilen können und dadurch weniger belastet werden als Einzelpersonen, liegt zwar eine Ungleich­be­handlung. Diese beruht jedoch auf Sachgründen, die den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen noch genügen. Die Landes­ge­setzgeber stützen die wohnungs­be­zogene Erhebung des Rundfunk­beitrags darauf, dass der private Haushalt in der Vielfalt der modernen Lebensformen häufig Gemeinschaften abbildet, die auf ein Zusammenleben angelegt sind, und dass die an dieser Gemeinschaft Beteiligten typischerweise das Rundfunkangebot in der gemeinsamen Wohnung nutzen. An diese gesell­schaftliche Wirklichkeit darf der Gesetzgeber anknüpfen. Die Gemeinschaften unterfallen darüber hinaus vielfach dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Die Regelung ist vom weiten Einschät­zungs­spielraum der Landes­ge­setzgeber gedeckt. Die Ungleich­be­handlung kann auch deshalb hingenommen werden, weil die ungleiche Belastung das Maß nicht übersteigt, welches das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in vergleichbaren Fällen angelegt hat. Die Leistung des öffentlich-rechtlichen Programm­an­gebots ist auch dann der Beitragshöhe äquivalent, wenn der Inhaber eines Einper­so­nen­haushalts zu einem vollen Beitrag herangezogen wird.

Beitrags­be­messung bei Zweitwohnung aufgrund angeblicher Verwal­tungs­ver­ein­fachung nicht gerechtfertigt

II. Hingegen verstößt die Bemessung des Beitrags bei Zweitwohnungen gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belas­tungs­gleichheit.

Soweit Wohnungsinhaber nach der derzeitigen Regelung für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunk­beitrags herangezogen worden sind, ist der Vorteil bereits abgegolten; Zweit­woh­nungs­inhaber würden für den gleichen Vorteil mehrfach herangezogen. Gründe der Verwal­tungs­ver­ein­fachung tragen die Regelung nicht, da den Rundfunk­an­stalten die relevanten Meldedaten übermittelt werden und die Anzeigepflicht auf die Angabe von Erst- und Mehrfachwohnung erstreckt werden kann. Auch ist die Regelung nicht aus Gründen einer Missbrauchs- und Umgehungsgefahr gerechtfertigt, da Beitrags­pflichtige, die eine Wohnung als Erstwohnung innehaben, unabhängig von der zusätzlichen Präsenz von Zweit­woh­nungs­in­habern zur Zahlung verpflichtet sind. Durch einen Meldeverstoß können auch Inhaber von Erstwohnungen der Beitragszahlung rechtswidrig entgehen; in diesem Fall können jedoch bewusst falsche Angaben als Ordnungs­wid­rigkeit oder gar als Straftat verfolgt werden.

Rundfunk­bei­trags­be­freiung für Zweitwohnung kann von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden

Allerdings dürfen die Gesetzgeber bei einer Neuregelung Vorkehrungen treffen, um den Verwal­tungs­aufwand für die Erfassung von Zweitwohnungen im Rahmen zu halten. So können sie die Befreiung von dem Rundfunkbeitrag für Zweitwohnungen von einem Antrag sowie einem Nachweis der Anmeldung von Erst- und Zweitwohnung als solche abhängig machen. Dabei können sie auch für solche Zweit­woh­nungs­inhaber von einer Befreiung absehen, die die Entrichtung eines vollen Rundfunk­beitrags für die Erstwohnung durch sie selbst nicht nachweisen. Dabei darf dieselbe Person jedoch für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung nicht zu mehr als einem insgesamt vollen Beitrag herangezogen werden.

Rundfunkempfang stellt für Betrie­bs­s­tät­te­n­inhaber Vorteil dar

III. Im nicht privaten Bereich verstoßen weder die Beitragspflicht für Betriebsstätten noch die Beitragspflicht für nicht zu ausschließlich privaten Zwecken genutzte Kraftfahrzeuge gegen den Grundsatz der Belas­tungs­gleichheit.

1. Die Möglichkeit des Rundfun­k­empfangs vermittelt den Betrie­bs­s­tät­te­n­in­habern einen Vorteil. Sie können sich aus dem Rundfunkangebot Informationen für den Betrieb beschaffen sowie das Rundfunkangebot zur Information oder Unterhaltung ihrer Beschäftigten und ihrer Kundschaft nutzen.

Empfang in Kraftfahrzeugen zusätzlicher erwer­bs­wirt­schaft­licher Vorteil

2. Ein zusätzlicher erwer­bs­wirt­schaft­licher Vorteil erwächst den Betrie­bs­s­tät­te­n­in­habern durch die Möglichkeit, Rundfunk in betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zu empfangen. Bei Unternehmen, deren erwer­bs­wirt­schaftliche Betätigung schwer­punktmäßig in der Nutzung von Kraftfahrzeugen liegt, wird der Nutzungsvorteil zum Hauptvorteil. Bei Mietwagen liegt der abgel­tungs­fähige Vorteil im preisbildenden Faktor der Empfangs­mög­lichkeit.

3. Die Gesamtheit dieser zusätzlichen Vorteile haben die Gesetzgeber in verfas­sungs­gemäßer Weise erfasst. Der Vorteil ist den Inhabern von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zurechenbar. Die konkrete Ausgestaltung der Beitragspflicht für Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge ist belas­tungs­gleich.

Kein Gleich­heits­verstoß bei unter­schied­licher Belastung trotz gleicher Beschäf­tig­tenzahl

a) Der Rundfunk­bei­trags­staats­vertrag macht die Höhe des Beitrags von der Anzahl der in der jeweiligen Betriebsstätte neben dem Inhaber Beschäftigten abhängig, wobei mit zunehmender Belastung eine Degression eintritt. Diese Bemessung ist vorteilsgerecht. Dass es bei gleicher Beschäf­tig­tenzahl zu unter­schied­lichen Belastungen kommt, je nachdem auf wie viele Betriebsstätten sich die Beschäftigten verteilen, bewirkt keinen Gleich­heits­verstoß. Die Landes­ge­setzgeber durften die Beitragspflicht sowohl an die Betriebsstätte als denjenigen Ort anknüpfen, in dem von der Möglichkeit der Rundfunknutzung typischerweise Gebrauch gemacht wird, als auch den nach der Größe einer Betriebsstätte zu bemessenden Vorteil im Wege einer degressiven Staffelung an die Beschäf­tig­tenzahl knüpfen.

Beschäf­tig­tenzahl der Betriebsstätte für Beitrags­be­messung maßgeblich

Dabei kommt es nicht darauf an, dass es bezogen auf die Gesamtzahl der Beschäftigten mitunter zu unterschiedlich hohen Belastungen kommen kann, denn die Gesetzgeber haben nicht die Beschäf­tig­tenzahl eines Unternehmens, sondern die der Betriebsstätte zur Bemessung des Rundfunk­beitrags herangezogen.

Aufteilung auf drei verschiedene Nutzungsarten im Betrieb angemessen

b) Für betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge ist deren Inhaber für jedes zugelassene Fahrzeug zur Zahlung eines Drittels des Rundfunk­beitrags verpflichtet. Davon ist jeweils ein Kraftfahrzeug für jede beitrags­pflichtige Betriebsstätte des Inhabers ausgenommen. Diese zusätzliche Beitragspflicht ist ebenfalls vorteilsgerecht ausgestaltet. Die Landes­ge­setzgeber konnten auch Kraftfahrzeuge als Orte, an denen der Rundfunk typischerweise intensiv genutzt wird, mit einem eigenen (Teil-) Beitrag belasten, um damit auch Unternehmer ohne Betriebsstätte zu erfassen. Insbesondere mussten die Gesetzgeber nicht zwischen solchen Kraftfahrzeugen unterscheiden, die der Betrie­bs­s­tät­te­n­inhaber unmittelbar für die Zwecke des Betriebs einsetzt, und solchen, die an Kunden vermietet werden. Die Landes­ge­setzgeber mussten diese Unterscheidung nicht in unter­schiedliche Beitrags­re­ge­lungen übersetzen. Sie konnten sich vielmehr darauf beschränken, die Beitragslast auf drei verschiedene Nutzungsarten im Betrieb aufzuteilen, um insgesamt die Vielge­stal­tigkeit der Nutzungs­mög­lich­keiten im betrieblichen Bereich zu erfassen und die Betriebsstätten in angemessener Höhe zu belasten.

Profit­mög­lich­keiten für Vermieter von Kraftfahrzeugen

Die Beschwer­de­führerin im Verfahren 1 BvR 836/17 profitiert jedenfalls als Vermieterin von Kraftfahrzeugen vom kommunikativen Nutzen ihrer Kundschaft dadurch, dass sie Kraftfahrzeuge mit Möglichkeit zur Rundfunknutzung teurer beziehungsweise überhaupt vermieten kann. Dieser Nutzen ist durch den Beitrag der Betriebsstätte noch nicht erfasst, kann also als Leistung von den Gesetzgebern mit einer Pflicht zur Gegenleistung in Form eines (Drittel-)Beitrags belegt werden.

Kein strukturelles Erhebungs­defizit erkennbar

c) Schließlich ist das Erhebungs­ver­fahren des Rundfunk­beitrags im nicht privaten Bereich belas­tungs­gleich. Die Rundfunk­an­stalten verfügen über hinreichende Möglichkeiten, die beitrags­re­le­vanten Tatbestände zu ermitteln, und machen davon auch Gebrauch. Ein strukturelles Erhebungs­defizit ist nicht erkennbar.

Rundfunk­bei­trags­pflicht stellt keinen Zwang zur Nutzung da

IV. Auch im Übrigen ist die Rundfunk­bei­trags­pflicht verfas­sungsgemäß.

1. Das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG folgende Grundrecht der Infor­ma­ti­o­ns­freiheit schützt den Zugang zu allgemein zugänglichen Infor­ma­ti­o­ns­quellen und zugleich die eigene Entscheidung darüber, sich aus solchen Quellen zu informieren. Der Aspekt des Auswäh­len­könnens ist der Grundtatbestand jeder Information. Ob das Grundrecht der Infor­ma­ti­o­ns­freiheit darüber hinaus auch gleichrangig im Sinne einer negativen Komponente davor schützt, sich gegen den eigenen Willen Informationen aufdrängen zu lassen, oder ob insoweit der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG einschlägig ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Rundfunk­bei­trags­pflicht begründet keinen Zwang zur Konfrontation mit den über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreiteten Informationen, so dass es jedenfalls an einem Eingriff fehlt.

Kein Verstoß gegen Bestimmt­heitsgebot durch Beitrags­re­gelung im Rundfunk­fi­nan­zie­rungs­staats­vertrag

2. Es liegt auch nicht deshalb ein Verstoß gegen das Bestimmt­heitsgebot vor, weil die Höhe des Rundfunk­beitrags nicht im Rundfunk­bei­trags­staats­vertrag, sondern im Rundfunk­fi­nan­zie­rungs­staats­vertrag geregelt ist. Der Zweck eines Gesetzes kann aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien deutlich werden und sich auch aus dem Zusammenhang ergeben, in dem die Regelung zu dem zu regelnden Lebensbereich steht. Die Höhe des Rundfunk­beitrags ist allgemein bekannt und ergibt sich zudem aus den frei verfügbaren Informationen des ARD ZDF Deutsch­landradio Beitragsservice. Auch weist die Geset­zes­be­gründung zum Rundfunk­bei­trags­staats­vertrag ausdrücklich auf das nach dem Rundfunk­fi­nan­zie­rungs­staats­vertrag bestehende Festset­zungs­ver­fahren hin.

Unterlassen eines Vorab­ent­schei­dungs­ver­fahrens durch Bundes­ver­wal­tungs­gericht kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG

V. Im Übrigen begegnen auch die angegriffenen Entscheidungen keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Sie entziehen den Beschwer­de­führern nicht ihren gesetzlichen Richter. Insbesondere begründet es keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, dass das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Durchführung eines Vorab­ent­schei­dungs­ver­fahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV über die Frage unterlassen hat, ob durch den Systemwechsel von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag eine Beihilfe umgestaltet wurde, die der Kommission der Europäischen Union hätte notifiziert werden müssen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat eine etwaige Vorlagepflicht weder verkannt noch ist es bewusst von bestehender Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgewichen. Es durfte in vertretbarer Weise davon ausgehen, die Rechtslage zur Notifi­zie­rungs­pflicht sei in einer Weise geklärt, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt. Nach dieser Rechtsprechung wird die ursprüngliche Regelung durch die Änderung nur dann in eine neue Beihil­fe­re­gelung umgewandelt, wenn sie von der in der Geneh­mi­gungs­ent­scheidung zugelassenen Regelung wesentlich abweicht, insbesondere, wenn die Änderung sie in ihrem Kern betrifft. Auf dieser Grundlage hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Vorliegen einer geklärten Rechtslage nicht willkürlich und nicht ohne sachlich einleuchtende Begründung bejaht. Nicht zu beanstanden ist, dass es eine Änderung im Kern verneint, weil der Rundfunkbeitrag ebenso wie die vormalige Rundfunkgebühr als Gegenleistung für das Rundfunk­pro­gramm­angebot erhoben wird, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Dass nun auch weitere Personen abgabepflichtig sind, obwohl sie kein Empfangsgerät besitzen, hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht wegen ihres geringen Anteils am Gesamtaufkommen als nicht wesentlich eingestuft. Dies leuchtet ohne weiteres ein.

Neuregelung über Beitrags­be­freiung für Inhaber von Zweitwohnungen bis 30.06.2020

VI. Eine Neuregelung durch die Gesetzgeber hat spätestens bis zum 30. Juni 2020 zu erfolgen. Ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils sind bis zu einer Neuregelung Personen, die Ihrer Rundfunk­bei­trags­pflicht bezüglich der Erstwohnung nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien. Wer bereits Rechtsbehelfe anhängig gemacht hat, über die noch nicht abschließend entschieden ist, kann einen solchen Antrag rückwirkend stellen. Bereits bestands­kräftige Festset­zungs­be­scheide vor der Verkündung dieses Urteils bleiben hingegen unberührt.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ ra-online

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