18.10.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil31.07.2012

Flughafen BER: Planfest­stel­lungs­be­schluss für den Ausbau des Flughafens hat BestandKlagen wegen behaupteter Täuschung über Flugrouten abgewiesen

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Klagen der Gemeinde Kleinmachnow, einer Wohnungs­bau­ge­sell­schaft und von insgesamt 21 Anwohnern gegen den Planfest­stel­lungs­be­schluss „Ausbau Verkehrs­flughafen Berlin-Schönefeld“ vom 13. August 2004 abgewiesen.

Die erste Gruppe von Klägern des zugrunde liegenden Verfahrens hat im Dezember 2010 bzw. März 2011 Klage gegen den Planfest­stel­lungs­be­schluss erhoben und Wieder­ein­setzung in die Klagefrist beantragt. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, das beklagte Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg und die beigeladene Flughafen Berlin Brandenburg GmbH seien im Planfest­stel­lungs­ver­fahren wider besseres Wissen von nicht realistischen Abflugrouten ausgegangen und hätten sie dadurch vorsätzlich über die Auswirkungen des Fluglärms getäuscht.

BVerwG weist Klagen als verfristet ab

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die beantragte Wieder­ein­setzung abgelehnt und die Klagen als verfristet abgewiesen. Ist - wie hier - seit dem Ende der Klagefrist mehr als ein Jahr verstrichen, ist der Wieder­ein­set­zungs­antrag nur zulässig, wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 60 Abs. 3 VwGO). Ein Fall höherer Gewalt wäre hier allenfalls dann gegeben, wenn der Beklagte bei den Klägern einen Irrtum über die Möglichkeit der eigenen Betroffenheit oder die hinreichenden Erfolgs­aus­sichten einer Klage erregt oder arglistig über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand getäuscht hätte.

Festlegung divergierender Abflugrouten war nicht ausgeschlossen

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Kläger hätten jedenfalls innerhalb der Jahresfrist zulässige Klagen erheben können. Da die Flugrouten nicht im Planfest­stel­lungs­ver­fahren zusammen mit der Entscheidung über den Ausbau des Flughafens, sondern vom Bundes­auf­sichtsamt für Flugsicherung durch Rechts­ver­ordnung festgelegt werden, kann unabhängig von der für das Planfest­stel­lungs­ver­fahren erstellten Flugrou­ten­prognose jeder Klage gegen die Anlegung oder den Ausbau eines Flughafens erheben, der durch Fluglärm abwägungs­er­heblich betroffen werden kann. Das ist der Fall, wenn sein Grundstück innerhalb des Einwir­kungs­be­reichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird. Über die Möglichkeit einer solchen Betroffenheit hat der Beklagte bei den Klägern keinen Irrtum erregt. Er hat zwar nicht offen gelegt, dass die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) für einen unabhängigen Bahnbetrieb nicht parallele, sondern aus Sicher­heits­gründen um mindestens 15° divergierende Abflugrouten planen würde; die Festlegung divergierender Abflugrouten war aber unabhängig hiervon nicht ausgeschlossen. Dies war auch nicht nur eine theoretische Möglichkeit.

Die Kläger durften auch nicht annehmen, dass eine Klage gegen den Planfest­stel­lungs­be­schluss in der Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben würde. Wie die fristgerecht erhobenen Klagen gezeigt haben, war die Stand­or­tent­scheidung unabhängig von dem 15°-Erfordernis einer Vielzahl grundsätzlicher Einwendungen ausgesetzt.

Erstellte Grobplanung der Flugrouten für Abschätzung der Lärmbe­trof­fen­heiten ausreichend

Der Beklagte hat die Kläger auch nicht arglistig über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand getäuscht. Der Planfest­stel­lungs­be­schluss leidet wegen der Nicht­be­rück­sich­tigung der 15°-Divergenz nicht an einem Abwägungsfehler, der zu seiner Aufhebung geführt hätte. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 zum Nacht­flug­betrieb dargelegt hat, war die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der Flugrouten ausreichend, um die Lärmbe­trof­fen­heiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen.

Von Klägern vorgelegte Unterlagen führen zu keiner anderen Beurteilung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses

Die von den Klägern vorgelegten Urkunden, insbesondere das so genannte Herberg- Schreiben und das zuletzt vorgelegte Protokoll einer Koordi­nie­rungs­sitzung der Beigeladenen, führen nicht zu einer anderen Beurteilung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses. Da die Grobplanung mit geradlinigen Abflugrouten für die Abwägung ausreichend war, durften bei der Entscheidung über die Erfor­der­lichkeit einer neuen Grobplanung auch verfah­rens­öko­no­mische Erwägungen berücksichtigt werden. Der Behauptung der Kläger, man habe der Abwägung die geraden Abflugrouten zugrunde gelegt, weil man befürchtete, dass sich der Standort Schönefeld bei Zugrundelegung abknickender Abflugrouten nicht mehr durchsetzen lassen würde, musste der Senat nicht nachgehen. Die Motive und Vorstellungen der Entschei­dungs­träger hätten nach den gesetzlichen Regelungen angesichts des in der Sache vertretbaren Ergebnisses allenfalls dann zu einem Erfolg der Klagen führen können, wenn sie offensichtlich wären, d.h. sich aus den vorliegenden Verwal­tungs­vor­gängen, der Begründung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses oder sonstigen Unterlagen ergäben. Für die Behauptung der Kläger gibt es jedoch weder in den Verwal­tungs­vor­gängen noch in den von ihnen vorgelegten Urkunden Anhaltspunkte. Die behaupteten Motive lagen in der damaligen Planungs­si­tuation - noch vor Stellung des Planfest­stel­lungs­antrags - im Übrigen auch nicht nahe.

Bundes­ver­wal­tungs­gericht verneint Vorliegen eines Wieder­auf­nah­me­grundes

Eine zweite Gruppe von Klägern hatte bereits 2004 Klage gegen den Planfest­stel­lungs­be­schluss erhoben. Mit ihren im Januar 2011 erhobenen Resti­tu­ti­o­ns­klagen haben sie beantragt, das rechtskräftige Urteil des Senats vom 16. März 2006 aufzuheben und ihr damaliges Klageverfahren wieder­auf­zu­nehmen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Klagen als zulässig angesehen, aber das Vorliegen eines Wieder­auf­nah­me­grundes verneint. Ein solcher läge hier nur vor, wenn die von den Klägern vorgelegten Urkunden eine ihnen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Das ist nicht der Fall. Dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb nicht an den parallelen Abflugrouten festhalten, sondern divergierende Abflugrouten planen würde, war nicht neu; dies ergab sich bereits aus den in den damaligen Verwal­tungs­vor­gängen vorhandenen Schreiben der DFS. Die sich aus den Urkunden ergebenden neuen Tatsachen, insbesondere die Existenz des Herberg-Schreibens, führen nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses.

Klage auf Rücknahme des Planfest­stel­lungs­be­schlusses bzw. Untersagung des unabhängigen Paral­lel­be­triebes von Start- und Landebahnen unbegründet

Die dritte und letzte Gruppe von Klägern hat beantragt, den bestands­kräftigen Planfest­stel­lungs­be­schluss zurückzunehmen, hilfsweise den unabhängigen Parallelbetrieb der beiden Start- und Landebahnen zu untersagen. Diese Klagen hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht als unbegründet abgewiesen. Der Planfest­stel­lungs­be­schluss leidet nicht an einem Rechtsfehler, der zu einem Rücknah­mean­spruch führen könnte. Der Beklagte hat die Planunterlagen allerdings nicht in allen Gemeinden ausgelegt, in denen dies erforderlich gewesen wäre. Im Planfest­stel­lungs­ver­fahren muss jeder beteiligt werden, der nach den zur Klagebefugnis dargelegten Kriterien abwägungs­er­heblich betroffen werden kann. Die Planunterlagen hätten jedenfalls in Teltow, ausgehend von der dem Planfest­stel­lungs­be­schluss zugrunde liegenden Schwelle zur Abwägungs­er­heb­lichkeit vermutlich auch in Kleinmachnow, möglicherweise darüber hinaus in einzelnen weiteren Gemeinden ausgelegt werden müssen. Die genaue Abgrenzung des Ausle­gungs­gebiets kann offen bleiben, denn der Fehler bei der Auslegung ist für die Zulassung des Vorhabens nicht kausal geworden. Gleiches gilt für einen weiteren Fehler der Umwelt­ver­träg­lich­keits­prüfung. Der Unter­su­chungsraum „Mensch“ hätte ebenfalls nicht auf der Grundlage der prognos­ti­zierten Flugrouten abgegrenzt werden dürfen; er hätte den gesamten Einwir­kungs­bereich des Flughafens umfassen müssen. Die Berück­sich­tigung der fehlenden Kausalität begegnet keinen unions­recht­lichen Bedenken. Der Öffent­lich­keits­be­tei­li­gungs­richtlinie, die einer Kausa­li­täts­prüfung möglicherweise entgegenstehen könnte, sind Vorgaben für ein nach nationalem Recht zusätzlich zur Anfechtung eröffnetes Rücknah­me­ver­fahren nicht zu entnehmen.

Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld rechtmäßig

Im Übrigen ist die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld - wie dargelegt - rechtmäßig. Ein etwaiger Abwägungsmangel bei der Auswahl der Bahnkon­fi­gu­ration würde die Kläger nicht in eigenen Rechten verletzen. Als maßgeblich hat der Beklagte nur Betroffenheiten bis hinab zu einem Dauer­scha­llpegel von 62 dB(A) angesehen. Dieser Wert wird bei den Klägern nicht erreicht. Eine Untersagung des unabhängigen Paral­lel­be­triebs können die Kläger ebenfalls nicht verlangen; die Zulassung des Vorhabens mit dem Ziel, einen unabhängigen Parallelbetrieb beider Bahnen zu ermöglichen, ist rechtmäßig.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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