23.11.2024
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Dokument-Nr. 16264

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Urteil11.07.2013BundesverwaltungsgerichtBVerwG 5 C 23.12 D und BVerwG 5 C 27.12 D
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • jM 2014, 81 (Ulrich Maidowski)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2014, Seite: 81, Entscheidungsbesprechung von Ulrich Maidowski
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Vorinstanzen zu BVerwG 5 C 23.12 D:
  • Verwaltungsgericht Potsdam, Urteil02.02.2010, 7 K 2117/03
  • Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil27.03.2012, 3 A 1.12
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil11.07.2013

BVerwG zur Entschädigung für überlange VerfahrensdauerFester Richtwert für unangemessen lange Dauer eines Gerichts­ver­fahrens nicht gegeben

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat sich erstmals mit dem Ende 2011 geschaffenen Entschädigungs­anspruch wegen überlanger Dauer von Gerichts­ver­fahren befasst und entschieden, dass es für die zentrale Frage, wann ein Gerichts­ver­fahren unangemessen lang dauert, keine festen Richtwerte gibt.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht verwies darauf, dass es angesichts der Vielschich­tigkeit und Vielge­stal­tigkeit der Verfahren in Verwal­tungs­pro­zessen in der Regel auch nicht möglich sei, sich an angenommenen oder statistisch ermittelten Verfah­rens­lauf­zeiten zu orientieren. Vielmehr hinge die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer stets von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Schwierigkeit des Verfahrens, von dessen Bedeutung und vom Verhalten der Beteiligten, so die Richter. Dabei sei vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfah­rens­führung des Gerichts eintreten, bei Berück­sich­tigung des dem Gericht insoweit zukommenden Gestal­tungs­spiel­raumes sachlich gerechtfertigt sind.

Verfahrensdauer in erster Instanz sechseinhalb, in zweiter Instanz knapp zwei Jahre

Im ersten Verfahren geht es um die Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer für einen Rechtsstreit über die Rückzahlung von Ausbil­dungs­för­derung (in Höhe von 17.000 Euro), der in erster Instanz sechseinhalb und in zweiter Instanz knapp zwei Jahre gedauert hatte. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat als Entschä­di­gungs­gericht die Ansicht vertreten, die Verzögerung im verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren betrage nur drei Jahre und vier Monate. Den Verwal­tungs­ge­richten sei, wenn eine Sache - wie hier nach etwas über einem Jahr - entschei­dungsreif sei, noch eine Bearbei­tungsfrist von zwei weiteren Jahren einzuräumen.

Sachlich nicht zu rechtfertigende Verfah­rens­ver­zö­gerung von mindestens fünf Jahren unangemessen

Auf die Revision des Klägers hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht diese Rechts­auf­fassung beanstandet. Es hat das Urteil abgeändert und dem Kläger antragsgemäß eine um 2.000 Euro höhere Entschädigung (insgesamt 6.000 Euro) zugebilligt und festgestellt, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Nach den Umständen des Einzelfalles war davon auszugehen, dass - auch unter Berück­sich­tigung eines richterlichen Gestal­tungs­spiel­raumes - eine Verfahrensverzögerung von mindestens fünf Jahren vorlag, die sachlich nicht zu rechtfertigen war. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass die Sache einfach gelagert und zudem für den Kläger wegen der Höhe des Rückfor­de­rungs­be­trages von erheblicher Bedeutung war. Soweit die Verzögerung auf einer erheblichen Arbeits­über­lastung des Verwal­tungs­ge­richts beruhte, konnte dies nicht als Rechtfertigung dienen, sondern war dem beklagten Land zuzurechnen. Dieses ist gehalten, strukturellen Mängeln etwa durch eine bessere Perso­nal­ausstattung des Gerichts abzuhelfen.

Polizistin muss zwei Jahre auf mündliche Verhandlung warten

Gegenstand des zweiten Verfahrens ist der Entschä­di­gungs­an­spruch einer Polizistin, die gegen ihre Umsetzung in ein anderes Polizeirevier geklagt hatte und beim Verwal­tungs­gericht zwei Jahre auf eine mündliche Verhandlung warten musste. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das Urteil des Oberver­wal­tungs­ge­richts für das Land Sachsen-Anhalt bestätigt.

Verhandlung hätte bei einfach gelagertem Rechtsstreit ein Jahr früher stattfinden müssen

Nach den besonderen Umständen des Einzelfalles hätte in diesem einfach gelagerten Rechtsstreit, der für die Klägerin von nicht unerheblicher Bedeutung war, eine mündliche Verhandlung ein Jahr früher stattfinden müssen, zumal das Verwal­tungs­gericht bereits in einem früheren Verfahren mit der Umsetzung befasst war. Der Klägerin steht daher eine Entschädigung für die materiellen und immateriellen Nachteile zu. Durch die Verzögerung sind ihr zusätzliche Fahrtkosten von über 1.800 Euro entstanden. Die Entschädigung für immaterielle Nachteile beträgt nach dem Gesetz grundsätzlich 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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